18.45

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Auch wenn ich aus diesem Sektor Nein gehört habe, melde ich mich trotzdem zu Wort, und das passt irgendwie auch zu der Debatte, die wir geführt haben – eine spannende Debatte, glaube ich, und eine durchaus erhellende Debatte.

Ich möchte die Worte des Abgeordneten Brandstätter aufgreifen, der gesagt hat: Das ist ein Parlament, in dem man miteinander reden können soll. – Das sehe ich genauso wie Sie. Es ist dann aber auch ein Parlament, in dem man die Meinung eines anderen zu akzeptieren und auch ein entsprechendes Abstimmungsverhalten zur Kenntnis zu nehmen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube, dass das auch eine wesentliche demokratische Errungenschaft ist, und ich denke, dass es sehr, sehr erhellend gewesen ist - - (Abg. Brandstätter: Aber man kann gescheiter werden im Laufe der Debatte! Man kann gescheiter werden im Laufe der Debatte!) – Ich habe Ihnen sehr genau zugehört und habe nicht dazwischengerufen, Sie haben Ihren Auftritt hier gehabt (Abg. Brandstätter: Man kann gescheiter werden im Laufe der Debatte!), Sie können sich noch einmal zu Wort melden, aber ich sage Ihnen eines: Erhellend ist es im Zuge dieser Debatte auch, den Abgeordneten Engelberg und die Abgeordnete Blimlinger und die Abgeordnete Schatz dabei zu erleben, wie sie trotz der inneren Gefasstheit, die sie zum Ausdruck bringen, dann in dieser Sache irgendwie doch die demokratische Contenance verlieren, irgendwie ein wenig aus dem humanis­tischen Tritt geraten (Zwischenruf der Abg. Blimlinger – Abg. Kassegger: Lassen Sie ihn jetzt bitte reden!) – ja, das ist ja das Gleis, auf dem Sie nur sich und andere nicht verorten.

Das ist die Humanität, die Sie glauben, für sich gepachtet zu haben. Sie geraten dann aber sehr leicht außer Tritt, wenn jemand anderer eine andere Meinung hat! Ich glaube, es ist unangebracht, sich dann zu Drohungen zu versteigen. Herr Engelberg, Sie haben das gestern bereits im Couloir lautstark getan und gedroht, dass Furchtbares über uns hereinbrechen wird, wenn wir heute nicht zustimmen.

Das kann uns nicht beeindrucken. Ich sage Ihnen in aller Offenheit: Das waren Metho­den, mit denen man irgendwann einmal in dunklen Kapiteln dieser Geschichte versucht hat, Leute zu beeindrucken und davon zu überzeugen, dass ihre Meinung gar nichts wert ist. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Brandstätter, Koza und Stögmüller.) Ich sage Ihnen noch etwas: Auch Bezeichnungen wie „Niedertracht“ oder auch: Ausgestoßene der Gesellschaft, passen eigentlich nicht in eine solche Debatte und würden in anderen Diskussionen zu einem Ordnungsruf führen. (Abg. Stögmüller: Beschämend!)

Für mich ist das bisher einmal mehr ein Paradebeispiel dafür, wie diejenigen, die immer wieder glauben, dass sie die Obertoleranten sind, sehr, sehr schnell in die Intoleranz und in die Dogmatik abgleiten, wenn es nicht nach ihrer Meinung geht (Zwischenruf des Abg. Schallmeiner), und das ist einmal mehr ein Beispiel dafür, dass manche, die glauben, die Moralität für sich gepachtet haben, dann sehr, sehr gerne über die Selbst­anwendung stolpern.

Insofern ist es ein gutes Beispiel, weil es nämlich zeigt, wie man es nicht machen sollte. Ich habe überhaupt nicht vor, unsachlich zu argumentieren – nein, nein! –, ich möchte nur auf verschiedene Aspekte der Thematik eingehen, die in der bisherigen Debatte ein bisschen unterberücksichtigt gewesen sind.

Wissen Sie, Simon Wiesenthal ist mit Sicherheit kein Freund der Freiheitlichen Partei gewesen, kein Freund von Spitzenvertretern der Freiheitlichen Partei, man könnte sagen, er ist ein Gegner der Freiheitlichen Partei gewesen, und er hat maßgebliche frei­heitliche Politiker verachtet (Abg. Blimlinger: Gott sei Dank!) – zu Unrecht, wie wir Freiheitlichen damals, im Zuge der Debatte rund um Friedrich Peter in den Siebziger­jahren gesagt haben, und auch heute noch sehen wir das so: zu Unrecht.

Es war ja nicht nur Friedrich Peter, es war auch Jörg Haider, den er verachtet und verfolgt hat, und es war auch zum Beispiel ein Volksbegehren, das „Österreich zuerst“ geheißen hat, an dem er kein gutes Haar gelassen hat. Man darf all diese Dinge nicht unbe­rücksichtigt lassen (Zwischenrufe der Abgeordneten Maurer und Stögmüller), aber der entscheidende Punkt für uns in der Debatte aus den Siebzigerjahren ist derjenige, dass wir eine klare Position haben, die dahin gehend lautet, dass Schuld und Verantwortung immer individuell zu sehen sind und jede Form der Pauschalierung und der Kollektiv­schuld zurückzuweisen ist. Das war genau das, was bei Friedrich Peter nicht passiert ist, und deswegen sind wir bis heute der Meinung, dass er zu Unrecht verfolgt worden ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Interessante dabei ist, dass damals – es ist schon kurz angesprochen worden – ja die SPÖ die Partei gewesen ist, die die Freiheitlichen verteidigt hat. Es war kein Geringerer als der Säulenheilige der Sozialdemokratie. Er wird auch immer öfter zitiert: Immer wenn es Ihnen politisch schlecht geht, dann stellen sich Ihre Abgeordneten hierher und zitieren jenen Bruno Kreisky, von dem Sie jetzt nichts wissen wollen. Er war aber derjenige, der Friedrich Peter in dieser Diskussion verteidigt hat.

Ich denke, dass es ein starkes Stück ist, was Abgeordneter Engelberg hier heute auch in einer Aussendung gemacht hat, dass er sich nämlich dazu verstiegen hat, diesen großen österreichischen Staatsmann Bruno Kreisky de facto als einen Antisemiten zu verunglimpfen – nur deshalb, weil Sie kein Interesse daran haben, auch einen Frieden mit der Freiheitlichen Partei zu machen. Das sage ich Ihnen auch einmal ganz deutlich.

Jetzt frage ich Sie etwas, und ich frage diejenigen, die heute hier Kritiker des Abstim­mungsverhaltens der Freiheitlichen Partei sind, weil wir nicht den Inhalt dieses Preises ablehnen, das wissen Sie ganz genau, sondern weil wir den Namen ablehnen – weil wir den Namen ablehnen. (Abg. Stögmüller: Das ist nur eine Ausrede!) Jetzt frage ich Sie etwas: Was hätte eigentlich - - (Abg. Stögmüller: Das ist nur eine Ausrede!) – Hören Sie zu und geben Sie sich die Antwort selbst! Was hätte denn eigentlich dieser Simon Wiesenthal selber gewollt? Was hätte eigentlich dieser Simon Wiesenthal selber gewollt? Hätte dieser Simon Wiesenthal wirklich gewollt, dass ein Preis, der seinen Namen trägt, dass dieser nach ihm benannte Preis von der FPÖ, deren Obmann er damals zu Unrecht verfolgt hat und an der er auch sonst kein gutes Haar gelassen hat, unterstützt wird? Hätte das Simon Wiesenthal, von dem Sie alle reden, tatsächlich gewollt? Hätte er das gewollt oder hätte er sich nicht eher dagegen verwehrt? – Jetzt sage ich Ihnen eines: Wenn wir ganz ehrlich sind, dann trifft Letzteres zu, und Sie wissen das ganz genau. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Stögmüller: Ausrede!)

Deshalb sage ich Ihnen, dass Ihre Forderung nach einer Zustimmung der Freiheitlichen Partei ja schon fast so etwas Ähnliches wie eine Missachtung dieses Aspektes des Erbes von Simon Wiesenthal ist. Wenn Sie unsere Zustimmung tatsächlich haben wollen, wenn Sie sie aus ehrlichem Herzen haben wollen, dann müssen Sie aber in Kauf nehmen, dass sich noch ein Redner von Ihnen hierherstellt und die Angriffe, die Simon Wiesenthal gegen die Freiheitliche Partei gerichtet hat, von denen wir sagen, dass sie zu Unrecht erfolgt sind, auch als dieses Unrecht darstellt. Das wäre die logische Konsequenz, nur ist sie nicht zu erwarten. Das Einzige, was ich von Ihnen einmahne, ist Ehrlichkeit statt einer geheuchelten Debatte. (Beifall bei der FPÖ.)

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Sie wissen ganz genau, dass wir niemals die Intention dieses Preises abgelehnt haben, sondern dass wir den Namen infrage stellen, und das wird noch erlaubt sein. (Zwischenruf der Abg. Blimlinger.) Aus den Protokollen der Präsidialkonferenz, Frau Blimlinger, bei der Sie nie dabei waren – da brauchen Sie noch ein bisschen, bis Sie dorthin kommen (Abg. Stögmüller: Seien Sie doch wenigstens ehrlich!) –, geht eindeutig hervor, dass es so gewesen ist. Das können dort alle nach­lesen. Ich weiß nicht, vielleicht haben es ja die Teilnehmer der Präsidialkonferenz dem Abgeordneten Engelberg nicht erzählt, dass es so gewesen ist, oder sie wissen es und verschweigen es, aber ich halte das für einen wesentlichen Aspekt der Debatte.

Unsere Position ist jedenfalls die, dass das ein Preis des österreichischen Parlaments und kein Privatpreis des Wolfgang Sobotka ist – das muss man auch einmal dazusagen. Das lässt sich nämlich auch in der Genesis der Entwicklung dieses Preises nachlesen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das hat ja ganz anders begonnen, ich will es Ihnen kurz referieren. Sobotka hat in einer öffentlichen Erklärung das Parlament de facto überrumpelt und gesagt: Ich mache jetzt einen Simon-Wiesenthal-Preis. (Abg. Brandstätter: Das ist ein Blödsinn!) Mit nieman­dem von uns hat er darüber gesprochen, weder über den Preis noch über den Namen. (Abg. Lausch: Kollege Brandstätter war auch nicht in der Präsidiale!) Er hat versucht, uns alle zu überrumpeln. Das hat auch bei der SPÖ zu Widerstand geführt. Dann hat er die entsprechenden gesetzlichen Regelungen nachgereicht.

Herr Kollege Sobotka, die haben dann so ausgesehen, dass Sie allein die Jury bestim­men und damit allein bestimmen, wer der Preisträger ist. Da haben wir dann auch Widerstand geleistet, Hand in Hand mit der SPÖ gegen diese ÖVP-Ambitionen, einfach deshalb, weil es ein Preis des Nationalrates sein soll und kein Preis des Wolfgang Sobotka. Das ist keine Gebietskörperschaft Sobotanien hier, Herr Parlamentspräsident, das muss ich Ihnen auch einmal sagen! (Beifall bei der FPÖ.)

Weil es ein Preis des Parlaments ist, ist es natürlich ein nahe liegender Zugang, dass man ihn auch nach jemandem benennt, der einen unmittelbaren Bezug zum Parlament hat, und das ist bei Bruno Kreisky gegeben und bei Simon Wiesenthal nicht. Jetzt weiß ich nicht, warum man darüber nicht diskutieren darf, aber ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag (Zwischenruf bei der ÖVP), ich mache Ihnen noch einen anderen Vorschlag: Die Österreichische Volkspartei und die Sozialdemokratie haben ja eine lange Ge­schichte mit Abgeordneten aus der Ersten Republik, aus der Zweiten Republik. Na, da wird sich doch wohl irgendjemand aus Ihren Reihen finden, der ebenso einen beherzten Kampf gegen den Antisemitismus geführt hat oder der vielleicht selbst ein Verfolgter gewesen ist, der aber Parlamentarier in diesem Haus gewesen ist. Ich mache Ihnen den Vorschlag: Benennen wir den Preis doch nach einer solchen Persönlichkeit! Sie haben noch ein bisschen Zeit, so jemanden zu benennen, und dann ist die ganze Sache auch erledigt, überhaupt gar kein Problem, und wir werden sehen, ob es Ihnen um die Sache geht. (Abg. Wöginger: Das wird enderledigt in der Sache!) Ich glaube es nicht, aber es ist ein Vorschlag zur Güte.

Noch etwas zum Inhalt dieses Preises. Ja, ich denke, dass es nie genug sein kann, wenn es um Fragen der Gedenkkultur in Zusammenhang mit dem Holocaust in Österreich geht – selbstverständlich! Ich habe aber auch den Eindruck, dass sehr, sehr viel in Zusammenhang mit Kampf und Aktivitäten gegen den Antisemitismus getan wird, in Sachen Bewusstseinsbildung in den Schulen und quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Sie haben aber wohl recht: Es kann nie genug sein.

Jetzt müssen wir nur auf eines aufpassen, und das haben Sie in Ihren ganzen Debatten­beiträgen bisher vergessen: Das Problem verorte ich weniger bei den österreichischen Staatsbürgern und bei den Inländern. Jetzt sind wir bei einem großen Tabu, das Sie nicht angesprochen haben: Was ist eigentlich mit dem Antisemitismus, den wir massenweise in dieses Land importieren? Was ist mit diesem Antisemitismus? Kommt der in Ihren Überlegungen auch vor, oder ist das ein unerwünschter Nebenaspekt, den es zu tabuisieren gilt? (Beifall bei der FPÖ.)

Die Gefahr des importierten Antisemitismus durch islamistische Kräfte ist die größte Gefahr für die jüdischen Gemeinden, nicht nur in Österreich und in Europa. (Zwischen­rufe bei SPÖ und Grünen.) Das kann ich Ihnen deshalb sagen, weil ich als Innenminister dieser Republik – Sie werden es nicht glauben –, als freiheitlicher Innenminister dieser Republik es im Zuge unseres Ratsvorsitzes zustande gebracht habe, eine entsprechen­de Beschlussfassung über den Schutz der jüdischen Gemeinden nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa zu realisieren. Das ist eine freiheitliche Errungenschaft und dafür, Herr Engelberg, und dafür, Herr Muzicant – falls er zuhört –, lasse ich mich von Ihnen nicht als Kellernazi bezeichnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Falls Sie es mir vielleicht nicht glauben, nur ein Zitat: Der Präsident des European Jewish Congress, Moshe Kantor, „und Vizepräsident Muzicant dankten auch für die Aktivitäten im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Das Innenministerium widmet sich dabei vor allem zwei Themenbereichen. Zum einen geht es um den bestmöglichen Schutz jüdischer Gemeinden und Einrichtungen in der EU insgesamt, zum anderen um eine proaktive gesamtheitliche Sicherheitspolitik, damit auch jüdische Bürgerinnen und Bürger ihre Freiheit in Sicherheit leben können.“ – Zitatende.

Ein zweites Zitat vom Club der Freunde Israels – Absender ist ein gewisser Daniel Kapp, der Ihnen nicht unbekannt ist –: „Bundeskanzler Sebastian Kurz hat den Kampf gegen Antisemitismus und Anti-Zionismus zu einer Priorität seines Ratsvorsitzes gemacht. Es ist seinem persönlichen Einsatz‘“ – und jetzt hören Sie zu! – „sowie der starken Unter­stützung auch von Innenminister Herbert Kickl zu verdanken, dass es nun binnen weniger Monate und noch unter österreichischem Vorsitz zu einer entsprechenden Einigung aller europäischen Länder gekommen ist.“ – Zitatende. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Scherak: Kapp als Kronzeuge ist schon hart!)

Ich weiß nicht, ob man Ihnen das in Ihrer Vorbereitung vorenthalten hat, Herr Engelberg.

Damit bleibt mir abschließend eines zu sagen: Ich bin gespannt, wie der Preis, der ja jetzt beschlossen werden wird, dann in Zukunft vergeben werden wird, was dann die Aspekte der Anwendung sind und ob dann der Kampf gegen den politischen Islam, der aus unserer Sicht und nicht nur aus unserer Sicht die Hauptgefahr ist – das haben mir auch alle anderen Innenminister, mit denen ich zusammengesessen bin, und Vertreter der jüdischen Gemeinden außerhalb Österreichs, die mit mir gesprochen haben, ge­nauso bestätigt, weil die Menschen aus deren Ländern emigrieren, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen –, dann bei der Verleihung des Preises auch eine entsprechende Rolle spielen wird. Das ist nämlich die große Herausforderung! (Präsident Hofer über­nimmt den Vorsitz.)

Dann möchte ich am Ende nur einen Vergleich anstellen, der alles sicher macht: Schau­en Sie sich an, welche der Fraktionen hier in diesem Hohen Haus den Kampf gegen diese Form des Antisemitismus, der die größte Bedrohung ist, am entschlossensten führt! (Zwischenruf des Abg. Stögmüller.) Da werden Sie sehen, dass die Freiheitliche Partei die Speerspitze ist, während sich andere feig oder vornehm verschweigen und andere sich in ihrer Naivität gerne übertölpeln lassen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.59

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Präsident Mag. Wolfgang Sobotka. – Bitte, Herr Präsident.