19.17

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Umwelt­ministerin! Frau Wirtschaftsminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen! Liebe Zuseher! Ich kann ja meinem Kollegen, meinem Vorredner Abgeordnetem Haubner bei einer Sache zustimmen, nämlich dass man sehr vorsichtig sein muss.

Zum Thema Investitionskontrolle gibt es aus meiner Sicht zwei Sprichwörter, die wir alle kennen. Das eine ist: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Das trifft es natürlich bei diesem Thema, weil auch wir nicht wollen, dass es gerade in der Krise zu einem Ausverkauf von systemrelevanten und kritischen Technologien kommt. Das ist natürlich wichtig. Es gibt aber auch noch dieses zweite Sprichwort, das heißt: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben.

Der vorliegende Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, ist einfach nur von massiver Furcht geprägt. Er ist überbordend, und wir NEOS können da auf keinen Fall mitgehen. Er geht viel zu weit und ist, wie gesagt, überbordend, bürokratisch und legistisch nicht gut gemacht. Lassen Sie mich ausführen, warum!

In der EU-Verordnung steht ganz genau, dass es um den Schutz vor einer kontrol­lie­renden Einflussnahme geht. Jeder, der sich bei Eigentümerverhältnissen auskennt – und das sind ja ganz, ganz viele –, weiß, dass dies bei 25 Prozent plus beginnt, und dann gibt es die sogenannte alte Sperrminorität, die wir alle kennen. Sie aber fangen bei 10 Prozent an, und das finden wir überbordend.

Frau Wirtschaftsminister, Sie schreiben dann hinein, dass ein sogenannter „beherr­schender Einfluss“ auf ein österreichisches Zielunternehmen die Genehmigungspflicht auslösen kann. – Das klingt super, es hört sich irgendwie ein bisschen patriotisch an, finde ich, doch was es bedeutet, ist die große Krux dahinter, mit der Sie nicht nur uns Abgeordnete, sondern auch viele Juristen und Branchenexpertinnen- und experten echt ratlos zurücklassen. Sie alle stehen nun da und fragen, was das jetzt eigentlich heißt, was sie damit eigentlich machen sollen. Das schafft de facto Rechtsunsicherheiten für Investoren, und laut Gesetzentwurf sind damit bereits auch die Kleinunternehmen, die gerade einmal zehn Mitarbeiter und 2 Millionen Euro Jahresumsatz haben, erfasst. Das ist schlichtweg massiv übertrieben. Sie wissen ja genauso gut wie ich – und wir haben das im Wirtschaftsministerium besprochen –, dass es darum geht, dass es kein Risiko­kapital in Österreich gibt.

So wird es für diese kleinen Unternehmen noch einmal viel schwieriger und viel büro­kratischer, dass sie einfach zu frischem Geld kommen. Wir bewegen uns in einem Umfeld, wo bereits 76 Prozent, meine Damen und Herren – und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: 76 Prozent! –, des gesamten Risikokapitals vom Staat kommen. 76 Prozent! Ich muss es einfach noch einmal sagen, weil ich es so unfassbar finde. 76 Prozent kommen vom Staat, und im europäischen Durchschnitt sind es 5 Prozent. Mit dieser Regelung machen Sie es für diese jungen Unternehmen noch einmal viel schwieriger, Kapital zu schaffen und anzuschaffen.

Das Eigenkapital ist – und das wissen Sie genauso gut wie ich – der Treibstoff einer vitalen Wirtschaft, und zwar auch das Eigenkapital aus nicht europäischen Ländern, aus Drittländern; und wenn es da zu Rechtsunsicherheit, zu Bürokratismus und zu Willkür kommt, dann wird sich das Geld einfach andere Wege suchen. Da wird es dann andere Investitionen geben, aber sicher nicht mehr solche in Österreich.

Wenn Sie jetzt glauben, dass wir die Einzigen sind, die kritisieren, dass das so über­bordend ist, dann kann ich Ihnen sagen, das stimmt nicht. Sogar die Wirtschaftskammer hat dem zugestimmt, dass dieses Gesetz überschießend ist.

Weil wir beim Thema frisches Geld für Unternehmen und bei der Wirtschaftskammer sind, lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Wir fordern ja schon seit Langem, dass auch die Wirtschaftskammer Verantwortung übernimmt, Verantwortung für die österreichischen Unternehmerinnen und Unternehmer vor allem jetzt in der Krisenzeit; und wir fordern, dass sie endlich zumindest einen Teil ihrer horrenden Rücklagen von 1,7 Milliarden Euro auflöst. Wir haben seit Kurzem – und das ist sehr schön – in der Grünen Wirtschaft einen Mitstreiter gewonnen, und zwar in Ober­öster­reich. Da haben wir NEOS nämlich gemeinsam mit der Grünen Wirtschaft und anderen im Wirtschaftsparlament Vertretenen einen gemeinsamen Antrag eingebracht, der lautet: „Die Delegierten des Wirtschaftsparlaments der Landeskammer Oberösterreich mögen beschließen, ein Hilfspaket in Höhe von 50 Mio. Euro für alle betroffenen oö. Mitgliedsbetriebe zu schnüren. Die Dotierung soll aus der Auflösung von Rücklagen, der Reduktion von Grund- und Kammerumlagen sowie der Senkung der Hebesätze erfol­gen.“

Wenn man sich das anschaut: Die WKO Oberösterreich hat Rücklagen in der Höhe von 100 Millionen Euro. Umgelegt auf die gesamte Wirtschaftskammer mit 1,7 Milliarden Euro würde das ein Hilfspaket für österreichische UnternehmerInnen und Unternehmen von 850 Millionen Euro bedeuten.

Ich stelle deswegen heute noch folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Auflösung der WK-Rücklagen gemäß den Vorschlägen der ‚Grünen Wirtschaft‘“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaft wird aufgefordert, die Rück­lagenauflösung der Wirtschaftskammern zu Gunsten der Pflichtmitglieder gemäß den Forderungen der ‚Grünen Wirtschaft‘ voranzutreiben und nötigenfalls eine entsprechende Regierungsvorlage vorzulegen.“

*****

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie wirklich dringend auf, dass Sie dem auch nachkommen. Es versteht nämlich wirklich keiner mehr, es verstehen die Unterneh­me­rinnen und Unternehmer nicht mehr, warum sich die Wirtschaftskammer da so aus der Verantwortung zieht, ihrer Verantwortung nicht nachkommt und Geld zur Verfügung stellt – Geld, das ja von den Mitgliedern eingezahlt wurde. Offenbar ist es aber halt im Augenblick gemütlicher, sich ausschließlich auf die Unterstützung durch den Steuer­zahler zu verlassen. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Auflösung der WK-Rücklagen gemäß den Vorschlägen der "Grünen Wirt­schaft"

eingebracht im Zuge der Debatte in der 45. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (240 d.B.): Bundesgesetz, mit dem ein Investitionskontrollgesetz erlassen und das Außen­wirtschaftsgesetz 2011 geändert wird (267 d.B.) - TOP 22

Mit großer Freude hat NEOS vernommen, dass wir bei der Forderung nach der Auf-lösung der Wirtschaftskammerrücklagen mit der "Grünen Wirtschaft" einen Verbündeten gefunden haben. Zuletzt forderte die Vorsitzende der "Grünen Wirtschaft" aufgrund der Corona-Wirtschaftskrise die Auflösung der WK-Rücklagen ("NEOS und Grüne Wirtschaft fordern, dass die Wirtschaftskammer ihre Rücklagen auflöst" (1)), die mittlerweile insge­samt 1,7 Mrd. Euro betragen. Relativ konkret wurde auch die "Grüne Wirtschaft OÖ", die gemeinsam mit den Minderheitsfraktionen (u. a. UNOS) folgende Forderungen gestellt hat und die entsprechenden Anträge im Wirtschaftsparlament der WKOÖ eingebracht hat (2):

"Die Delegierten des Wirtschaftsparlaments der Landeskammer Oberösterreich mögen beschließen,

•           ein Hilfspaket in Höhe von € 50 Mio. für alle betroffenen oö. Mitgliedsbetriebe zu schnüren. Die Dotierung soll aus der Auflösung von Rücklagen, der Reduktion von Grund- und Kammerumlagen sowie der Senkung der Hebesätze erfolgen.

•           das Präsidium und die Direktion der WKOÖ unmittelbar mit der Ausarbeitung von Maßnahmen und der Umsetzung von WKO eigenen Hilfspaketen zu betrauen. Die Abwicklung der Hilfsmaßnahmen hat unbürokratisch, treffsicher und rasch zu erfolgen."

50 Mio. Euro entsprechen fast der Hälfte der Rücklagen der WKOÖ, die derzeit knapp 100 Mio. Euro Rücklagen bunkert (3). Umgelegt auf sämtliche Wirtschafts-kammern, würde das einem Entlastungsvolumen von 850 Mio. Euro (50% von 1,7 Mrd. Euro) ent­sprechen. Die Entlastung der Pflichtmitglieder muss definitiv am Ab-bau der Rücklagen gemessen werden, denn das was der Wirtschaftsbund OÖ im Wirtschaftsparlament OÖ an Schein-Entlastung beschlossen hat, ist laut "Grüne Wirtschaft OÖ" eine "Mogel­packung" (4).

Quellen:

(1) https://www.finanzen.at/nachrichten/aktien/aufregung-bei-neos-und-gruener-wirtschaft-um-fixkostenzuschuss-1029353179

(2) https://www.gruenewirtschaft.at/2020/05/20/wko-ruecklagen-und-freie-budgetmittel-zur-krisenbewaeltigung-fuer-mitgliedsbetriebe-verwenden/

(3) https://www.gruenewirtschaft.at/2020/06/09/kammer-opposition-fordert-50-mio-euro-covid19-hilfspakt/

(4) https://www.gruenewirtschaft.at/2020/06/10/wirtschaftskammer-beschliesst-heute-50-mio-euro-mogelpaket-des-wirtschaftsbundes/

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaft wird aufgefordert, die Rück­lagenauflösung der Wirtschaftskammern zu Gunsten der Pflichtmitglieder gemäß den Forderungen der "Grünen Wirtschaft" voranzutreiben und nötigenfalls eine ent­sprechen­de Regierungsvorlage vorzulegen."

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungs­gemäß eingebracht und er steht auch in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Dr. Christoph Matznetter. – Bitte, Herr Abgeordneter.