21.24

Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Mag. Alexander Schallenberg, LL.M.: Grüß Gott, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie, kurz zu den Tagesordnungspunkten, zu den heute angesprochenen Punkten Stellung zu neh­men.

Wir alle wissen, dass wir in Wirklichkeit vor einer einzigartigen Situation stehen. Zum ersten Mal sind alle Staaten auf diesem Planeten mit der gleichen Herausforderung kon­frontiert, nämlich dem Umgang mit Covid-19, mit dem Virus. Gleichzeitig müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Außenpolitik nicht stehen bleibt. Wir haben sogar im Gegen­teil einen, ich würde sagen, außenpolitisch heißen Herbst vor uns. Einige Themen sind hier angesprochen worden: Hongkong, China, Spannungen zwischen den USA und China, die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten, der Nahe Osten – Thema Annexion –, Brexit im europäischen Kontext, Türkei, und das alles noch dazu angesichts einer drohenden Wirtschaftskrise, die auf uns zukommt.

Ich glaube, es ist daher sehr wichtig, dass wir auch in dieser Debatte hier im Hohen Haus klarstellen: Es gibt gewisse Punkte, bei denen wir Kontinuität wahren, es gibt gewisse Themen, bei denen wir einfach engagiert bleiben. Mich freuen gerade diese heutigen Tagesordnungspunkte, denn es sind an sich Punkte, die von Menschenrechten sprechen. Sie sprechen für das Engagement für den Amtssitz, sie sprechen für das Engagement für Klima und erneuerbare Energien – wesentliche Themen – und natürlich, ganz we­sentlich, für – ein Schlagwort, das manche außerhalb dieser Mauern vielleicht gar nicht so sehr verstehen – den Multilateralismus, sprich das Engagement für die Zusammen­arbeit im internationalen Rahmen, in internationalen Organisationen.

Es freut mich daher ganz besonders, dass wir natürlich mit dem Grazer Zentrum für Menschenrechte eigentlich ein Unikum schaffen. Es ist das einzige von weltweit zwei Zentren dieser Art, die geschaffen werden. Es freut mich auch – das sage ich gleich dazu –, dass es einmal nicht in Wien ist. Es muss nicht immer alles, was Amtssitz und internationalen Standort betrifft, in Wien sein, es ist sehr schön, dass es einmal in Graz ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Nur kurz ein Kommentar dazu, dass gesagt wurde, das Menschenrechtszentrum wird nicht Österreich prüfen, sondern ist ein Zentrum, das sich für Recht auf Bildung für Romakinder in Südosteuropa engagiert, für Menschenrechtstraining für den urbanen Bereich in Afrika und für Inclusive Cities in the Arab World. Das sind, glaube ich, durchaus Themen, die es verdienen, dass man sie weiterhin verfolgt, und ich glaube, das ist auch eine schöne Anerkennung für uns als Standort, als internationalen Standort, und ich sage bewusst nicht: Wien, sondern: Österreich.

Das zweite Thema wurde ja schon breit erörtert: unsere Ratifikation und unser Beitritt zur Internationalen Organisation für erneuerbare Energien, Irena. Klimawandel und erneuerbare Energien sind Themen, die jetzt vielleicht ein bisschen in den Hintergrund gerückt sind, die aber weiterhin auf der Tagesordnung stehen müssen und stehen – das ist auch wichtig. Ich sehe auch da eigentlich einen klaren Konnex zu uns als Amtssitz, denn zur Organisation Irena gab es schon in den vergangenen Jahren sehr starke Verbindungslinien. Ich denke nur an Sustainable Energy for All, ansässig in Wien, Unido, ansässig in Wien, oder Ofid – das ist der Opec Fund –, auch ansässig in Wien. Der Beitritt zu Irena ist durchaus eine Ergänzung zum Energiehub, den wir hier in Wien über die Jahre aufgebaut haben.

Die Frage, die ein Abgeordneter gestellt hat: Warum erst jetzt?, ist durchaus berechtigt. Ich könnte einmal salopp formulieren: Wir haben uns ursprünglich für den Sitz von Irena beworben, sind es dann aber nicht geworden. Da war so ein leichtes Gefühl der Ent­täuschung, und dann wurde etwas zum Thema, das ich einmal ganz salopp als eine typische Kompetenzfrage bezeichnen würde, die Finanzierung des Zentrums betreffend. Das ist jetzt aber geregelt, und jetzt steht einem Beitritt nichts mehr im Wege. Ich sage aber ganz offen: Die Zusammenarbeit war schon in der Vergangenheit sehr stark.

Erlauben Sie mir zum Schluss, kurz auf zwei konkrete Punkte einzugehen, die tages­aktuell sind beziehungsweise als solche angesprochen wurden.

Der eine Punkt betrifft Venezuela. Um es ganz klar zu machen: Ja, wir haben einen eigenen Standpunkt. Ich muss sogar sagen, der österreichische Bundeskanzler war unter den ersten Stimmen in Europa, die eine ganz klare Linie und Kante zu Maduro gezeigt haben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Reimon.) Letzte Woche habe ich selber mit dem Oppositionsaußenminister Julio Borges telefoniert.

Der Punkt ist einfach, wir sind effizienter, wenn wir im EU-Konzert, im EU-Rahmen vor­gehen, und ich weiß mich da total eines Sinnes mit dem Hohen Vertreter der Union Josep Borrell. Die EU hat gerade wieder elf Personen unter Sanktionen gestellt, ihre Konten eingefroren, ihnen einen visa ban auferlegt, und wir sind auch offen, weitere Schritte zu setzen. Das heißt, es gibt keinen Zweifel an unserer Haltung und es gibt von meiner Warte aus auch keinen Zweifel daran, dass wir viel effizienter unterwegs sind, wenn wir die gesamte EU, die einfach sozusagen ein Machtfaktor auf diesem Globus ist, bewegen und das nicht nur bilateral vorbringen.

Der Austritt der Vereinigten Staaten aus der WHO wurde angesprochen. Ganz klar, von unserer Warte aus: Wir bedauern diesen Schritt, das ist nicht ein Schritt, den wir gesetzt hätten. Ja, es gibt mit UNO-Organisationen oder überhaupt mit internationalen Organi­sationen immer wieder Situationen, in denen man nicht zufrieden ist, in denen die Dinge nicht so laufen, wie man will, in denen es mühsam ist und man vielleicht das Gefühl hat, man kann mit seiner Position nicht durchdringen. Wir Österreicher hätten da instinktiv einen ganz anderen Zugang, und als Außenminister kann ich hier nur sagen: Wir bleiben in der UNO, und zwar in jeder Teilorganisation, voll engagiert, und das wird auch so bleiben. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

Jetzt muss ich natürlich sagen, es ist, glaube ich, auch allen klar, dass nicht alles, was im November, Dezember, Januar in der WHO gelaufen ist, ideal war, aber ich glaube, dazu braucht es noch Untersuchungen. Es gibt jetzt schon genug kritische Stimmen, und ich vertraue schon darauf, dass es auch innerhalb der UNO-Familie ein steigendes Be­wusstsein gibt, dass vielleicht nicht alle Informationen so gelaufen sind oder weiter­gegeben und publik gemacht wurden, wie man es hätte tun sollen.

Ich glaube allerdings, dass wir uns gerade als Westen, gerade als mittelgroßer west­europäischer Staat überlegen müssen: Es gibt in der Politik kein Vakuum. Wenn die Vereinigten Staaten sich zurückziehen, werden andere dieses Vakuum füllen. Die Be­fürchtung ist natürlich, dass es in diesem Fall China sein wird – China hat schon seine finanziellen Beiträge erhöht –, und ich sage ganz offen, das kann langfristig nicht in unserem Interesse sein. Das heißt, unser Ansinnen muss sein, für die Vereinigten Staaten sozusagen Incentives, Anreize zu kreieren, um sie dazu zu bringen, international multilateral engagiert zu bleiben. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und NEOS.)

21.31

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Berlakovich ist zu Wort gemel­det. – Bitte.