21.45

Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen und Kolleginnen! Spät, aber doch blicken wir auch bei dieser Sitzung über den geografischen Tellerrand. Es geht bei einem der hier zusammengefasst debattierten Tagesordnungspunkte um den Sonderbeauftragten für Religions- und Weltanschau­ungsfreiheit.

Die deutsche Gesellschaft für bedrohte Völker hat die EU-Kommission aufgefordert, die bereits kommunizierte Einstellung zurückzunehmen, es gab dazu auch einen Antrag der Regierungsparteien. Wie ich denke, war das der richtige Schritt, da es heute geheißen hat, das Amt des Sonderbeauftragten wird nun doch fortgeführt.

Ich möchte wie Kollege Lopatka auch ganz kurz auf Venezuela eingehen, weil wir tatsächlich hinschauen sollten, was dort passiert. Es sind nicht nur die vier Millionen Menschen, die – wie UNHCR sagt – bereits jetzt geflüchtet sind, auf der Flucht sind, es sollen in den nächsten Monaten – das muss man sich einmal vorstellen! – 6,5 Millionen werden. Das heißt, es ist rasant, was dort an Vertreibung stattfindet. Das liegt natürlich auch nicht nur an diesem andauernden politischen Chaos im Land, sondern daran, dass mittlerweile das Essen, das Wasser rationiert wird und die Menschen dort schlicht nichts zu essen haben. Das heißt, da haben wir einen ganz klaren Auftrag an die Staaten­gemeinschaft, nicht wegzusehen, an die Europäische Union, sich des Problems anzu­nehmen, aber natürlich kann auch Österreich als in der Geschichte bekanntlich neutraler Vermittler in dieser internationalen Krise Vorreiter in einer aktiven Friedens- und Vermitt­lungspolitik werden.

Zuletzt möchte ich auch noch kurz auf den Antrag zu den sogenannten LGBT-freien Zonen in Polen eingehen. Da gibt es jetzt einen Antrag der Regierungsparteien und, ja, es mag für die Opposition zu wenig sein. Ich denke, da steht genau das drinnen, was wichtig ist, nämlich eine klare, konkrete, präzise Verurteilung dessen, dass es im Süden von Polen mittlerweile sehr viele Gemeinden gibt, die einfach sagen, wir sind LGBT-frei, das heißt, sie schließen eine gewisse Menschengruppe allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität aus. Es gibt dort Menschen – Lesben, Schwule –, die sich nicht mehr auf die Straße trauen, weil sie sagen, wenn ich erkannt werde, weiß ich nicht, wo ich Schutz finde. All das passiert in Europa.

Ich denke, da braucht es eine klare Haltung, und die gibt es auch mit diesem Antrag von ÖVP und Grünen. Danke trotzdem, Yannick, für deine Anregung, und sei nicht böse, wenn deine Anträge ein Anlass sind, sie weiterzuentwickeln, weiterzuverhandeln! (Abg. Shetty: Ich bin nicht böse!) Ich sage immer wieder dazu: Wir nehmen die Anträge der Opposition ernst, und deshalb freue ich mich sehr, dass es diesen hier gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Zuge der Debatte möchte ich zu TOP 30 einen Entschließungsantrag einbringen, und zwar zur menschenrechtlichen Situation in Hongkong. Sie werden es gehört haben, dort gibt es schon sehr lange nicht nur Demonstrationen, sondern auch sehr brutale Gewalt den Demonstranten und Demonstrantinnen gegenüber. Wir haben hier jetzt einen Antrag von ÖVP, Grünen, FPÖ und auch den NEOS, und ich hoffe, dass bei der Ab­stimmung dann auch die SPÖ mit dabei ist. Ich bringe somit folgenden Entschließungs­antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Helmut Brandstätter, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „die politische und menschenrechtliche Situation in Hongkong“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht,

- den einseitigen Erlass des Sicherheitsgesetzes als Verstoß gegen Hongkongs Autonomie und Verletzung von Grund- und Freiheitsrechten zu verurteilen;

- sich dafür einzusetzen, dass die EU mit geeinter Stimme die Regierung in Peking eindringlich dazu auffordert, die chinesisch-britische Gemeinsame Erklärung zu Hong­kong [...] von 1990 und den Grundsatz ‚Ein Land, zwei Systeme‘ vollumfänglich zu achten;

- sich auf bi- und multilateraler Ebene dafür einzusetzen, dass im September 2020 freie und faire Wahlen des Legislativrats in Hongkong ohne Einmischung der Volksrepublik China sichergestellt werden können;

- sich auf bilateraler und EU-Ebene aktiv für den Schutz der Hongkonger Demokratie­aktivistinnen und -Aktivisten einzusetzen

- sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-China Beziehungen verstärkt an den gemeinsamen EU-Werten und demokratischen Grundfreiheiten ausgerichtet wer­den;

- sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass bei den anstehenden EU-China-Treffen das Sicherheitsgesetz als auch die Situation der Uiguren thematisiert werden;

- die Bemühungen der EU, den Schutz und die Förderung von Menschenrechten im auswärtigen Handeln der Union zu stärken, aktiv zu unterstützen.“

*****

Das ist ein klarer Auftrag, ein großer Auftrag an Sie, ich denke aber, es ist ein sehr, sehr wichtiger. Ich habe vorhin die Rolle Österreichs als neutraler Vermittler gerade in Frie­densprozessen betont, und ich denke, angesichts der dortigen Situation zu schweigen wäre der falsche Weg. Stellung zu beziehen ist der richtige. – Vielen Dank. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

21.50

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Michel Reimon, Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Gudrun Kugler, Dr. Helmut Brandstätter, MMMag. Axel Kassegger

Kolleginnen und Kollegen 

betreffend die politische und menschenrechtliche Situation in Hongkong

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 30 Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Antrag 529/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die aktuelle politische und menschen­recht­liche Situation in Venezuela (303 d.B.)

Begründung

Ungeachtet internationaler Kritik erließ der chinesische Volkskongress am 28.Mai 2020 nach strenger Geheimhaltung das sogenannte „Sicherheitsgesetz“ für die Sonderver­wal­tungszone in Hongkong, das am 1.Juli in Kraft trat. Damit ermächtigte sich die Pekinger Zentralregierung in Umgehung des Hongkonger Parlaments gegen Aktivitäten in Hongkong vorzugehen, die sie als subversiv, separatistisch, terroristisch oder als Konspiration mit ausländischen Akteuren ansieht. In den folgenden Tagen kam es bereits zu ersten Verhaftungen. Lehrmaterialen, die gegen das neue Gesetz verstoßen, sollen Medienberichten zu folge bereits entfernt worden sein; ebenso wurden in mehreren Bibliotheken Bücher aussortiert.

Das neue Sicherheitsgesetz greift massiv in Hongkongs Autonomierechte, die in der chinesisch-britischen Gemeinsamen Erklärung von 1984 und dem Basic Law of the Hong Kong Special Administrative Region (HKSAR) von 1990 vorgesehen sind, ein. In der Gemeinsamen Erklärung verpflichtete sich die chinesische Regierung, mit der Über­nahme Hongkongs im Juli 1997, die ehemalige Kronkolonie entsprechend dem Grund­satz „Ein Land, zwei Systeme“ fünfzig Jahre nach der Übergabe als Sonderver­wal­tungszone zu behandeln.  Der Autonomiestatus umfasst unter anderem das Recht auf demokratische und wirtschaftliche Selbstverwaltung sowie die Achtung der Menschen­rechte, darunter die Unabhängigkeit der Justiz, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. In diesem Sinne ist Hongkong auch Vertragspartei des Internationalen Pakts für bürger­liche und politische Rechte (ICCPR).

Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte, sowie die damit ver­bundene bzw. daraus resultierende Rechtssicherheit, bilden auch die Grundlage für Hongkong als internationaler Finanz-und Wirtschaftsstandort.

Seit längerem wird deutlich, dass die chinesische Zentralregierung zunehmend den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ auszuhöhlen versucht. Bereits seit Monaten demonstrieren Hunderttausende in der ehemaligen britischen Kronkolonie gegen die zunehmende Einflussnahme der Volksrepublik. Sie fordern unter anderem freie Wahlen und demonstrieren gegen Polizeibrutalität. Die während der Corona-Pandemie abge­flachten Proteste gewinnen momentan wieder an Momentum, wobei die chinesischen Repressionen ebenfalls zunehmen.

So sollen auf Grundlage des neuen Sicherheitsgesetzes Auslieferungen von Ver­däch­tigen nach Festlandchina und lebenslange Haft als Höchststrafe möglich sein. Die Auf­lösung der prodemokratischen Partei Demosisto als eine der ersten Reaktionen auf das Sicherheitsgesetz verdeutlicht die Angst der Anhängerinnen und Anhänger der Demo­kratie­bewegung vor Strafverfolgung.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird ersucht,

-           den einseitigen Erlass des Sicherheitsgesetzes als Verstoß gegen Hongkongs Autonomie und Verletzung von Grund- und Freiheitsrechten zu verurteilen;

-           sich dafür einzusetzen, dass die EU mit geeinter Stimme die Regierung in Peking eindringlich dazu auffordert, die chinesisch-britische Gemeinsame Erklärung zu Hongkong, das Basic Law of the Hong Kong Special Administrative Region (HKSAR) von 1990 und den Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ vollumfänglich zu achten;

-           sich auf bi- und multilateraler Ebene dafür einzusetzen, dass im September 2020 freie und faire Wahlen des Legislativrats in Hongkong ohne Einmischung der Volksrepublik China sichergestellt werden können;

-           sich auf bilateraler und EU-Ebene aktiv für den Schutz der Hongkonger Demokratieaktivistinnen und –Aktivisten einzusetzen

-           sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-China Beziehungen verstärkt an den gemeinsamen EU-Werten und demokratischen Grundfreiheiten ausgerichtet werden;

-           sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass bei den anstehenden EU-China-Treffen das Sicherheitsgesetz als auch die Situation der Uiguren thematisiert werden;

-           die Bemühungen der EU, den Schutz und die Förderung von Menschenrechten im auswärtigen Handeln der Union zu stärken, aktiv zu unterstützen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht damit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Kugler. – Bitte.