17.20

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsident! Geschätzte Frauen Ministe­rinnen! Sehr geehrter Herr Minister! Eigentlich wollte ich lobende Worte dafür finden, dass der Bundeskanzler so lange hier bleibt und sich den ganzen – aus seiner Sicht – Zinnober antut, weil ich und, wie ich glaube, viele andere vor den Fernsehschirmen gemerkt haben, wie fehl am Platz er sich fühlt, wenn er von Arbeitsplätzen oder von Wirtschaft spricht. Er war auf alle Fälle nicht so trittsicher, wie wenn es um Moria oder sonst irgendwelche Dinge geht, wie wenn es um die Balkanroute geht, da war er nicht so streng. Heute hat man auch sein Unbehagen gemerkt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn er von einer Normalität im Jahr 2021 spricht, davon, dass die Normalität wieder­kommt, dann weiß ich, dass er von Wirtschaft genauso wenig versteht wie Klubobmann Wöginger. Der hat nämlich gesagt: Die Kurzarbeit hat Unternehmen „vor der Pleite gerettet“. (Abg. Wöginger: Stimmt ja!) – Nein! Weißt du, was das ist? – Die Unter­neh­men hätten die Mitarbeiter nämlich auch in die Arbeitslose schicken können. Das ist ein Beitrag! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Ich denke, die Unternehmerinnen und Unternehmer haben einen Beitrag dafür geleistet, dass es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht so schlecht geht wie in der Arbeits­lose, dass sie diese Zeit eben überdauern können.

Der Bundeskanzler hat interessanterweise mein Wording übernommen, etwas, das ich schon im Frühjahr gesagt habe, nämlich: „Licht am Ende des Tunnels“. – Dieses Licht ist aber für die Unternehmer der Zug, der ihnen entgegenkommt! Der Glaube, dass sich die Wirtschaft eh nächstes Jahr erholt haben wird, weil die Normalität zurückkehrt, ist ein Irrglaube.

Wenn Sie glauben, dass sich die Kurzarbeit erledigt hat, dann schauen Sie einmal in die Stadthotellerie: Bevor die nächste Kurzarbeitsgeschichte anfängt, melden die meisten in der Stadthotellerie 50 Prozent ihrer Mitarbeiter arbeitslos. Da frage ich mich: Was ist das? – Da haben wir ein Problem! (Ruf bei der ÖVP: ... Lösung!)

Wenn es um wirtschaftspolitische Dinge geht, dann bin ich mit Kollegen Kopf immer einer Meinung: Das Problem ist der Kostenfaktor Arbeit. – Das ist das Thema, das wir regeln müssen. Wir müssen die Besteuerung des Faktors Arbeit dramatisch senken, und das ist auch der dramatische Jobmotor. Die Qualifizierungsmaßnahmen helfen auch, aber nicht so, wie das dramatische Senken des Kostenfaktors Arbeit. Die Ausweitung von Kurzarbeit ist nicht die Lösung.

Als Unternehmer steht man dann vor der Wahl: Melde ich jetzt meine Mitarbeiter arbeits­los oder werden die Kosten auf den Faktor Arbeit so gesenkt, dass es sich auszahlt, nicht 50 Prozent der Mitarbeiter arbeitslos zu melden, sondern vielleicht nur 10 Prozent und den Rest in die Kurzarbeit? Das sind Dinge, die wir brauchen. – Das war der erste von fünf Punkten.

Was wir noch brauchen – das wurde heute erstaunlicherweise nicht gesagt, ist aber für mich als Unternehmer besonders wichtig –: Wie schaut der Winter aus? Ich brauche Verlässlichkeit und Planbarkeit! Viele Unternehmer, und zwar nicht nur im Tourismus, sondern auch in der Ferienhotellerie, bei den Tischlern und in anderen Unternehmen, brauchen Verlässlichkeit und Planbarkeit und nicht dieses Wirrwarr bei der Ampelrege­lung und bei der Ampellösung, denn da weiß ja überhaupt keiner mehr, wohin es geht, da wissen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie Betreuungspflichten haben, nicht, wie es in der Schule ihrer Kinder weitergeht. Das verunsichert die Men­schen. Was wir brauchen, ist Zuversicht. Die können Sie uns nicht geben, da Sie die zweite Welle angekündigt haben.

Was wir auch brauchen, ist Sicherheit für jene, die nicht aufsperren können. In diesem Zusammenhang habe ich Finanzminister Blümel schon vor einiger Zeit ausgerichtet, dass es da Schutzschirmfaktoren braucht. Der Betriebskostenzuschuss allein ist zu wenig. Sie müssen auch andere oder spezielle Sektoren wie die Nachtgastronomie, wie die Clubkultur und auch andere Bereiche unter einen entsprechenden Schutzschirm stellen können.

Was wir nicht brauchen – und auch das ist ganz wichtig –, ist, flächendeckend mit Steu­ergeld zu konservieren. Wir brauchen auch die Ehrlichkeit, zu sagen, Zombiewirtschaft versus Freizeitwirtschaft; jetzt alle über einen Kamm zu scheren und hineinzuschieben, das wird nicht funktionieren, weil die Maroden auch die Guten vernichten, und das auf Dauer. Dieser Verdrängungswettbewerb muss ausgehebelt werden. Da braucht es Kon­zepte.

Ja, Sie haben bei der Investitionsprämie gute Konzepte geliefert, aber die Investitions­prämie hilft nur jenen, die in dieser schweren Zeit Erfolge einfahren konnten, die jetzt investieren konnten, die genügend Reserven aus den vergangenen guten Jahren zu­rückgehalten haben beziehungsweise diese Reserven zurückhalten konnten.

Und Sie brauchen neue Jobs und neue Lehrplätze. Aber, Kollege Kopf: Warum dürfen Lehrlinge in der Gastronomie nur dort ausgebildet werden, wo es ein Wiener Schnitzel gibt, aber dort, wo es Spaghetti Carbonara gibt, nicht? Warum wird das durch die Ge­werbeordnung und das Berufsausbildungsgesetz verhindert? Da braucht es mehr Frei­heit für die Unternehmerinnen und Unternehmer, denn nur so kann man für die Jugend mehr Lehrplätze schaffen. Wenn ein italienisches oder chinesisches Restaurant keine Lehrlinge ausbilden darf, dann ist etwas faul im Staate Österreich! (Beifall bei den NEOS.)

Da müssen wir drüber! Wir brauchen vor allem andere Rahmenbedingungen, und diese Rahmenbedingungen sind die steuerlichen Momente. Das muss ich Ihnen leider hinter die Ohren schreiben! Sie müssen jetzt möglichst schnell danach trachten, dass die Mit­arbeiter mehr verdienen und weniger kosten. Der Kostenfaktor Arbeit gehört dra­matisch gesenkt! Das muss das oberste Gebot für Sie sein, um die Wirtschaft nicht 2021, nicht 2022, sondern 2024 wieder so weit flott zu bekommen, dass wir das alles über­wunden haben.

Nächstes Jahr, Herr Bundeskanzler, wird die Normalität noch nicht eingekehrt sein. Die Unternehmen werden enorme Schwierigkeiten haben, weil sie jetzt den Stundungs­rucksack mit ins neue Jahr nehmen, weil sie nächstes Jahr keine Investitionen tätigen können und weil vor allem auch die Rahmenbedingungen im regionalen Umfeld enorm schwierig geworden sind.

Gott behüte, dass diese Arbeitslosigkeit weiter steigt! Die Kurzarbeit ist ein Beitrag von den Unternehmerinnen und Unternehmern, und dafür sollten Sie sich bei diesen bedan­ken und nicht bei den Sozialpartnern. (Beifall bei den Neos.)

Präsidentin Doris Bures: Den Entschließungsantrag, bitte.

Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Neue Arbeits­plätze“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, mit dem Ziel, Unternehmen bei einer Neueinstellung einer Arbeits­kraft die Hälfte der Sozialbeiträge zu streichen. Eine solche Maßnahme muss so ge­staltet sein, dass Missbrauch und Mitnahmeeffekte vermieden werden und soll auf sechs Monate begrenzt sein.“

*****

Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

17.28

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Neue Arbeitsplätze

eingebracht im Zuge der Debatte in der 49. Sitzung des Nationalrats über den Dring­lichen Antrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, Msc, Kolleginnen und Kolle­gen

Die Kurzarbeit ist eine wichtige Maßnahme zur Abschwächung der wirtschaftlichen Aus­wirkungen der Covid-19-Pandemie. Aber sie ist nur eine Überbrückungshilfe und mit der Fortdauer der Krise zeigt sich, dass es noch keine Antwort auf die drängenden Fragen für den Arbeitsmarkt gibt: Wie kann der Übergang von der Kurzarbeit in die normale Beschäftigung unterstützt werden? Und wie kann die Entstehung neuer Jobs voran­getrieben werden? Die Arbeitslosigkeit kann nur dann gesenkt werden, wenn das Hoch­fahren der Wirtschaft unterstützt wird und mehr Dynamik auf dem Arbeits-markt erzeugt wird. Diese Forderung bekommt nur wenig Aufmerksamkeit von der Bundesregierung. Was es hier braucht, ist eine treffsichere Maßnahme, um Unternehmen Anreize zu ge­ben neue Arbeitskräfte einzustellen. Nur Konservierungsmaßnahmen zu leisten ent­spricht einer Politik, die an der bevorstehenden Realität vorbeigeht. Wir dürfen den Lauf des Wandels, der durch die Covid-19 Pandemie teilweise auch beschleunigt wurde, nicht aufhalten - denn letztlich verpassen wir damit eine Chance.

Laut Agenda Austria steht fest, dass, wenn weiterhin so wenige Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauskommen wie zuletzt, die Arbeitslosigkeit trotz der teuren Kurz-arbeit weiter stark zunehmen wird. Auch wenn sich die Arbeitsmarktsituation so ent­wickelt wie im Jahr vor der Covid-19-Pandemie, würde die Arbeitslosenquote bis Ende 2020 trotzdem auf über 17 Prozent steigen (1). Kommt es zu keiner Änderung, würde dies die Arbeitslosigkeit in allen Sektoren, wie Grafik 1 zeigt, signifikant erhöhen.

Grafik 1: Anstieg der Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr

(Quelle: Agenda Austria)

Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass Einstellungsförderungen höhere Be­schäftigung mit sich bringen und die Dynamik am Arbeitsmarkt erhöht. So zeigt empi­rische Evidenz aus Frankreich (2) und Schweden (3), dass Einstellungsförderungen höhere Beschäftigung mit sich bringen. Cahuc et al. (2019) betonen dabei, dass die Programme insbesondere gegen temporäre und unerwartete Schocks wirksam sind – genau wie die derzeitige Krise. Im Vergleich zu den unterschiedlichen Methoden der aktiven Arbeitsmarktpolitik scheinen Einstellungsförderungen die effektivste Methode zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu sein (4).

Daher fordern wir, dass wenn Unternehmen neue Mitarbeiter_innen einstellen, sie etwa bis zum Ende dieses Jahres nur die Hälfte der Sozialbeiträge für die neuen Stellen zahlen müssten. Die andere Hälfte soll vom Staat subventioniert werden. Hier sollten keine Nachteile bei der Bemessung von Leistungen aus der Krankenversicherung und der Pension entstehen.

Angesichts der hohen Lohnnebenkosten in Österreich werden damit starke Anreize für Neueinstellungen gesetzt und es werden nicht nur bestehende, sondern auch junge Unternehmen und Start-ups unterstützt. Natürlich müsste im Zuge der Umsetzung einer solchen Maßnahme der Missbrauch dieser vermieden werden. So sollte man etwa Fälle von der Förderung ausschließen, in denen erst kürzlich ein Beschäftigungsverhältnis mit der betreffenden Person beim selben Arbeitgeber beendet wurde. Viele der beste­hen­den Fördermaßnahmen definieren einen Zeitraum von 6 Monaten. Aber auch Unterneh­men in Kurzarbeit sind davon ausgeschlossen. Weitere Kriterien könnten etwa vorsehen, dass eine Mindestdauer für die Beschäftigungsverhältnisse Voraussetzung für die För­de­rung ist, um die dauerhafte Mitnahme mit wechselnden Kurzverträgen zu vermeiden.

Quellen:

(1) https://www.agenda-austria.at/publikationen/oesterreich-in-der-corona-krise-6/

(2) Cahuc, P., Carcillo, S. & Le Barbanchon, T. (2019). The effectiveness of hiring credits. The Review of Economic Studies, 86(2), 593-626.

(3) Saez, E., Schoefer, B., & Seim, D. (2019). Payroll taxes, firm behavior, and rent sharing: Evidence from a young workers‘ tax cut in Sweden. American Economic Review, 109(5), 1717-63.

(4) Sianesi, B. (2008). Differential effects of active labour market programs for the unemployed. Labour economics, 15(3), 370-399.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regie­rungs­vorlage zuzuleiten, mit dem Ziel, Unternehmen bei einer Neueinstellung einer Arbeits­kraft die Hälfte der Sozialbeiträge zu streichen. Eine solche Maßnahme muss so ge­staltet sein, dass Missbrauch und Mitnahmeeffekte vermieden werden und soll auf sechs Monate begrenzt sein."

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Klaus Köchl. – Bitte.