09.52

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Guten Morgen, Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuse­her! Wir sprechen heute über die Wegwerfgesellschaft, und wie Sie alle wissen, bin ich tatsächlich ein sehr leidenschaftlicher Umweltschützer. Trotz dieser Leidenschaft habe ich mich aber über die Themenwahl der Aktuellen Stunde etwas gewundert. Ich habe mir gedacht, es gibt im Umweltbereich, im Bereich der Klimapolitik so viele Themenbe­reiche, zu denen wir in der aktuellen Krise sehr konkrete und auch hilfreiche Antworten finden könnten. Die Frage der Wegwerfgesellschaft könnte ein Bereich sein, die Frage der Einwegplastikrichtlinie ist, glaube ich, keiner.

Darauf möchte ich jetzt etwas eingehen. Das Erste: Worüber reden wir denn eigent­lich? – Wir reden darüber, dass es eine Einwegplastikrichtlinie der Europäischen Union gibt. Die ist vereinbart, die wird in Kraft treten, und Österreich erreicht die darin vereinbar­ten Ziele schlicht nicht. Wenn wir die Ziele nicht erreichen, müssen wir 142 Millionen Euro Strafe pro Jahr zahlen. Finanzminister Blümel hat gesagt: Das ist kein Problem, das zahlen wir aus dem allgemeinen Budget.

Wir haben im Umweltausschuss weiters über den Vorschlag eines Pfandsystems debat­tiert, mit dem die Recyclingquoten und Reduktionsraten so erreicht werden, dass – wir sehen es in anderen Ländern – diese Strafzahlungen von 142 Millionen Euro nicht an­fallen.

Das ist die aktuelle Debatte. Da sind aber die Grünen keine Helden, denn das hat tat­sächlich die Europäische Union in Vorleistung erbracht. Wir in Österreich haben da aber bis jetzt relativ wenig an herzeigbaren Ergebnissen.

Dazu, dass Wien deutlich schlechter liegt als alle anderen Bundesländer, sage ich auch wie die Kollegen von der ÖVP – das ist kein Wienbashing, das ist Fakt –: Wenn man sich das österreichweit anschaut, stellt man fest, dass neun von zehn Plastikflaschen im Recycling landen – in Wien sind es nur sechs von zehn. Das ist einfach so. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Manchmal kriegt man den Applaus von der falschen Seite, aber gut. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Heiterkeit des Red­ners.)

Jedenfalls würde ich gerne über die Wegwerfgesellschaft ein bisschen anders diskutie­ren. Worum geht es denn beim Problem Wegwerfgesellschaft, abgesehen von der Plas­tikflasche? – Es geht im Wesentlichen darum, dass wir in Österreich in der Situation sind, dass viele Produkte, die wir kaufen, nicht in einer österreichischen Produktion hergestellt werden. Der Grund dafür ist nicht das Einwegplastik, sondern dass wir eine viel zu hohe Steuer- und Abgabenlast haben. Das ist das wesentliche Element. Wenn wir die Lohnne­benkosten in einem solchen Ausmaß senken würden, dass die Produkte in Österreich hergestellt und dann auch in Österreich erworben werden können, wäre das ein Riesen­schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei den NEOS.)

Gleiches gilt im Übrigen auch, was die Besteuerung der Produkte danach betrifft, denn es ist ja nicht nur die Produktion zu teuer, sondern es schlägt dann auch der Staat reich­lich etwas drauf.

Dazu kommt aber ein zweites Element, nämlich: Wir produzieren mit den höchsten Um­weltstandards, wir produzieren in vielen Bereichen schon CO2-frei oder -arm. Das ma­chen natürlich die Länder in Fernost großteils nicht. Die richtige Antwort darauf wäre – und da sind wir sogar auf einer Linie mit dem Regierungsprogramm, wenn es gescheit gemacht wird – eine CO2-Besteuerung und gleichzeitig ein CO2-Grenzausgleich. Das würde bedeuten, dass Produkte, die in Österreich unter höheren Umweltstandards her­gestellt werden, natürlich bei einer niedrigeren Besteuerung und niedrigeren Lohnneben­kosten, für die Menschen nicht teurer, aber dann – so die Annahme – in der Qualität höher werden würden. Das muss das Ziel sein und das wäre auch eine Debatte, die wir heute führen könnten, denn das schafft auch regionale Arbeitsplätze – ein zentrales Ele­ment, das wir in der Krise dringend benötigen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit möchte ich zu meinem letzten Punkt kommen, an die grüne Fraktion und auch an Sie, Frau Ministerin, gerichtet: Ich weiß, dass Sie im Umweltbereich deutlich mehr ma­chen als Ihre VorgängerInnen, das muss man auch anerkennen; das ist aber ehrlich gesagt auch nicht schwer, die Latte lag nicht recht hoch. Ich glaube jedoch, dass wir in der Krise andere Formate finden müssen.

Wir haben die größte Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise in der Zweiten Republik. Wir wissen von Ökonomen, dass wir pro Monat 10 000 bis 15 000 neue Jobs schaffen müs­sen, damit wir nicht dort landen, wo wir nicht landen wollen: in einem großen Wohlstands­verlust, in einer großen Arbeitslosigkeit, in einer langen Kurzarbeit. Das ist heute die Angst von vielen Menschen. Umwelt- und Klimapolitik könnten dazu einen Beitrag leis­ten. Wir brauchen Formate, bei denen es darum geht: Wie schaffen wir im Bereich der erneuerbaren Energie, im Bereich der Abfallwirtschaft, im Bereich der Mobilität, im Be­reich der Gebäudesanierung und in vielen anderen Bereichen, die uns betreffen, jedes Monat 10 000 oder 15 000 neue Jobs? – Jobs, die es auch in Zukunft geben wird, Jobs, die jetzt vielleicht in der Automobilindustrie verloren gehen und dort auch nicht wieder zurückkommen werden.

All diese Antworten hätten Sie in einer Aktuellen Stunde geben können, haben Sie aber nicht gegeben, und das ist eine wirklich verpasste Chance. (Beifall bei den NEOS.)

9.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Jeitler-Cin­celli. – Bitte.