11.41

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Mi­nister! Herr Kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Warum gerade Kinder aus den Lagern aus Moria nach Österreich evakuieren? – Es geht um eine humanitäre Katastrophe auf EU-Boden, für die wir Verantwortung tragen, eine humanitäre Katastrophe, ja: Das Leben der Betroffenen vor Ort ist gefährdet, ist am Weg, zerstört zu werden.

Es ist unfassbar, dass seit Jahren auf EU-Boden Zustände herrschen, die auch Kinder in Suizidversuche treiben. Moria liegt in Griechenland, Herr Kanzler, wo man nicht gön­nerhaft von Hilfe vor Ort sprechen kann – Sie missbrauchen einen Begriff für eine Leis­tung, die es in Europa nie geben müsste, und verwirren die Menschen –, diese ist vor Ort in den Herkunftsländern zu leisten.

In Moria sind wir nicht gönnerhaft zur Hilfe vor Ort verpflichtet, sondern dazu, unsere Werte, für die die Europäische Union gegründet wurde, zu verteidigen: Demokratie und Menschenrechte. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Hierauf fußt auch unsere Glaubwürdigkeit, die in den letzten Jahren an jedem Tag, an dem die Kinder dort im Dreck unter Planen schlafen, ohne medizinische Versorgung sind, nicht wissen, ob sie etwas zu essen bekommen, erodiert. Die haben wir schon verloren. In Wahrheit geht es jetzt darum, Verantwortung zu übernehmen, und die Verantwortung für diese Zustände in Österreich tragen Sebastian Kurz und die ÖVP, von der Spitze – von ihm – hinunter.

Herr Kanzler, Sie sind gut im Predigen, aber – aus meiner Perspektive – nicht in Sach­lichkeit, sondern im eiskalten Nichtstun, und das aus Kalkül. Was geschah nach 2015? – Wir erinnern uns, dass Sie nicht an menschlichen und gleichzeitig effizienten Lösungen interessiert waren, sondern am australischen Modell. Sie haben es auch die Jahre da­nach, bis 2017, kolportiert, sogar als klar wurde, dass dort Lager geschlossen werden mussten, da sie nicht menschenwürdig waren. Das ist Ihr Kalkül, um so Menschen, Asyl­werber vom eigenen Hoheitsgebiet fernzuhalten.

Das ist sinnvoll für Ihre Zwecke, und Sie haben geschafft, das in Europa durchzusetzen. Sie schlugen sich damit auf die Seite der Nationalisten, die verhindern, dass es in Europa möglich wird, ein effizientes, gemeinsames Asylverfahren aufzubauen. (Bundeskanzler Kurz nickt.) – Sie nicken, Sie geben mir anscheinend recht in Bezug darauf, mit den Nationalisten in einem Boot zu sitzen. (Beifall bei den NEOS.)

Was verstehen Sie nämlich unter Außengrenzschutz? – Lager mit leidenden Menschen, deren Schicksal abschreckend wirkt. Dieses unsägliche Agieren der Regierung schafft in Wahrheit aber nur Chaos und Unmenschlichkeit. Was Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit gleichzeitig bedeuten würde, wäre, wenn man an den Außengrenzen kontrolliert, registriert, die Asylwerber aufteilt, schnelle Verfahren hat, jene zurückschickt, die keinen Schutz verdienen, und jene schnellstmöglich integriert, die Schutz verdienen. (Beifall bei den NEOS.)

Damit wäre tatsächlich effiziente Abschreckung, die Sie ja wollen, rechtsstaatlich mög­lich, nämlich durch effiziente Abschiebungen. Was aber wollen Sie mit Ihrer destruktiven Art? – Sie wollen weiterhin das schwelende Chaos an den Grenzen für Angstmache be­nutzen. Angst macht mir da etwas ganz anderes, Angst macht mir nämlich, dass wir wegen Ihrer zynischen Politik wieder Menschen leiden sehen, weiterhin leiden sehen und nichts machen können, denn jetzt droht Moria zwei. Laut Ärzte ohne Grenzen vege­tieren im Moment fast 10 000 Menschen im provisorischen neuen Lager Kara Tepe, das in den vergangenen Tagen auf einer aufgelassenen Truppenübungsstelle eingerichtet wurde. Sie wissen nicht, ob sie etwas zu essen bekommen oder Duschen und Toiletten haben werden, aber sie wissen, dass eine Gefahr durch Minen besteht.

Wir NEOS – nicht die ÖVP und nicht die FPÖ – werden nicht müde, uns dafür einzuset­zen, dass durch effiziente, schnelle Verfahren Sicherheit und Ordnung einkehren und dass wir – als Österreich dabei in einer Koalition der Entschlossenen vorangehen.

Damit das umsetzbar wird, brauchen wir aber eine Entlastung der EU-Außenländer, und deswegen haben wir schon im April, als Corona ausbrach, gefordert, dass wir evakuie­ren. Schon damals war nicht nur die ÖVP dagegen, sondern auch die Grünen haben unseren Antrag abgelehnt. Jetzt, nach dem Brand, braucht es umso mehr eine rasche Evakuierung. Es muss verhindert werden, wie Ärzte ohne Grenzen sagt, dass aus der Asche Morias auch mit österreichischer Unterstützung das nächste Elendslager ent­steht. – Aus den Augen, aus dem Sinn.

Wir haben in Österreich die Kapazitäten, zu helfen. Asylquartiere, für die wir aber dank eines Kündigungsverzichts – damals von Innenministerin Mikl-Leitner  Miete zahlen, stehen leer, und es gibt in Österreich viele Menschen, die den Wunsch haben, zu helfen. Sie ignorieren die vermehrten Rufe der Zivilgesellschaft, der Kirchengemeinschaft in Ös­terreich, von Kinder- und Jugendpsychiatern, von der Initiative Courage – Mut zur Menschlichkeit, hinter denen immer mehr Menschen stehen, die helfen wollen.

Sie nehmen nicht nur die Grünen in Geiselhaft, die dafür auch selbst verantwortlich sind, weil sie bei den Regierungsverhandlungen viele ihrer Grundsätze einfach über Bord ge­worfen haben, sondern Sie nehmen auch alle Menschen in Geiselhaft, die Sie nicht hel­fen lassen. Nehmen Sie diese nicht in Geiselhaft, lassen Sie sie helfen, lassen Sie diese Menschen, die Verantwortung spüren, etwas tun, wenn Sie schon nichts spüren!

Daher stellen wir heute den Antrag, dass die Bundesregierung die vielen Hilfsangebote der Menschen in Österreich, die helfen wollen, auf Validität prüft, und ihnen ermöglicht, nach einer Einreise von unbegleiteten Minderjährigen für die Versorgung und/oder die Patenschaft dieser Kinder zu sorgen. ÖVP ...

11.47

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, Frau Abge­ordnete!

(Beifall bei den NEOS für die das Rednerpult verlassende Abg. Krisper.)

Die nächste Rednerin ist Mitglied des Europäischen Parlaments Frau Abgeordnete An­gelika Winzig. – Bitte.