12.02

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Monika Vana (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte KollegInnen! Ich möchte diese menschenverachtenden und letztklassigen Aussagen meines Vorredners gar nicht lange kommentieren. Ich möchte mich für diese heutige so wichtige Europa­stunde, die auch zeigt, wie wichtig die sachliche Auseinandersetzung betreffend dieses Thema ist, herzlich bedanken! (Beifall bei den Grünen.)

Der Brand im Flüchtlingslager Moria hat uns dramatisch und endgültig vor Augen geführt: Die Flüchtlingsfrage lodert seit Jahren im gesamten gemeinsamen Haus Europa und allein mit einer Festungs- und Abschottungspolitik an den Außengrenzen Europas wer­den wir diesen Brand nicht löschen – das ist Fakt. Das Flüchtlingsleid ist unerträglich und einer Friedensnobelpreisträgerin EU unwürdig. (Beifall bei den Grünen und bei Ab­geordneten der SPÖ.)

Seit Jahren – das kann ich auch für mich selbst in Anspruch nehmen – fordern wir Grü­nen, dass die Europäische Union ihre humanitäre Verantwortung wahrnehmen muss, das Grundrecht auf Asyl sicherzustellen und Verfahren zügig und vor allem menschen­rechtskonform durchzuführen. Menschen, die vor Krieg, Hunger, Verfolgung und Gewalt fliehen, ist Schutz zu gewähren!

Dazu braucht es legale Fluchtwege und Einwanderungsmöglichkeiten, faire Verfahren für Asylsuchende und die Entkriminalisierung von Seenotrettung, um dem Sterben im Mittelmeer endlich ein Ende zu bereiten. Das alles ist aber mit dem derzeitigen Dublin­system nicht zu schaffen, und – es wurde schon angesprochen – gerade jetzt in diesen Minuten präsentiert die Kommission ihre Pläne für einen sogenannten Migrationspakt der Mitgliedstaaten. Das ist ein längst überfälliger Schritt, denn viel zu lange hat sich die Europäische Union von der Totalopposition einiger Mitgliedstaaten bremsen lassen. Ich darf Ihnen sagen: Im Europaparlament haben wir längst einen Kompromiss, eine Eini­gung für einen Verteilungsmechanismus in der Flüchtlingsfrage gefunden, allein die Mit­gliedstaaten blockieren.

Europa braucht dringend einen Migrationspakt und eine gemeinsame, solidarische Asyl­politik, die im EU-Vertrag übrigens auch klar als Ziel verankert ist, zum einen, um eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen zu ermöglichen, aber auch – und das ist sehr wichtig –, um ihren eigenen Grundwerten und Grundrechten gerecht zu werden.

Soweit wir bisher gehört haben, wird der derzeitige Vorschlag der EU-Kommission das Elend an den Außengrenzen leider nicht beseitigen. Wir hören von beschleunigten Asyl­verfahren in Großlagern, die das Problem nicht grundlegend ändern. Wir hören davon, dass die Dublinregelung nicht außer Kraft gesetzt werden soll – ich denke, da wird es harte Verhandlungen brauchen. Wir müssen die Genfer Flüchtlingskonvention einhalten und wir dürfen die südlichen EU-Mitgliedstaaten nicht mit der Abwicklung der Asylver­fahren alleine lassen – ich denke, in Massenlagern scheinen faire, rechtsstaatliche Asyl­verfahren nicht möglich.

Im Europaparlament setzen wir Grüne uns seit Jahren ganz klar für folgende Ziele ein: für einen Stopp der jahrelangen Masseninternierungen an den Außengrenzen, die Schaffung von offenen Registrierungszentren, von wo aus Flüchtlinge sich dann nach einem fairen und solidarischen System auf die Mitgliedstaaten verteilen können, sowie auf Motivation und Unterstützung. Das ist gerade jetzt ganz, ganz wichtig für Regionen, Städte und Gemeinden, die Flüchtlinge aufnehmen wollen – es ist beeindruckend, was da von immer mehr Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen europaweit geleistet wird. Die EU-Strukturfonds unterstützen dabei übrigens seit Jahren großzügig mit Geld, allein viel Geld bleibt in Brüssel immer noch liegen.

Es ist ganz klar: Alle Mitgliedstaaten müssen sich ausnahmslos zu einem europäischen Asylsystem bekennen! Ein Versagen der EU in dieser Frage ist keine Option! (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb auch heute anlässlich des Titels der Europastunde, der sich an den Herrn Bun­deskanzler richtet, mein persönlicher Appell an den Herrn Bundeskanzler, wie aber na­türlich darüber hinaus an alle politischen VerantwortungsträgerInnen in Österreich: Neh­men wir unsere Verantwortung ernst! Unterstützen wir ein gemeinsames und solidari­sches europäisches Asylsystem! Österreich kann und soll Flüchtlinge aufnehmen, zahl­reiche andere Mitgliedstaaten zeigen es vor, das ist Fakt! Retten wir Flüchtlinge aus der aktuellen Notlage in Moria! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Kucharowits.)

12.06

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter. – Bitte.