14.01

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseher zu Hause! Wir hier in Europa haben ja die Menschenrechte erfunden, und darauf sind wir auch sehr stolz. Wir betonen das vor allem dann, wenn wir anderen erklären wollen, dass sie sich bitte schön an die Menschenrechte zu halten haben. Was uns selbst betrifft, da sind wir manchmal ein bisschen zurückhaltender, und das sieht man dann am besten, wenn man zu seinem Wort stehen sollte. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Im Außenpolitischen Ausschuss hat das kürzlich schon einmal nicht funktioniert. Unse­ren Abänderungsantrag zum EU-Aktionsplan Menschenrechte und Demokratie haben die Grünen zwar sehr gut und richtig gefunden, abgelehnt haben sie ihn aber trotzdem. Das passt leider gut zusammen, schließlich sind unserer Regierung, der ÖVP und den Grünen, die Menschenrechte dann nicht mehr so wichtig, wenn es um die Flüchtlinge geht. (Abg. Ernst-Dziedzic schüttelt den Kopf.) Man lässt sie gerne in Zelten im Matsch und ohne Trinkwasser hausen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Man missbraucht diese Menschen für billige PR-Shows und Marketingstunts, denn nichts anderes ist es, wenn ein Innenminister mit einer Antonow schnell nach Griechen­land jettet, um Hilfsgüter zu liefern, um die niemand gebeten hat und die auch niemand braucht; deshalb kommen die erst einmal in Lagerhäuser. Das wird dann – unter Anfüh­rungszeichen – „Hilfe vor Ort“ genannt. Finanziert werden diese Marketingaktionen an­scheinend auch noch aus dem Budget für Entwicklungszusammenarbeit, und da gerät ja schon einiges ordentlich durcheinander.

Lassen Sie mich bitte Folgendes betonen! Erstens: Eine Flagge ist keine Hilfsmaßnah­me. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.) Zweitens: Es löst auch keine Probleme, wenn wir Menschen in Not Dinge geben, die sie nicht brauchen, auch dann nicht, wenn der Innenminister sie persönlich vorbeibringt. Drittens: Es nützt NGOs und Hilfsorganisationen nicht, wenn wir nicht auf sie hören, wenn wir sie gar nicht fragen, was sie brauchen. Viertens: Es ist vor allem keine Hilfe vor Ort, wenn wir Menschen, die schon Tausende Kilometer hinter sich ha­ben, eine Decke in die Hand drücken. Eine Decke oder 7 400 Decken wie in Griechen­land tragen nichts dazu bei, die Situation in Syrien zu entschärfen. Eine Decke ändert nichts daran, dass junge Menschen in Westafrika – also vor Ort, dort, wo wir helfen soll­ten – keine Zukunft mehr sehen und sich auf den Weg machen. (Abg. Gödl: Das ist sehr zynisch, Frau - -!) Wenn Sie solche Aktionen als Hilfe vor Ort bezeichnen (Abg. Gödl: Sehr zynisch! Unwürdig zynisch! Unwürdig zynisch!), dann zeigt sich nur eines: Sie leis­ten überhaupt keine echte Hilfe am richtigen Ort! (Beifall bei NEOS und SPÖ.) Sie ver­schwenden nur wertvolles Budget für billige PR-Aktionen. Da sollten Sie sich wirklich schämen! (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Gödl: Unwürdig!) Das sollten wir immer im Kopf haben, wenn wir wieder einmal von Menschenrechten sprechen.

Wenn wir schon bei der Hilfe vor Ort sind: Statt also ungefragt irgendwelche Güter ir­gendwo hinzubringen, um die niemand gebeten hat, das Ganze dann auch noch mit einer österreichischen Flagge zu verzieren, muss man sich schon die Frage stellen (neu­erlicher Zwischenruf des Abg. Gödl – Abg. Gödl zeigt mit dem Daumen nach unten): Was ist denn Hilfe vor Ort tatsächlich? Was ist Hilfe vor Ort tatsächlich?

Die Weltbank warnt zu Recht (Abg. Gödl: Menschenunwürdig!), dass Covid-19 die Fi­nanzen der ärmsten Länder der Welt an den Knackpunkt gebracht hat. Sie fordert des­halb unter anderem ein Schuldenmoratorium, damit diese Länder beispielsweise Beat­mungsgeräte kaufen können, was hundertmal gescheiter ist als eine österreichische Flagge. Das brauchen sie, damit sie keine Zinsen an die reichen Länder zahlen müssen.

Ich fordere die Grünen an dieser Stelle auf – unsere Anträge sind keine Rocketscience, sie sind auch keine vorwissenschaftlichen Arbeiten; sie beruhen auf Expertise und Betei­ligung von NGOs –: Wenn wir wieder einen unserer Anträge einbringen und Sie ihn als gut und richtig empfinden, dann stimmen Sie bitte auch mit! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

14.05

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.