16.18

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler, Entschuldigung, Herr Bundesminister! – Der Herr Bundeskanzler kommt spä­ter noch dran. – Ich muss mich vorweg recht herzlich bei Ihrem Ministerium bedanken. Es wurde, wie ich glaube, bei einer Dringlichen Anfrage noch nie geschafft, bei dieser kurzen Vorbereitungszeit eine Stunde Redezeit zu füllen. Ein Teil des Applauses, den es vorher gegeben hat, gilt, glaube ich, auch der Vorbereitung. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was den Inhalt betrifft, muss ich aber ehrlich sagen, dass diese Anfrage teilweise nicht beziehungsweise nur sehr, sehr oberflächlich beantwortet wurde und man mit den Ant­worten sehr wenig anfangen kann.

Ich beginne mit der Frage zum Blutplasma, bei der Sie ja leicht süffisant zu Kollegen Loacker gesagt haben, dass es dazu schon Anfragen gab. Ja, es gab Anfragen, es gab, glaube ich, von unserer Seite sogar drei oder vier, aber Sie haben diese nie beantwortet. Sie haben nie die Zahlen, die wir haben wollten, genannt, und deswegen steht das auch in dieser Anfrage. Das muss man schon auch dazusagen.

Ich komme zu zwei meiner Lieblingsfragen, das sind die Frage 5 und die Frage 24. Die Frage 5 ist die Frage, ob Sie dem Bundeskanzler geraten haben, in Zukunft davon Ab­stand zu nehmen, Maßnahmen über Pressekonferenzen bekannt zu geben. Die Fra­ge 24 ist die Frage, welche Maßnahmen Sie bei sich in der Schublade haben. Wissen Sie, wie Sie gerade auf beide Fragen geantwortet haben? Wenn man genau zugehört hat, weiß man es: Das wird beides evaluiert. – Sie evaluieren Ihre eigene Schublade? Also das ist wirklich nicht nachzuvollziehen und das ist eher lächerlich. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe es sehr spannend gefunden, wie Sie am Anfang Ihrer Anfragebeantwortung gleich einmal damit begonnen haben, über Ihre Beliebtheitswerte zu sprechen und da­rüber, dass es zwei Wirklichkeiten gibt und es Ihnen nicht so wichtig ist, ob Kollege Loa­cker Sie mag. Das kann ich persönlich nachvollziehen, aber eigentlich geht es ja in die­ser Anfrage nicht darum, wie beliebt Sie bei der Bevölkerung sind, sondern es geht da­rum, was in diesem Bericht der unabhängigen Expertenkommission zu Ischgl drinnen steht, und da steht Vernichtendes drinnen. Dass Sie da einfach abwiegeln und sagen, na ja, ich bin aber beliebt, das finde ich auch letztklassig. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Kainz und Ries.)

Generell hatte ich während Ihrer einstündigen Ausführung ein bisschen das Gefühl, dass Sie das Motto mit sich mitnehmen: Es gibt nicht für alles in unserem Leben eine Er­klärung, aber es gibt sehr wohl eine passende Ausrede. Das ist das Motto, das wir wäh­rend der Coronakrise von der gesamten Regierung die ganze Zeit hören. Es ist ein Ge­schwafel, es sind Ausreden, aber es ist eigentlich nicht der Punkt, dass man sagt: Hey, wir machen auch Fehler! – Das kommt nicht vor.

Für diese Fehler entschuldigt man sich auch nicht, Landesrat Tilg ist dafür ein Parade­beispiel. Landesrat Tilg, wir haben es schon von Kollegen Loacker gehört, ist in einem der legendären Interviews in der „Zeit im Bild 2“ – neben dem gestrigen des Herrn Präsi­denten (Heiterkeit bei den NEOS) – nur dort gesessen und hat die ganze Zeit gesagt, er hat alles richtig gemacht. Alles richtig gemacht – genau dasselbe haben wir gestern beim Herrn Bundeskanzler erlebt, der als Reaktion auf diesen Bericht gesagt hat: Alle Ent­scheidungen sind großartig abgesprochen worden. – Es stimmt nur leider nicht, wie man sieht, wenn man den Bericht aufmerksam liest.

Ich zitiere wortwörtlich, Seite 139: „Die Ankündigung der Quarantäne über das Paznaun­tal und St. Anton a. A. durch den österreichischen Bundeskanzler erfolgte ohne dessen unmittelbare Zuständigkeit, überraschend und ohne Bedachtnahme auf die notwendige substantielle Vorbereitung.“ – Der Bundeskanzler stellt sich aber hin und sagt: Wir haben alles richtig gemacht, das war alles abgesprochen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Genau das sind diese Ausreden, genau das ist dieses Leugnen, dass es da auch Fehler gibt, was wir die ganze Zeit erleben. Das ist, glaube ich, nicht nachvollziehbar bezie­hungsweise auch der Bevölkerung nicht zuzumuten. (Beifall bei den NEOS.)

Da die Bundesregierung das hier schönreden will, zitiere ich wieder auszugsweise aus dem Expertenbericht, Seite 81, da geht es um die Abreise – das ist übrigens sehr lesens­wert, weil sehr detailliert beschrieben wird, was vor Ort stattgefunden hat. Da stehen Worte wie „Panikstimmung“, die durch diese Pressekonferenz des Bundeskanzlers, bei der Sie übrigens daneben gestanden sind, ausgelöst wurde. Wenn man sich die Proto­kolle durchliest, was Sie dort gesagt haben, stellt man fest, Sie haben nicht über die Quarantäne gesprochen, die wir in Österreich haben, sondern – genau das, was Sie heute auch wieder gemacht haben – über die Zahlen von irgendwelchen anderen Län­dern (Abg. Loacker: Lombardei!) beziehungsweise von der Lombardei.

Im Bericht wird darüber gesprochen, dass die Leute „fluchtartig“ das Tal verlassen ha­ben, dass es zu Staus kam. Diese Staus waren 15 Kilometer lang. Ein paar Seiten weiter ist in diesem Bericht die Einvernahme eines Busunternehmers angeführt, der sich in diesem Stau, wie er sagt, selbst angesteckt hat, weil er „fünf bis sechs Stunden im Au­tobus“ gesessen ist. Dieser Stau, den der Herr Bundeskanzler und Sie mitverschuldet haben, ist dafür verantwortlich, dass die Menschen teilweise erkrankt sind. Das war ein Coronastau, den Sie mit Ihrem unbedachten Vorgehen ausgelöst haben. (Beifall bei den NEOS.)

Die Leute hatten Angst, es herrschte – und das zitiere ich auch aus dem Bericht – „ein totales Chaos“. Diese Bundesregierung hat nichts anderes als ein totales Chaos ge­macht. Alle stellen sich dann hin und sagen: alles richtig gemacht. Worte wie Panik, Chaos und so weiter sind aber durchaus zu erwähnen, und ich glaube, man darf sie nicht negieren. Genau dadurch ist ja dann etwas entstanden, was uns allen und insbesondere den Tirolerinnen und Tirolern heute sehr, sehr wehtut, nämlich dieses negative Image, das wir davongetragen haben.

Oft wird abgelenkt, und genau das tun Sie als Bundesregierung ja auch. Sie sagen: Wir waren nicht vorbereitet und man hat es nicht ahnen können!, und so weiter und schieben damit die Verantwortung lokal ab. Sie schieben die Verantwortung auf die lokalen Leute ab, und die kommen jetzt zum zweiten Mal zum Handkuss: Erstens haben sie die erste Wintertourismussaison verpasst, und durch Ihr Abschieben, durch dieses negative Image, für das Sie auch, gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler, mitverantwortlich sind, durch dieses totale Chaos, das durch die internationalen Medien gegangen ist – das weiß Kollege Hörl am besten –, ist es zweitens auch dieses Jahr so, dass es für die Seilbahnwirtschaft, für den Tourismus im Winter extrem schwierig sein wird, weil die Leute einfach nicht mehr kommen werden. Dafür ist der Bundeskanzler und dafür sind Sie verantwortlich. (Beifall bei den Neos. – Zwischenrufe des Abg. Schmidhofer.)

Es ist auch sehr spannend, in diesem Bericht zu lesen, wie das andere Gemeinden ge­macht haben, wie es in anderen Gemeinden – ohne die (mit den Händen Anführungs­zeichen andeutend) „großartige“ notwendige Hilfe der Bundesregierung – abgelaufen ist. Dort hat es nämlich funktioniert, dort gab es ein koordiniertes Abreisemanagement. Die­se Täler haben nicht diese Probleme gehabt, weil es dort eben nicht diese Situation gegeben hat, dass sich der Bundeskanzler und die übrigen Verdächtigen hingestellt und, ohne sich Gedanken zu machen, ohne darüber nachzudenken, wer eigentlich zuständig ist, wer eigentlich die Maßnahmen machen kann, und ohne Absprache mit den lokalen Behörden, einfach gesagt haben: Juhu, Pressekonferenz, wir machen hier jetzt etwas!, dessen Folgen uns allen bekannt sind.

Im Endeffekt war Ischgl eine Art Freiluftgefängnis. Die Leute hatten wirklich Angst, dass sie dort eingesperrt sind, nicht weiterkommen. Diese Panik überwog einfach, und das kommt in diesem Bericht ganz klar heraus.

Man muss offen und ehrlich sagen – und jetzt nehme ich Ihre Rechtfertigungen auf, die Sie, der Bundeskanzler und auch andere Minister immer wieder gebracht haben –: Na­türlich war das eine Ausnahmesituation. Natürlich war das eine Ausnahmesituation, in der vieles schnell geht, und es können auch hin und wieder Fehler passieren – dann sollte man sich dafür entschuldigen, das ist ein zweites Thema –, aber sie passieren umso häufiger, wenn es so ist, wie in diesem Fall: dass einem die Macht zu Kopfe steigt und man einfach keine Ahnung mehr hat, was man machen soll, und sich dementspre­chend nicht mit den lokalen Behörden abspricht, sich als Bundeskanzler nicht mit Ihnen als Gesundheitsminister abspricht, nicht mit dem Innenminister – alles das steht in die­sem Bericht drinnen –, nicht mit den Kabinettsmitarbeitern. Dann ist eben der heilige Sebastian, wenn er dort steht und seine Aussage macht und sich eben nicht abspricht, derjenige, der zum Handkuss kommt.

Solche Dinge passieren dann, wenn man den Bezug zur Realität verliert, wenn man nicht in der Realität lebt und einfach abgehoben in seinem Zirkel zu Hause ist. (Beifall bei den NEOS.) Und sie passieren insbesondere dann, wenn man vergisst, dass Regieren mehr ist, als nur Pressekonferenzen zu halten.

Genau das haben wir in den letzten Tagen und Monaten viel zu oft erlebt. Diese Presse­konferenzen sind vielleicht in normalen Zeiten nicht so gefährlich, weil es nicht so auffällt, wenn man sehr viel heiße Luft redet, wenn da nicht so viel herauskommt. Das funktio­niert. Wenn man aber in solchen Pressekonferenzen in so einer Situation Panik sät, dann wird es katastrophal und dann schadet man dem Tourismus, der Seilbahnwirtschaft, den Menschen vor Ort, der Gesundheit der Menschen vor Ort und der Republik als Ganzes nachhaltig, denn dieses Image wird uns noch lange begleiten, und wir können und wollen es nicht so stehen lassen, dass das einfach weiterhin abgetan wird.

Ich glaube, dass es einfach insbesondere nicht in das Konzept der ÖVP passt, dass man als Bundeskanzler auch Verantwortung wahrnehmen muss. Es ist in meiner Wahrneh­mung so, dass da nie Verantwortung übernommen wird und man das sehr gerne weg­schiebt. Das ist, glaube ich, einfach ein Grundsatz in der türkisen Bibel: Wie gehe ich vor? – Bei Erfolg stelle ich – ich komme sofort zum Schluss – den Bundeskanzler und die Ministermuppets in die erste Reihe und lasse sie ihren Erfolg feiern, aber wenn es darum geht, wirklich Verantwortung zu übernehmen, wenn einmal etwas schiefläuft, dann sind alle ruhig, dann schiebe ich es auf andere.

Genau das passiert hier, und das ist nicht zu akzeptieren. Daher wünsche ich mir, dass in Zukunft anders mit diesen Themen umgegangen wird. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Schwarz. – Bitte.