21.50

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bun­desminister! Wir beschäftigen uns hier im Hohen Haus zu verschiedensten Anlässen und in unterschiedlichstem Kontext mit den dunkelsten Kapiteln der Geschichte unserer Republik – und das ist auch gut so.

Letzten Herbst haben wir beschlossen, Verfolgten des NS-Regimes und deren Nach­kommen die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. In etwa 7 000 Personen bekundeten Interesse, in etwa 500 Anträge wurden gestellt, und dem ersten Antragsteller wurde die Staatsbürgerschaft auch schon verliehen. So müs­sen wir der Geschichte unseres Landes begegnen: reflektiert, verantwortungsvoll und vor allem konsequent.

Was ist also das Verantwortungsvolle, das Richtige und das Konsequente im Fall des Geburtshauses Adolf Hitlers in Braunau? Diese Frage bringt die SPÖ mit dem gegen­ständlichen Antrag auch ins Hohe Haus, und ich finde es richtig, dass wir sie hier disku­tieren. Ich finde es auch wichtig, dass man die Frage inhaltlich behandelt, auch wenn es dagegen rechtliche und kompetenzrechtliche Argumente gibt. Ich finde es auch deshalb wichtig, weil die Angelegenheit – und das wurde von meiner Vorrednerin schon ausge­führt – zu entgleiten drohte, auch aufgrund der Haltung oder der Aussagen von Ihnen, Herr Innenminister.

Wiewohl die Entscheidung über das Haus selbst bereits gefallen ist – da ist jetzt das Bezirkspolizeikommando drinnen –, wiewohl der Umgang mit dem Gedenkstein Angele­genheit der Gemeinde Braunau und gleichfalls entschieden ist, ist es gut, dass wir heute darüber reden.

Die Stadt Braunau hat entschieden, wir haben es schon gehört, den Gedenkstein, den Mahnstein gegen Krieg und Faschismus dort zu belassen, wo er ist, vor dem Haus. Wir befürworten diese Entscheidung, denn wir sind überzeugt davon, Erinnerungskultur muss vor allem auch in situ stattfinden: nicht unkenntlich machen, tilgen, schleifen, wie das der Präsident unseres Hauses einmal gesagt hat, oder verstecken, sondern sich stellen, sichtbar lassen, sichtbar machen und kontextualisieren, denn das Potenzial für Schreckliches, für Abscheuliches, für systematische Unmenschlichkeit wohnt uns allen und unserer Gesellschaft auch heute noch genauso inne wie damals.

Deshalb ist es wichtig, dass sich auch meine Generation und kommende Generationen aktiv mit der Geschichte unseres Landes auseinandersetzen und dass dieser laufende Prozess, der nie abgeschlossen werden kann, auch weitergeführt wird.

Ich habe Ihnen heute in Anlehnung an meinen Kollegen Brandstätter ein Buch mitge­bracht. Mein Urgroßvater Ernst Koref entging im September 1944 nur knapp der Depor­tation aus Linz nach Dachau und damit dem sicheren Tod. (Der Redner stellt das Buch „Die Gezeiten meines Lebens“ auf das Rednerpult.) Er war politischer Gefangener, als ehemaliger sozialdemokratischer Nationalratsabgeordneter war er nach dem Stauffen­berg-Attentat mit vielen ehemaligen Mandataren – christlich-sozialen wie sozialdemo­kratischen – in Präventivhaft. Sein Urgroßvater war Jude.

Dass ich heute vor Ihnen stehen und zu Ihnen sprechen kann, verdanke ich seinem Ansehen bei der Linzer Bevölkerung und der Sympathie, und das verdanke ich Akten der Menschlichkeit eines Polizeibeamten und des von den Nazis eingesetzten Linzer Oberbürgermeisters Langoth, der bei Kaltenbrunner in Berlin die Freilassung meines Ur­großvaters erwirkte. Der in Oberösterreich machthabende Gauleiter Eigruber hatte der Familie meines Urgroßvaters schon vielsagend dessen gesunde Gartenarbeit in Dachau avisiert.

Dass ich also heute hier stehen und zu Ihnen sprechen kann, verdanke ich Regungen der Menschlichkeit und des Anstandes, die manchen damals vielleicht als unvernünftig erscheinen mochten. Viele Zehntausende, Hunderttausende gibt es nicht, weil es ihre Eltern nie gab, weil ihre Großeltern oder ihre Urgroßeltern ermordet wurden.

Lassen Sie uns nie vergessen, dass Menschlichkeit nicht relativierbar ist und nicht ver­handelbar sein darf! (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Lassen Sie uns immer den Anfängen der Verrohung und der Entmenschlichung wehren! Daran erinnert dieser Gedenkstein, um den es heute geht, vor dem Geburtshaus Adolf Hitlers, und daran soll er noch viele Generationen nach uns erinnern. – Danke schön. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)

21.54

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Mag. Hannes Amesbauer. – Bitte, Herr Abgeordneter.