17.47

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie­be Zuseher! Leider gibt es in der Moral wie in der Religion viele Heuchler. – Das wusste schon der Philosoph Helvétius im 18. Jahrhundert. Das kommt auch bei der Bürgerinitia­tive „Freiheit für Julian Assange“ zum Ausdruck.

In puncto Heuchelei spielt sich gerade vor unseren Augen ein unwürdiges Schauspiel ab.

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Wir verwenden dieses Wort nicht. Wir haben uns auch darauf geeinigt, Zitate nicht zu verwenden, in denen Wörter wie Heuch­ler und Heuchelei vorkommen. Das heißt, ich ersuche Sie, das zurückzunehmen, und Sie können in Ihrer Rede fortfahren.

Abgeordneter Robert Laimer (fortsetzend): Sprechen wir von Doppelmoral oder Dop­pelbödigkeit!

Es geht um zwei prominente Regimekritiker. Der eine hat es sich zur Aufgabe gemacht, die schwersten Kriegsverbrechen der USA aufzudecken, der andere versucht sich an der Korruptionsbekämpfung in Russland. Doch während der eine, namentlich Alexei Na­walny, nach einem Giftanschlag, dessen Urheberschaft bis dato nicht eindeutig nachge­wiesen werden konnte, wie ein hochkarätiger Staatsgast hofiert wird, wird der andere, namentlich Julian Assange, wie der Teufel höchstpersönlich behandelt.

Skandalöse Haftbedingungen, eine äußerst zweifelhafte Anklage, ein konstruierter Pro­zess und die Aussicht auf Auslieferung an die Vereinigten Staaten inklusive Todesstrafe haben aus einem investigativen Journalisten und mutigen Aufdecker einen gebrochenen Mann gemacht. Seine Berichterstattung über gezielte Tötungen von Zivilisten durch Mili­tärs war seiner Gesundheit mehr als abträglich.

Diese Doppelmoral, die da an den Tag gelegt wird, ist eigentlich menschenrechtspoli­tisch schwer bedenklich.

In diesem Kontext ist auch die Rolle der Medien allgemein zu hinterfragen. Offensichtlich macht es einen großen Unterschied, in welche Richtung man seinen politischen Aktivismus lenkt. Nawalny, der seine Agenda gegen den russischen Staatspräsidenten gerichtet hat, wird in der Öffentlichkeit oft wie ein Held dargestellt. Augenscheinlich stößt sich niemand in Europa daran, dass seine politischen Inhalte teilweise dumpfer nationalistischer Pro­paganda entsprechen – Hauptsache, er bedient das Feindbild Putin, denn dann ist ihm der Beifall gewiss.

Anders ist es bei Assange: Er hat seinen Fokus auf die Machenschaften von Banken, von korrupten Politikerclans, von Scientology, von Geheimdiensten und dem US-Militär gelegt – allesamt schwergewichtige Gegner. Mit Wikileaks ist es ihm gelungen, eine Ent­hüllungsplattform zu etablieren, aber im Gegensatz zu Nawalny ist Assange der Bad Boy, dem man nach dem Leben trachtet. Er hat sich die USA zum Feind gemacht, und das war sein großer Fehler.

Es ist höchst an der Zeit, dass wir die Stimme erheben, Anstand zeigen und dieser Dop­pelmoral ein Ende bereiten. Es geht um mehr als das Schicksal eines couragierten Journalisten. Es geht um Menschenrechte, es geht um Pressefreiheit, es geht um Demo­kratie, und es geht auch um Rechtsstaatlichkeit. Wenn diese Werte für uns von Bedeu­tung sind, dann müssen wir hier und heute ein Zeichen setzen. Nehmen wir die Bür­gerinitiative „Freiheit für Julian Assange – Keine politischen Gefangenen in Europa“ zum Anlass und stellen wir uns auf die Seite der Menschenrechte! Fordern wir gemeinsam die Freilassung eines politisch motiviert Inhaftierten, der sich der Wahrheitsfindung ver­schrieben hat!

Vom Innenminister, vom Außenminister und vom Bundeskanzler verlange ich in dieser Angelegenheit ebenfalls klare Worte. Ein Wegducken, wie es in der Stellungnahme des Außenministeriums zur Bürgerinitiative der Fall ist, ist wie ein Fußtritt gegen Freiheit und Menschenrechte. Nicht einmal Stellung zu beziehen, wie es der Innenminister gehand­habt hat, ist ohnehin zynisch und despektierlich. Setzen wir der Doppelmoral ein Ende! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.51

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Minnich. – Bitte.