Ansprache des Präsidenten aus Anlass des Terroranschlags in Wien

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der feige und hinterhältige Terroranschlag in der Wiener Innenstadt hat uns alle ins Mark getroffen. Viele von uns haben es nicht für mög­lich gehalten, dass der islamistische Terror bis zu unserer Haustüre vordringen kann. Lange liegen blutige Attentate in Wien schon zurück. In diesen schweren Stunden gilt unser aller Mitgefühl, unsere Anteilnahme vor allen den Opfern und deren Angehörigen. Mit der Willkür der Auswahl der Opfer wollte der Attentäter unsere Gesellschaft als Ganzes treffen. Das war ein geplanter Angriff auf unsere freie Gesellschaft, unsere Werte, unsere Lebensart, auf unsere Demokratie.

Wir dürfen und wir werden aber sicherlich nicht zulassen, dass der Hass unsere Ge­sellschaft spaltet. Österreich ist gerade seit 75 Jahren eine gewachsene, eine gefestigte, eine offene, eine liberale und durch alle Gesellschaftsschichten gehende Demokratie. Diese unsere Demokratie werden wir mit allen gebotenen Mitteln verteidigen, und wir alle sind stärker als Hass und Terror, und wir werden und dürfen niemals den Weg der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Wer glaubt, uns einschüchtern zu können, der irrt. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte.

So sehr sich die Bilder dieses Grauens auch in unser Gedächtnis eingebrannt haben, so sehr sollten wir doch stets in Erinnerung behalten, wie groß der überwältigende Zusam­menhalt unserer Gesellschaft in jenen Stunden war und unmittelbar spürbar und sichtbar wurde – sei es bei den Einsatzkräften, die sich dem Attentäter, ohne zu zögern, mutig in den Weg gestellt haben und trotz der lebensbedrohlichen und unübersichtlichen Situ­ation aus allen Bundesländern auf dem schnellsten Weg nach Wien gekommen sind, um ihre Kollegen zu unterstützen; sei es bei jenen Betreibern von Hotels und Gaststätten, die die Türen nicht zugesperrt haben, sondern den Menschen Schutz gewährt haben; sei es bei den Passanten, die unter größter Lebensgefahr die Opfer versorgt und damit selbstlos ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben, um das ihrer Mitmenschen zu retten.

Wir dürfen zu Recht stolz auf dieses Land und seine Menschen sein – und ich bin stolz auf dieses Land und seine Menschen. Ich bin auch stolz darauf, dass alle politischen Verantwortungsträger und auch alle Menschen, die im gesellschaftlichen Leben entscheidende Positionen einnehmen, das Gemeinsame vor das Trennende gestellt haben.

Ich bin dankbar dafür, dass Österreich auf allen Ebenen so viel an internationaler Unter­stützung erhielt, wie sie auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble in einem Schreiben an uns alle zum Ausdruck bringen wollte. Es gehe darum, „nachdrücklich“ auf eine „Intensivierung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in der Europäischen Union zu drängen, um [...] noch entschiedener den fanatischen Feinden unserer Art zu leben entgegentreten zu können“ – so Wolfgang Schäuble in seinem langen Schreiben.

Daher appelliere ich: Wählen wir in den kommenden Diskussionen unsere Worte mit Sorgfalt und Bedachtsamkeit, nicht weil wir den politischen Mitbewerber verschonen, sondern weil wir uns als gewählte Volksvertreter stets im Klaren sein müssen, dass heute auch jene zusehen, die es nicht gut mit unserer freien Gesellschaft meinen! Selbstverständlich braucht es eine umfassende, sorgsame und Bedacht nehmende Aufarbeitung aller Umstände. Doch bei jedem Verständnis für eine zugespitzte Rhetorik appelliere ich an Sie alle, durch Ihre öffentlichen Äußerungen die Menschen nicht zusätzlich zu verunsichern und die Sicherheit Österreichs in dieser heiklen Situation nicht zu gefährden – schließlich haben wir alle einen Eid auf unsere Gesetze abgelegt. Nicht die Hetze bringt uns weiter, sondern das Gemeinsame. Der gemeinsame Geist soll diese Taten in Zukunft bestmöglich verhindern.

Ich darf Sie bitten, sich zu erheben und der Opfer der terroristischen Verbrechen von Paris, Nizza und Wien zu gedenken. (Die Anwesenden erheben sich von ihren Sitz­plätzen und verharren einige Zeit in stiller Trauer.)  Ich danke Ihnen. (Die Anwesenden nehmen ihre Sitzplätze wieder ein.)