11.37

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Unterstützung der Lehre – selbstverständlich! Lehre mit Matura ist ein freiheitliches Projekt, wir unterstützen das natürlich, das ist etwas ganz Wichtiges, aber der vorliegende Antrag, Frau Minister, ist an Substanzlosigkeit nicht zu überbieten. Sie fordern sich als Bundesregierung selbst auf, „die Möglichkeit zur Schaf­fung von Lehrberufen mit Schwerpunkt in der digitalen Fertigung zu prüfen und bei positi­ver Prüfung einen Prozess zur Umsetzung der Schaffung von Lehrberufen mit Schwer­punkt in der digitalen Fertigung zu initiieren“.

Sie fordern sich auf, etwas zu prüfen. Sie selbst erklären seit Monaten den Unternehme­rinnen und Unternehmern, wie wichtig die Digitalisierung ist, welche Chancen die Digitali­sierung bietet. Sie erklären sogar denen, die den Job verloren haben, dass sie sich in Richtung Digitalisierung wenden sollen und dadurch wieder einen Job bekommen könn­ten – und selbst geben Sie sich den Auftrag, etwas zu prüfen! Ist Ihnen das in der mo­mentanen Situation, in der Tausende Lehrstellen in Österreich fehlen, nicht peinlich, zu prüfen, ob man vielleicht einen neuen Lehrberuf einführen kann? Das wird den Lehrlin­gen und den Lehrstellensuchenden überhaupt nicht helfen, Frau Minister! (Beifall der Abgeordneten Martin Graf und Mühlberghuber.)

Wenn Sie wirklich etwas Konkretes für die Lehrlinge und vor allem auch für die Lehrbe­triebe tun wollen, dann schaffen Sie endlich die Vorschriften und den Auflagenwust für die Lehrbetriebe ab. Heute muss ja jeder Lehrherr den ganzen Tag neben dem Lehrling stehen, damit dieser sich nicht mit dem Hammer auf den Finger klopft, wenn er einen Nagel ins Brett schlägt, und deshalb nehmen heute viele Betriebe keine Lehrlinge mehr auf. Das sind die Probleme, die die Betriebe haben, und Sie sollten eher in diese Rich­tung etwas unternehmen.

Wenn Sie die Lehrlinge in Österreich wirklich unterstützen und die Lehrberufe wirklich fördern möchten – wir haben den Antrag dazu schon mehrfach eingebracht –, dann füh­ren Sie den Blum-Bonus wieder ein. Der Blum-Bonus hat in den Jahren 2004 bis 2008 zusätzlich 2 500 Lehrplätze geschaffen. Das war eine Maßnahme, die wirklich gewirkt hat und die sinnvoll wäre.

Ich stelle deshalb noch einmal den Antrag, dass den Betrieben im ersten, im zweiten und im dritten Lehrjahr jeweils monatlich eine Unterstützung – im ersten Lehrjahr 400 Euro pro Monat, im zweiten Lehrjahr 200 Euro pro Monat und im dritten Lehrjahr 100 Euro pro Monat – zur Verfügung gestellt wird. Das würde wirklich Lehrstellen schaf­fen und den Lehrlingen helfen.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Lehrstellen schaffen durch Einführung des Blum-Bonus-Corona“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der das Fördermodell ,Blum-Bonus-Corona‘, welches einen monatlichen Zu­schuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

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Frau Minister, bitte nicht prüfen – handeln! (Beifall bei der FPÖ.)

11.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Erwin Angerer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Lehrstellen schaffen durch Einführung des Blum-Bonus-Corona

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 10: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 883/A(E) der Abgeordneten Martina Kauf­mann, MMSc BA, Süleyman Zorba, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Lehrausbildung mit Schwerpunkt in der digitalen Fertigung (421d.B.)in der 64. Sit­zung des Nationalrates am 20. November 2020

„(…) Es bleibt zu befürchten, dass im Sommer/Herbst 2020 durch den krisenbedingt verringerten Fachkräftebedarf und den erhöhten Kostendruck vieler Unternehmen auch Auswirkungen auf das Lehrstellenangebot sichtbar werden könnten.“ Diese im Bericht zur Situation der Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung in Österreich 2018-2019 zum Ausdruck gebrachte Befürchtung hat sich mittlerweile in Anbetracht der Zahlen be­stätigt.

„August-Arbeitslose - Größere Lehrstellenlücke und weniger freie Jobs -

Die Lage für Arbeitslose und angehende Lehrlinge blieb auch im August schwierig. So gibt es mehr Lehrstellensuchende als angebotene Lehrstellen, es fehlen 2.822 Lehrstel­len. Die Lehrstellenlücke hat sich durch die Coronakrise deutlich erhöht. Den 10.483 so­fort verfügbaren Lehrstellensuchenden (ohne überbetriebliche Lehrausbildung) standen 7.661 sofort verfügbare Lehrstellen gegenüber.“ APA0260 01.Sep 2020

Besonders dramatisch ist die Situation in Wien: Hier lässt sich die größte Veränderung in der Stadt Wien feststellen, wo es im Juni 2020 ein um 41,2 Prozent geringeres Lehr­stellenangebot gab als im Juni des Vorjahres. (Wiener Zeitung, 06. August 2020)

Laut einer Market-Studie vom Mai dieses Jahres wird es im kommenden Herbst einen eklatanten Lehrstellenmangel geben.

„In Summe dürften das rund 10.000 Ausbildungsplätze weniger sein, als noch vor der Coronavirus-Krise geplant war“, so Studienautor David Pfarrhofer. Besonders betroffen sei dabei der Handel mit rund 3.500 Lehrstellen, der Bereich Gewerbe und Handwerk mit 3.000 und der Tourismus mit rund 2.000 Lehrstellen, die nicht besetzt würden.

Jeder dritte Betrieb, der im heurigen Herbst keine Lehrlinge einstellt, plant laut Umfrage, auch im nächsten Jahr keine Lehrlinge aufzunehmen. „Dies würde einen massiven Schaden für die duale Ausbildung bedeuten,“ so Pfarrhofer. https://ooe.orf.at/stories/3048849/ 16.05.2020

Der beschlossene Lehrlingsbonus, wird aber das vorherrschende Problem nicht lösen können und ist – so Egon Blum in der von ihm kürzlich verfassten Lehrlingsbroschüre „Corona Bonus“ – „lediglich eine Anerkennung für all jene Unternehmen, die sich zum Teil über Jahrzehnte für eine optimale berufliche Qualifikation unserer Jugend mit hohem Engagement bemühen.“ In Zusammenhang mit der oben zitierten Market-Studie, wo­nach im Herbst bis zu 10.000 Ausbildungsplätze fehlen könnten, stellt Blum fest, dass „es aus seiner Sicht und Erfahrung realitätsfremd sei, diese Megaproblematik mit einer Prämie von 2.000 oder 3.000 Euro lösen zu wollen.“

Ein Unternehmen investiert allein im ersten Lehrjahr pro Lehrling im Schnitt 19.739 Euro, im dritten bereits rund 26.500 Euro.

Eine Lehrlingsförderung zur Schaffung und zum Erhalt von Lehrplätzen, die dem tat­sächlichen Stellenwert der Lehre für den Wirtschaftsstandort Österreich entspricht und die die Unternehmen, die sich den aktuellen Herausforderungen stellen, auch eine finan­zielle Wertschätzung für ihr Engagement Fachkräfte auszubilden, entgegenbringt, ist da­her ein Gebot der Stunde.

Aus diesem Grund fordern die unterfertigten Abgeordneten die Umsetzung des nachste­hend dargelegten Fördermodells von Egon Blum:

Fördervorschlag „Blum-Bonus-Corona mit Erfolgspotential 400/200/100 für alle Erstjahr­lehrlinge im Jahre 2020 (nicht nur für zusätzliche Lehrstellen).

Das erfolgreiche Lehrstellenfördermodell Blum-Bonus Modell 1, mit dem zwischen 2004 und 2008 über 12.500 zusätzliche betriebliche Lehrstellen geschaffen werden konnten, kann, bezogen auf die Förderphilosophie, auch zur Bewältigung der Corona Herausfor­derung erfolgreich angewendet werden, indem alle Lehrlinge des ersten Lehrjahres be­rücksichtigt werden und nicht nur die zusätzlichen Lehrlinge.

Rechnung:

- € 400,00 pro Monat 14x im ersten Lehrjahr € 5.600, --

- € 200,00 pro Monat 14x im zweiten Lehrjahr € 2.800,--

- € 100,00 pro Monat im dritten Lehrjahr € 1.400,--

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auch Bundesministerin Magarete Schramböck Überlegungen in Richtung eines Blum-Bonus anstellt, wenn sie kürzlich in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten vom 18.01.2020 mitteilte, dass „wir prüfen, welche Anreize wir schaffen können und welche Strukturen Unternehmen brau­chen, um mehr Lehrlinge auszubilden. Da wollen wir den Blum-Bonus als Input mitneh­men,“ stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, mit der das Fördermodell „Blum-Bonus-Corona“, welches einen monatlichen Zu­schuss für die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge garantiert, eingeführt wird.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Elisabeth Götze. – Bitte.