10.02

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Mir fehlen langsam wirklich die Worte zu dem, was die ÖVP heute hier aufführt. Das kann man niemandem mehr erklären, das ist ja ein Trauerspiel.

Wir hören, dass wir mitten in der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren sind und die Menschen andere Sorgen haben – ja, das stimmt –, und das zweite Mal innerhalb ei­nes halben Jahres verpfuscht die Regierung einen Budgetbeschluss. (Ruf bei der ÖVP: Na, geh bitte!) Sie ist unfähig, ein Budget, bei dem es um die Zukunft von Menschen in Österreich geht, ordentlich auf die Reihe zu bringen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Angerer.)

Und die einzige Ausrede der ÖVP in Richtung Gernot Blümel ist, dass man gerade so tut und sagt: Das ist halt der Gernot, der kann es halt nicht besser! Er schafft es halt nicht, die Nullen irgendwie richtig ins Budget einzufügen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Was ist denn das für eine Ausrede? Da geht es um Menschenleben und um ein ordent­liches Budget, und da vergisst man jetzt wiederum eine Unterschrift, ist nicht in der Lage, das Budget zu beschließen, und dann heißt es, das ist ein Formalfehler. (Neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP.)

Über all das kann man diskutieren, aber der Punkt ist: Wenn man immer wieder warnt und draufkommt, dass Fehler passieren, dann frage ich mich, warum diese Fehler wie­derholt werden. Das Schlimmste für mich ist, dass man in der größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren allen Ernstes auf die Finanzierung unserer Krankenhäuser und der Ge­sundheitskasse vergessen hat. Eine halbe Milliarde Euro fehlt nächstes Jahr im Budget – eine halbe Milliarde Euro fehlt! (Beifall bei der SPÖ.)

In jeder Sonntagsrede erzählt uns die ÖVP, wie wichtig der Gesundheitsbereich, ein starkes öffentliches Gesundheitssystem ist, und dann glaubt Gernot Blümel allen Erns­tes, dass die Leute gerade nichts anderes zu tun haben, als stundenlang mit ihm da herumzusitzen und über ein Budget zu philosophieren.

Eine halbe Milliarde Euro fehlt, ist nicht abgesichert. Es ist eine Unverschämtheit gegen­über all den Menschen, die jetzt Tag und Nacht für uns in den Krankenhäusern unter schwierigsten Bedingungen da sind: dass wir nämlich nicht darüber reden, wie wir die Arbeitsbedingungen für alle Menschen besser machen können – für bessere Arbeitsbe­dingungen für die Pflege ist nichts vorgesehen. Was machen wir denn mit chronisch kranken Menschen in Österreich? Was ist mit der Psychotherapie auf Krankenschein? – Ich glaube, es würden uns allen ganz, ganz viele Dinge einfallen, die wir verbessern könnten. Über all das reden wir heute aber nicht, nein, wir reden unter Umständen über Einsparungen im Gesundheitsbereich, über Selbstbehalte und über Krankenhausschlie­ßungen. Das ist die Grundlage, die dieses Budget liefert.

Man kann sagen, es ist ein Zufall, Gernot Blümel weiß es nicht besser, es fehlt halt eine halbe Milliarde Euro, aber ich sage euch ehrlich: Wer das Wahlprogramm der ÖVP kennt, weiß, dass das kein Zufall ist. Jahrelang waren es die ÖVP und die Wirtschafts­kammer, die uns doch immer erklärt haben: Es gibt viel zu viele Betten, das gehört alles privatisiert, im Gesundheitsbereich muss man einsparen. Das war jahrelang die Position der ÖVP.

Mitten in der Krise seid ihr nun draufgekommen und habt gesagt: Sebastian, die Kran­kenhäuser jetzt zu schließen und zu privatisieren, das ist deppert, wir haben zwar 50 000 Euro Großspenden aus dem Bereich der Schönheitskliniken kassiert, aber das kann man doch jetzt nicht so offen machen! – Also ist der neue Zugang der ÖVP, dass man einfach ein Batzenminus bereitstellt, damit die Gesundheitskasse das Geld nicht hat, sodass Herr Blümel nächstes Jahr sagen wird: Ja, dann müsst ihr halt einsparen!, und dann reden wir nicht über gleich gute Leistungen, dann reden wir nicht darüber, dass vom Neusiedler See bis zum Bodensee, vom Fliesenleger bis zur Lehrerin alle gleich gute Leistungen bekommen. Das wäre doch mitten in der Krise die Aufgabe, aber in dem Bereich passiert gar nichts! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Rauch.)

Wann, wenn nicht jetzt, hätten wir alle miteinander die Möglichkeit, diesen Murks, den die ÖVP angerichtet hat, zu reparieren? Ich bitte dich wirklich, Gernot Blümel: Du hast die halbe Milliarde Euro übersehen – das darf nicht passieren, das ist dir wieder einmal passiert –, und wir hätten nun die Chance, das Ganze zu reparieren. Ich bitte wirklich darum, dass wir es miteinander heute noch auf die Reihe bringen.

Ich darf daher abschließend noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Hilfspaket für das österreichische Gesundheitssystem“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein Hilfspaket für das öffentliche Ge­sundheitswesen vorzusehen. Insbesondere müssen die pandemiebedingten Verluste in der Spitalsfinanzierung sowie in der Krankenversicherung ausgeglichen werden, damit es für die Versicherten zu keinen Leistungseinschränkungen, neuen Selbstbehalten, Beitragserhöhungen oder gar Privatisierungen kommt.

Zusätzlich muss die von Bundeskanzler Kurz versprochene Gesundheitsmilliarde (200 Mil­lionen Euro für fünf Jahre) ausgeschüttet werden, um damit die pandemiebedingten ge­sundheitlichen Nachwirkungen rasch in den Griff zu bekommen und einen Leistungs­ausbau zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten zu ermöglichen.“

*****

Das heißt, ein guter Weg wäre, nicht mitten in der Krise eine halbe Milliarde Euro auf Kosten kranker Menschen einzusparen, sondern Geld in die Hand zu nehmen, damit alle Menschen in Österreich die bestmögliche Gesundheitsversorgung kriegen.

Lieber Herr Finanzminister, du hast einmal sechs Nullen und jetzt das Gesundheitsbud­get vergessen. Bitte reparier diesen Fehler! Schauen wir, dass wir auch wirklich ein gutes Budget beschließen können! (Beifall bei der SPÖ.)

10.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Genossinnen und Genossen

betreffend Hilfspaket für das österreichische Gesundheitssystem

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (484 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesfinanzrahmengesetz 2021 bis 2024 erlassen wird – BFRG 2021-2024 (485 d.B.)

Die COVID-19-Pandemie führt(e) zu einer weltweiten Wirtschaftskrise, wobei die mittel- bis langfristigen Folgen noch nicht absehbar sind. Mit dem massiven Einbruch der Wirtschaftsleistung ab dem 2. Quartal 2020 und dem damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit, erfolgte auch ein Einbruch der Steuereinnahmen sowie der Sozialver­sicherungsbeiträge. Aus diesen Mitteln werden aber die öffentlichen und privaten ge­meinnützigen Krankenanstalten finanziert. Der Einnahmenausfall stellt die Spitalsbetrei­ber vor gravierende Finanzierungsprobleme.

Die Mittel der Krankenversicherung für die Spitalsfinanzierung orientieren sich an den KV-Beitragseinnahmen (und nicht am Aufwand der Krankenanstalten). Die KV-Bei­tragseinnahmen nehmen 2020 krisenbedingt nicht wie erwartet um 4,3 %, sondern nur um max. 1,1% zu – und das auch nur, wenn die derzeit gestundeten SV-Beiträge auch tatsächlich bezahlt werden! D.h. die SV-Zahlungen für die Spitalsfinanzierung werden 2020 um bis zu 180 Mio. Euro niedriger als erwartet ausfallen, die Landesgesundheits­fonds müssen diesen Betrag 2021 refundieren bzw. gegenverrechnen. Auch über 2021 hinaus ist mit einem deutlich niedrigeren SV-Aufkommen als erwartet zu rechnen.

Die steuerabhängigen Zahlungen des Bundes für die Krankenanstaltenfinanzierung sinken dramatisch. Die Zahlungen des Bundes bzw. der Bundesgesundheitsagentur für die Krankenanstaltenfinanzierung liegen lt. Voranschlag des Bundes für 2021 um130 Mio. Euro unter dem 2020 vorgesehenen Wert. Die in der 15a-Vereinbarung zur Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens (der zwischen Bund und Ländern geschlos­senen Finanzierungsvereinbarung) für die Krankenanstaltenfinanzierung reservierten Umsatzsteueranteile der Länder und Gemeinden sinken um 40 Mio. Euro. Insgesamt fehlen somit 170 Mio. Euro aus Steuermitteln für die Krankenanstaltenfinanzierung.

Die COVID-Krise führt in den Krankenanstalten zu massiven Mehraufwendungen. Ne­ben den unmittelbaren Kosten für die Behandlung der COVID-PatientInnen gibt es Kos­ten für Schutzausrüstung, Testkosten für PatientInnen und MitarbeiterInnen, Kosten für Eingangstriage und zusätzlichen Personalaufwand etc.

Den steigenden Verlusten der Krankenanstalten stehen massiv sinkende Einnahmen von Ländern und Gemeinden gegenüber. Die Mindereinnahmen bzw. Mehrkosten füh­ren zu deutlich steigenden Verlusten der Krankenanstalten, die von den Ländern- und Gemeinden aufgefangen werden. Die Länder und Gemeinden stehen aber COVID-be­dingt selbst vor massiven Finanzierungslücken. Die Ertragsanteile der Länder und Ge­meinden aus dem Finanzausgleich werden 2021 um beinahe 4. Mrd. Euro unter dem 2020 veranschlagten Wert liegen.

Aufgrund der gestiegenen Arbeitslosigkeit fehlen auch der Krankenversicherung für 2020 rund 200 Mio. Euro wegen geringerer Beitragseinnahmen. Noch größer ist die Un­sicherheit in Bezug auf die gesetzlich durchgeführten Beitragsstundungen für die Be­triebe. Gestundete Beiträge sind solange kein Problem, solange damit zu rechnen ist, dass diese auch irgendwann geleistet werden. Wenn aber durch viele Insolvenzen, diese gestundeten Beiträge nicht mehr geleistet werden können und abgeschrieben werden müssen, bekommt die ÖGK ein wirklich großes Problem. Derzeit sind rund 1,8 Milliarden Euro Beiträge gestundet. Das bedeutet für die ÖGK ein Minus von rund 340 Mio. Euro. Im Budgetrahmen 2021 bis 2024 ist keinerlei Ersatz für diese Verluste vorgesehen.

Ein Hilfspaket des Bundes für das österreichische Gesundheitssystem ist daher uner­lässlich. Das Hilfspaket muss dabei neben der Sozialversicherung und dem niedergelas­senen Bereich auch die Auswirkungen der COVID-Pandemie auf die öffentlichen und gemeinnützigen Spitalsbetreiber berücksichtigen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein Hilfspaket für das öffentliche Ge­sundheitswesen vorzusehen. Insbesondere müssen die pandemiebedingten Verluste in der Spitalsfinanzierung sowie in der Krankenversicherung ausgeglichen werden, damit es für die Versicherten zu keinen Leistungseinschränkungen, neuen Selbstbehalten, Beitragserhöhungen oder gar Privatisierungen kommt.

Zusätzlich muss die von Bundeskanzler Kurz versprochene Gesundheitsmilliarde (200 Mil­lionen Euro für fünf Jahre) ausgeschüttet werden, um damit die pandemiebedingten ge­sundheitlichen Nachwirkungen rasch in den Griff zu bekommen und einen Leistungs­ausbau zur Verbesserung der Versorgung der Versicherten zu ermöglichen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schallmeiner. – Bitte. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Der sich zum Rednerpult begebende Abg. Schnedlitz kehrt zu seinem Platz zurück. – Abg. Rauch: Herr Präsident, es ist nicht so einfach! ... Verwirrung!) – Es geht immer abwechselnd pro und contra, sollte das noch nicht bekannt sein.