10.24

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Werte Zuseherinnen und Zu­seher! Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, ich finde es ein bisschen traurig, dass der Herr Finanzminister es vorzieht, an seiner eigenen Budgetdebatte nicht teilzuneh­men. Danke, er kommt schon. Das freut mich sehr, denn ich habe natürlich ein paar Fragen an ihn, ausgehend von der Pressekonferenz, die er am Montag zum Thema Ge­meindefinanzen abgehalten hat.

Dort hat er unter anderem gesagt, es kann sich nicht nur der Bund verschulden, es müs­sen sich auch andere Gebietskörperschaften – eben die Gemeinden – verschulden. Als ich das gehört habe, Herr Finanzminister, habe ich mir dann – Entschuldigung – kurz die Frage gestellt: Was machen Sie eigentlich beruflich? Denn dass man als Finanzminister so wenig über die Finanzgebarung dieser Republik weiß und solche Aussagen tätigt, finde ich ein Stück weit erschütternd. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Finanzminister, wissen Sie nicht, dass sich Gemeinden und Städte gar nicht ver­schulden dürfen? (Abg. Hanger: Wo ist jetzt das Problem?! Ich verstehe ...!) – Ich kom­me dann schon noch auf das zurück, was das eigentliche Problem ist. Wissen Sie nicht, dass für die Verschuldung von Gemeinden die Gemeindeaufsicht in jeder einzelnen Lan­desregierung zuständig ist und dem zustimmen muss? Die Entscheidung, ob sie zu­stimmt oder nicht, ist die Frage der freien Finanzspitze. (Beifall bei der SPÖ.)

Es bedeutet: Ist die Gemeinde überhaupt in der Lage, einen Kredit, den sie aufnimmt, zu tilgen? Das hat natürlich einen guten Grund, der lautet: Wer in dieser Republik hat die Steuerhoheit? – Die Steuerhoheit haben nicht die Gemeinden, die Steuerhoheit hat der Bund. Sie entscheiden, wie hoch die Mehrwertsteuer ist; Sie entscheiden, wie hoch die Lohnsteuer ist; Sie entscheiden, ob es eine Reichensteuer gibt oder nicht; Sie ent­scheiden, wie hoch die Körperschaftsteuer ist. Sie entscheiden zum Beispiel auch, ob Amazon genauso wie alle anderen Handelsbetriebe behandelt wird und ob sie genauso Steuern zahlen. Dann hätten Sie mit einem Schlag 300 bis 350 Millionen Euro mehr im Budget. Stattdessen sagen Sie den Gemeinden, sie sollen sich verschulden. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie entscheiden sogar über die Steuern, die die Gemeinden einheben: Kommunalsteuer und Grundsteuer heben die Gemeinden ein. Wie hoch der Steuersatz ist, entscheiden Sie, es ist die Steuerkompetenz des Bundes. Welches Kreditinstitut wird denn zu einer Gemeinde gehen und sagen: Na selbstverständlich, wir geben euch gerne einen Kredit, weil wir wissen, dass ihr ihn nicht tilgen könnt! – Da wird es einen Aufmarsch der ein­zelnen Banken auf dem Rathausplatz geben, und du wirst dich als Bürgermeister gar nicht erwehren können.

Deshalb gibt es für Gemeinden, wenn sie sich den Kredit nicht leisten können, nur drei Möglichkeiten, wie sie das Problem lösen. Sie können privatisieren, deshalb die konkrete Frage, Herr Finanzminister: Wollen Sie, dass Gemeinden hinkünftig privatisieren? Wol­len Sie, dass die Gemeinden ihre Wohnungen verkaufen? Wollen Sie, dass die Gemein­den die Kanalisation verkaufen? Hat vielleicht Herr Benko gesagt, er hätte noch ein biss­chen Gusto, er hätte gerne in seinem Portfolio noch ein paar Gemeindewohnungen? Ist das Ihr Ziel, Herr Finanzminister? (Beifall bei der SPÖ.)

Die zweite Möglichkeit sind Leistungskürzungen: Wollen Sie, dass hinkünftig die Ge­meinden hergehen und sagen, sie machen nur mehr das verpflichtende Kindergarten­jahr, das ist das einzige, das sie machen müssen, den übrigen Kindergarten drehen sie zu, sie machen in den Schulen keine Nachmittagsbetreuung mehr, sie sperren Schwimm­bad, Hallenbad, Eislaufplatz und Sporthallen gar nicht mehr auf, denn es ist besser, leichter und finanzierbarer für sie, sie nicht aufzusperren, als dass sie jemand besucht, was teurer für sie ist?

Oder wollen Sie vielleicht – denn das ist die einzige Möglichkeit, die Gemeinden haben, wenn sie diese Kredite tilgen sollen –, dass sie hinkünftig Gebühren erhöhen? – Dann sagen Sie es wenigstens auch. Wollen Sie, dass die Menschen hinkünftig mehr für das Wasser zahlen, weil Sie in Wirklichkeit Ihre Arbeit nicht machen? Wollen Sie, dass die Gemeinden hinkünftig höhere Kanalgebühren zahlen? Wollen Sie, dass die Bürgerinnen und Bürger hinkünftig höhere Müllgebühren, Gebühren für Bestattung, Friedhofsgebüh­ren, höhere Beiträge für Kinderbetreuung zahlen? Ist das Ihr Ziel, Herr Finanzminister, wenn Sie sagen, Sie wollen die Gemeinden entschulden?

Ich komme zum Schluss, denn die Redezeit ist leider schon vorbei. Vor zwei Tagen hat der Wiener Gemeinderat mit allen Stimmen ausgenommen jenen Ihrer Partei beschlos­sen: Die Gemeinden brauchen Hilfen.

Übrigens, an die Adresse der Grünen und der NEOS: Es wäre Zeit, euch in eurem Ab­stimmungsverhalten an das anzupassen, was eure Landesparteien in Wien schon ge­macht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweite Anmerkung: Der Gemeindebund ist nicht als sozialdemokratische Vorfeldorgani­sation bekannt. Da sitzen eure ÖVP-Bürgermeister drinnen, die alle angeblich kein Pro­blem mit all dem haben. Sie haben vor 14 Tagen einstimmig beschlossen, dass es eine 100-prozentige Abgeltung der ausgefallenen Einnahmen für die Gemeinden braucht. (Abg. Hanger: Bist du Bundesabgeordneter oder Gemeindeabgeordneter?!) Der Städte­bund – da sitzen zum Beispiel Herr Nagl, ÖVP-Bürgermeister von Graz, Herr Willi, Grü­nen-Bürgermeister von Innsbruck drinnen – hat vor 14 Tagen einstimmig beschlossen: Die Gemeinden brauchen eine 100-prozentige Abgeltung des Einnahmenausfalls. Es wird Zeit, Herr Finanzminister, für ein Stück mehr Ernsthaftigkeit, es wird Zeit, dass Sie endlich beginnen, Ihre Arbeit zu machen (Zwischenrufe der Abgeordneten Haubner und Gabriela Schwarz – Abg. Steinacker: Bundes- oder Gemeindeabgeordneter?), und es wird Zeit, dass Sie aufhören, uns Ratschläge zu geben, denn Ratschläge sind auch Schläge. – Danke schön. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

10.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kasseg­ger. – Bitte.