9.47

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister Edtstadler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Vizekanzler, wir alle haben Ihnen gut zugehört. Ich meine, Sie stellen sich hierher, schwurbeln etwas von Steinzeit, klopfen hier Sprüche. Das, und ich gebe Frau Klubobfrau Rendi-Wagner da völlig recht, zeugt von Hochmut, Herr Vizekanzler. (Zwischenrufe der Abgeordneten Obernosterer und Steinacker.) Sie wissen schon, worum es hier geht?! – Es geht um die Zukunft unserer Kinder, es geht darum, ob unsere Kinder eine Bildung erhalten, eine Ausbildung erhal­ten, es geht darum, ob unsere Kinder sich eine Existenz aufbauen können, es geht darum, dass sie ein soziales Leben führen können, dass sie Freundschaften begründen können, dass sie Familien gründen können, und es geht darum, dass sie den Schulden­berg von heute abbauen. Und Sie, Herr Vizekanzler, stehen dann hier und reden, wenn es um die Zukunft unserer Kinder geht, davon, dass wir irgendwelche Steine durch die Gegend und durch die Zeit wälzen, und Sie sagen dann noch dazu: Schauen wir einmal! – Das war nämlich der wörtliche Ausdruck: Schauen wir einmal! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist der Ausdruck der puren Hilflosigkeit.

Ich werfe Ihnen, Herr Vizekanzler, und auch Ihrer Regierung nicht vor, dass Sie im Frühjahr dieses Jahres die gesamte Bevölkerung in Quarantäne geschickt haben, dass die Wirtschaft zum Erliegen gekommen ist, dass das soziale Gefüge völlig aus den Fugen geraten ist. Was ich Ihnen aufgrund Ihrer Ausführungen aber vorwerfe, Herr Vize­kanzler, ist die Tatsache, dass Sie diese Situation offensichtlich gar nicht so ernst nehmen und so dramatisch sehen, wie sie tatsächlich ist. Ich werfe Ihnen auch vor, dass Sie seit März dieses Jahres nicht an einer strategischen Lösung der Probleme, unserer Probleme, gearbeitet haben. Sie befinden sich mit Ihrer Regierung auf einer Irrfahrt, und Sie sind bis heute ohne geeignetes Kartenmaterial, sozusagen ohne Sextant, planlos durch den Nebel der Coronapandemie gesegelt.

Spätestens zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns, spätestens im März, Herr Vizekanzler, hätten Sie daran arbeiten müssen, hätten Sie damit beginnen müssen, an einer lang­fristigen Strategie zur Lösung der Probleme zu arbeiten. Stattdessen haben Sie immer nur reagiert. Sie haben eine Verbotskultur gefördert, Sie haben Grund- und Freiheits­rechte eingeschränkt und Sie haben eine Kommunikationskultur eingeführt, die hinter verschlossenen Türen und lediglich als Einbahnstraße von oben nach unten vonstat­tengeht. Und das ist die Kritik, die ich an Ihrer Vorgehensweise übe. Das ist kein Krisen­management, sondern es zeugt einerseits von Hilflosigkeit, es zeugt, so wie auch Klubobfrau Rendi-Wagner gesagt hat, von Hochmut, und es ist andererseits auch eine Vermessenheit, Meinungen nur dann zu hören, wenn sie in Ihrem Sinne sind. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Unsere Kinder, unsere Jugendlichen befinden sich seit beinahe zehn Monaten immer wieder in einer gesellschaftlichen und sozialen Isolation. Diese Isolation bringt größte Gefahren für unsere Jugend mit sich: Bildungsstopp, Bildungsverlust, Unsicherheit, Zukunftsängste.

Der Bundeskanzler hat diesen Herbst im Alleingang, entgegen aller Expertenmeinun­gen, auch entgegen der Meinung des Koalitionspartners, Herr Vizekanzler, die Schulen zum zweiten Mal de facto geschlossen, die Schüler, die Lehrer in ein Distancelearning geschickt; und das, obwohl nachweislich bekannt ist – und auch Sie haben das heute schon gesagt –, dass die Schulen nicht die Treiber des Infektionsgeschehens sind. Es wurde, denke ich, so wie üblich, die Verantwortung vom Herrn Bundeskanzler abge­schoben, so, wie er es immer tut, wenn etwas schiefläuft, so, wie er es auch heute tut, Herr Vizekanzler, und die Verantwortung auf Sie überträgt, die er eigentlich heute hier wahrnehmen sollte. Er hat, was die Schulschließungen betrifft, ganz einfach sprich­wörtlich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Die Entscheidung, die Schulen de facto zu schließen, war falsch, sie war ein Fehler. Sie stellt eine Zäsur im Leben unserer Kinder dar, Präsenzunterricht kann niemals durch Distancelearning ersetzt werden. Die Folgeschäden beschränken nicht nur das Bil­dungsniveau und die Berufsaussichten unserer Kinder, sondern sie stellen auch eine Last für unsere Kinder dar, die auf ihr Gemüt, auf ihre Seele und auf ihr Wesen drückt. Die Folgeschäden sind, wie wir leider sehen müssen, tiefgreifend, sie sind nachhaltig und sie sind dramatisch, wenn man bedenkt, dass sich allein der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die Angstzustände entwickeln, im Zuge der Krise mehr als vervierfacht hat.

Die Schulschließungen genauso wie die Massentests sind der Entscheidungsgewalt des Bundeskanzlers entsprungen; und was war die Folge? – Die Menschen haben es nicht verstanden; logisch eigentlich, denn wo liegt der Sinn, die Schulen zu schließen, wenn sich dort nicht das große Infektionsgeschehen abspielt. Wo liegt der Sinn, wenn Menschen in Massen getestet werden, obwohl sie gesund sind? Wo liegt der Sinn, dass die Kinder während des Unterrichts Masken tragen müssen? Warum werden keine Plexiglaswände eingesetzt, so wie hier?

Hohes Haus! Diese Regierung gibt Milliarden an Förderungen und Entschädigungen aus, manches ist sinnvoll, manches nicht, aber ich frage Sie, Herr Vizekanzler: Wo sind die Budgetmittel für Begleitmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die Folgeschäden aus dem Schullockdown möglichst gering gehalten werden? Es darf - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (fortsetzend): - - unter unseren Kindern keine Lockdownverlierer, keine Coronaverlierer geben! Herr Vizekanzler, geben Sie unseren Kindern wieder ihren Mut, geben Sie ihnen wieder ihre Freude und geben Sie ihnen wieder ihre Zuversicht zurück, sie haben es sich verdient, es ist ihre Zukunft! (Beifall bei der FPÖ.)

9.52

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Neßler. – Bitte.