11.52

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Evelyn Regner (SPÖ): Frau Präsi­den­tin! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Sehr geehrte Abgeordnete des National­rates und Mitglieder des Europäischen Parlaments! Sehr geehrte Frauen Ministerinnen! Was passiert im Schatten der Coronapandemie? – Gewalt; vor allem die Zahlen be­treffend häusliche Gewalt schnellen in die Höhe. Allein in Österreich gibt es 38 Prozent mehr Anrufe bei der Frauenhelpline gegen Gewalt, in anderen europäischen Ländern schaut es nicht viel anders aus.

Gewalt gegen Frauen betrifft uns alle – gut, dass wir dieses Thema heute thematisieren. Sie, Kanzler Kurz, haben in den letzten Monaten so viele Krisenpressekonferenzen gehalten, aber Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufgrund der Lockdowns war da niemals ein Thema. 20 Frauen wurden allein in diesem Jahr in Österreich von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet, 22 sind dem Tod nur knapp entkommen – erschreckende Zahlen!

Wenn wir auf die weltweiten Zahlen schauen: 137 Frauen sind es, die täglich nur deshalb ermordet werden, weil sie Frauen sind – nur deshalb! Heute, am Tag der Menschen­rechte, am letzten der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen, müssen uns diese Zahlen eines eindeutig vor Augen führen: Die größte, die am weitesten verbreitete, die systema­tischste Menschenrechtsverletzung richtet sich gegen Frauen, ist jene der Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Kinder. Es gilt deshalb: Frauenrechte sind Menschenrechte!

Heute ist der Geburtstag meiner Tochter, sie wird 14 Jahre alt. Wir schulden es der Generation dieser Mädchen, dass sie ein Mehr an Gleichstellung erleben, dass sie ein Mehr an Schutz beim Kampf gegen die Gewalt erleben. (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS.)

Die Gleichstellung der Geschlechter ist eines der Hauptziele der Europäischen Union und auch in Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung verankert. Ich erwarte mir, dass in diesem Bereich sowohl auf europäischer Ebene als auch von der Bundes­regierung aktiv effektive Schritte gesetzt werden. Was macht die Regierung? – Sie inseriert in Tageszeitungen, dass Gewalt ein privates Problem wäre, anstatt Hilfsnum­mern zu veröffentlichen – das ist schlichtweg inakzeptabel, denn das Private ist politisch!

Österreich darf nicht Polen und Ungarn werden. Wir sehen, die Istanbulkonvention erfordert einen aktiven Einsatz. Wir im Europäischen Parlament – Monika Vana ist im Gleichstellungsausschuss aktiv dabei – arbeiten eng mit dem Europarat, mit Penny Bayr zusammen, damit jene Länder, die die Istanbulkonvention bisher nicht umgesetzt haben, dies ändern. Das erfordert unser aller Einsatz.

Im Europäischen Parlament fordern wir die Kommission auf – und sie ist mehr als willens –, auf europäischer Ebene Schritte zu setzen, nicht nur als EU der Istanbul­konvention beizutreten, sondern auch einen Plan B zu haben, nämlich ein Gewaltschutz­programm für Frauen vorzulegen. Dieser Plan B bedeutet, aktiv eine Richtlinie zu schaffen, damit Frauen und Mädchen in Europa geschützt werden, und dafür setze ich mich als Vorsitzende des Ausschusses ganz stark ein. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Wichtig ist es auch, Gewalt an Frauen in die Liste der Eurocrimes aufzunehmen. Wir brauchen einen Mindestschutz, Mindeststandards und eine Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg. Das ist einer unserer großen Aufträge für die Arbeit im Europäischen Parlament in den nächsten Jahren.

Wir sehen in einigen EU-Staaten aber auch einiges an Positivem, von dem wir lernen können. Ich möchte mein liebstes Beispiel Finnland hervorheben: Finnland ist jenes Land, das die Coronakrise besonders effektiv bekämpft, und dazu gehört auch ein natio­naler Aktionsplan, um die Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Finnland vergleicht Zahlen, Daten und Fakten und schafft auf diese Art und Weise eine bessere Zusam­menarbeit zwischen der Justiz, den Verwaltungsbehörden und den NGOs.

Wir schulden unseren Mädchen und unseren Frauen, in Österreich wie in Europa, uns dafür einzusetzen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

11.57

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Susanne Fürst. – Bitte.