12.08

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Diese Debatte dreht sich um ein anderes Virus. Der Evolution hat es gefallen, bei den verschiedenen Arten die Geschlechter unterschiedlich auszustatten: Wir kennen Arten mit pfauenhaft schönen Männchen und unscheinbaren Weibchen, wir kennen drohnenhafte Männchen und bienenfleißige Weibchen, und ja, dann gibt es noch den Menschen, und beim Menschen ist es halt so, dass die Männer mit körperlicher Überlegenheit ausgestattet sind. Das mag evolutionsgeschichtlich durchaus Sinn gehabt haben, heute wirkt sich diese körperliche Überlegenheit toxisch aus, toxisch wie ein Virus, und das Virus heißt Gewalt gegen Frauen.

Es ist aber nicht nur körperliche Gewalt, wir reden auch von Abhängigkeiten emotionaler und wirtschaftlicher Natur. Dieses Virus, das das Leben von so vielen Menschen und Familien vergiftet, kostet auch Menschenleben. Wir haben von dieser Statistik heute schon gehört. Und auch hier in Österreich ist die Infektionszahl viel zu hoch.

Machen wir uns nichts vor: Das Virus ist in allen Gesellschaftsschichten verbreitet. Da brauchen wir nicht Bevölkerungsgruppen auseinanderzudividieren, egal ob mit Migra­tionshintergrund oder autochthon oder was immer, egal ob reich oder arm. Ich weiß es aus meiner Berufspraxis: In allen Gesellschaftsschichten kommt es vor. Die Langzeit­folgen dieses Virus, von dem wir jetzt, in dieser Debatte, sprechen, sind nicht weniger schwerwiegend als die des Coronavirus. Das muss uns klar sein.

Als Justizsprecher meiner Fraktion möchte ich anerkennend die justiz- und sicherheits­politischen Anstrengungen hervorheben, die in den letzten Jahren unternommen wurden, um Betroffenen besser zu helfen. Die psychosoziale Prozessbegleitung, das Betretungs- und Annäherungsverbot, die Möglichkeiten, einstweilige Verfügungen zu erlassen: All das wurde in den letzten Jahren – vollkommen zu Recht – stark ausgebaut. Die Gewaltschutzzentren in den Bundesländern leisten hervorragende und wichtige Arbeit. Ich möchte ihnen dafür ganz besonders danken. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Gerade als Justizsprecher ist es mir aber ein beson­deres Anliegen, zu betonen: Gewaltschutz ist keine Aufgabe, die alleine die Gewalt­schutzeinrichtungen oder die Gerichte betrifft. Die Gerichte sind quasi das letzte Auffangnetz, die Ultima Ratio des Strafrechtes. Diese zieht erst dann, wenn schon etwas passiert ist und wenn es manchmal traurigerweise schon zu spät ist. Die toxische Verbindung von Gewaltbereitschaft und emotionaler Verstrickung, wie es sie in diesen Fällen oft gibt, macht aber auch das Strafrecht oft zahnlos, wenn Frauen in der Haupt­verhandlung plötzlich die Aussage verweigern und den Gerichten dann nichts anderes übrig bleibt, als freizusprechen. Gerade unlängst, am 7.12., gab es wieder einen Fall: „‚Raubüberfall‘ war häusliche Gewalt“. (Der Redner hält einen Ausdruck in die Höhe.) Das sind die Themen, bei denen man sieht: Das Strafrecht kommt zu spät.

Das ist wichtig, auch die Beratung ist wichtig, aber noch viel wichtiger wäre es, präventiv zu arbeiten. Da kommt den Medien eine wichtige Aufgabe zu. Mich stört es immer wieder, wenn man in den Medien von häuslicher Gewalt liest. Da wird von Bezie­hungs­dramen gesprochen anstatt von brutalen Morden, die passiert sind. Da muss sich etwas ändern, weil nur diese Änderung auch dazu führt, dass sich das Bewusstsein ändert, und dieses Bewusstsein müssen wir in der Phase der Evolution, in der wir uns jetzt befinden, endlich einmal zu Gewaltfreiheit führen. Da sind schon die Männer ganz besonders angesprochen.

Daneben spielt aber auch die wirtschaftliche Situation der Frauen oft eine Rolle. Ich weiß das. Frauen sind in ihrer Dispositionsfähigkeit oft so abhängig von Männern, dass dies eine Rolle spielt, wenn es darum geht, ob die Anzeige aufrechterhalten wird, ob sie eine Aussage machen wollen. Da ist das Unterhaltsrecht gefragt, da werden wir am Unter­haltsrecht schrauben müssen, damit wir den Frauen mehr Unabhängigkeit einräumen und mehr Unabhängigkeit verschaffen, damit sie sich aus der Gewalt befreien können.

Wir müssen aber noch früher ansetzen: Gewaltschutz fängt schon in der Erziehung, in Schulen, in Bildungseinrichtungen an. Wir müssen das präventiv der Jugend einimpfen. Das ist die Impfung gegen dieses Virus: dass Gewalt in zwischenmenschlichen Bezie­hungen nie, nie und niemals Platz haben darf.

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen nun den Schlusssatz formu­lieren, bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (fortsetzend): Mein abschließender Appell: Schauen wir aufeinander! Schauen wir aufeinander, so wie wir das gelernt haben, so wie es die Kampagne im Zusammenhang mit Corona uns gezeigt hat, damit wir die Sensibilität gewinnen, damit wir dieses Virus der Gewalt gegen Frauen endgültig besie­gen! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.14

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.