18.38

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Regierungs­mit­glieder! Liebes Hohes Haus! Bei den vorliegenden Anträgen der Regierung zeigt sich ganz einfach und ganz klar: Es gibt keinerlei Plan für eine gerechte Finanzierung dieser Krise und auch für eine gerechte Ausgestaltung der Bekämpfung dieser Krise.

Wir haben in den letzten Monaten eigentlich unfassbare Zustände miterlebt. Wir haben gesehen, wie auf der einen Seite der Milliardär Stefan Pierer für seinen Konzern KTM zwar staatliche Kurzarbeitsgelder in Millionenhöhe beansprucht hat (Abg. Kirchbaumer ... na, nicht ...!), aber trotzdem noch genug Gewinn übrig hatte, um sich selbst die meisten Dividenden auszuzahlen – auch in Millionenhöhe, Steuergeld im Übrigen –, und auf der anderen Seite haben wir dann aber gesehen, wie die wirklichen Systemerhalter und Systemerhalterinnen in den Supermärkten und in den Pflegeheimen, für die wir hier geklatscht haben, noch immer auf ihre Sonderprämie oder auf ihre Lohnerhöhung warten. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben erlebt, wie der Glücksspielkonzern Novomatic unlängst allein 2,4 Millionen Euro an Steuergeld bekommen hat. Größter Profiteur war im Übrigen der Milliardär und Eigentümer Johann Graf. Er hat ein Vermögen von circa 7 Milliarden Euro. Ich weiß jetzt nicht, ob er der reichste oder der zweitreichste Österreicher ist, aber auch für ihn gab es das Steuergeld.

Auf der anderen Seite haben wir erlebt, dass arbeitslose Menschen mit einer Einmal­zahlung von ein paar Hundert Euro abgespeist wurden.

Wir haben erlebt, wie Amazon mitten in der Krise plötzlich dreimal so viel Umsatz gehabt hat, weil die Buchläden zu hatten, und dabei zugeschaut, und wir haben dann auf der anderen Seite erlebt, wie der Vizekanzler ganz stolz verkündet hat: Die bekommen jetzt eh ein paar Hundert Euro.

Diese Krise reißt die Schere zwischen Arm und Reich, die ohnehin seit Jahren aus­einandergeht, noch weiter auf, und das ist nicht hinzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.) Es braucht eine gerechte Finanzierung dieser Krise, denn sie trifft uns alle. Es darf nicht sein, dass die große Mehrheit sie schultert, während sich einige wenige auf Kosten der Mehrheit bereichern.

Wir müssen unser Steuersystem aber nicht nur gerechter machen, wir müssen es auch ökologischer, umweltfreundlicher machen, und da hat die Regierung vor Kurzem eine ökosoziale Steuerreform präsentiert – auch heute ja wieder –, die leider ein sehr kleiner Wurf geblieben ist und die auch wieder einmal ohne Begutachtung sehr überraschend und schnell, an einem Samstag, präsentiert wurde.

Einige Maßnahmen, die heute vorliegen, sind trotzdem gut, muss ich sagen, wenn wir uns etwa die Befreiung der Bahn von der Energieabgabe anschauen. Es ist komplett absurd, dass die ÖBB als umweltfreundliches Reisemittel bisher mehr Steuern auf den selbst erzeugten Biostrom zahlen mussten als eine Fluglinie prozentuell für Kerosin.

Das heißt, diesen Punkt beispielsweise unterstützen wir, aber selbst da erkennt man die Halbherzigkeit dieser Reform, denn Sie haben den Gesetzestext extra genau so gestaltet, dass das nur für Schienenfahrzeuge mit Wechselstrom, nicht aber für jene mit Gleichstrom gilt. Was heißt das auf Deutsch? – Das heißt, dass Sie die Wiener Linien ausschließen.

Dahin gehend liegt auch ein Abänderungsantrag vor. Wenn wir den öffentlichen Ver­kehr wirklich fördern wollen, dann machen wir bitte keine halben Sachen, sondern dann schützen wir auch die regionalen Verbindungen! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie haben vorhin auch ganz großartig verkündet, die Reparaturen würden jetzt günstiger. Das finden wir auch gut, das wollen wir auch, aber wenn wir uns jetzt anschauen, was das tatsächlich betrifft, dann sehen wir: Schuhe und Gewand, Lederwaren, Bettwäsche und Fahrräder. Aus! – Das ist die große, abgefeierte Steuersenkung, die Sie hier ver­künden.

Alles, was Haushaltsgeräte wie etwa Waschmaschinen, Kühlschränke, Kaffeemaschinen betrifft, alles, was Handys, Laptops betrifft, alles, was diese Unmengen an Elektroschrott, den man dringend reduzieren muss, verursacht, ist da ja gar nicht dabei.

Dahin gehend bringe ich folgenden Abänderungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Repara­tu­ren begünstigen nicht nur bei Schuhen und Kleidung

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, ergänzend zu jenen Bereichen, die von der Um­satzsteuersenkung für Reparaturleistungen erfasst sind, unverzüglich eine Reparatur-Prämie von 50% der Gesamt-Reparatursumme von maximal 600 Euro pro Person und Jahr einzuführen.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Antrag, den Sie jetzt verlesen haben, war ein Ent­schließungsantrag, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (fortsetzend): Genau. – Danke schön.

Da mir die Zeit jetzt ausgeht, komme ich auch schon zum Schluss, obwohl ich auf viele weitere Punkte eingehen könnte – auch wieder einmal auf die Frage, was mit der Wir­kungsfolgenabschätzung ist. Die gibt es nämlich schon wieder nicht. Wie viel CO2 Sie einsparen, wissen Sie schon wieder nicht.

Es fehlen auch ordnungspolitische Maßnahmen. Es lässt sich nicht alles mit höheren Steuern oder mit höheren Preisen regeln. Manchmal braucht es einfach eine ordnungs­politische Maßnahme, mit der man zum Beispiel klarstellt, bis wann überhaupt Fahr­zeuge mit Antriebssystemen, die umweltschädlich sind, noch in Betrieb sein dürfen und ab wann nicht mehr. Dann haben auch alle Zeit, sich bis dahin leistbare Alternativen zu überlegen und diese zu entwickeln.

Das heißt, die Liste ist lang. Es gibt sehr viel zu tun. Ich hoffe, Sie nehmen beide Anträge an. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.44

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Finanzausschusses (493 d.B.) über den Antrag 1111/A der Abge­ordneten Mag. Andreas Hanger, Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Normver­brauchsabgabegesetz und das Elektrizitätsabgabegesetz geändert werden

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

1. Artikel 3 lautet:

„Artikel 3

Änderung des Elektrizitätsabgabegesetzes

Das Elektrizitätsabgabegesetz, BGBl. Nr. 201/1996, zuletzt geändert durch das Bundes­gesetz BGBl. I Nr. 103/2019, wird wie folgt geändert:

1. In § 2 wird am Ende der Z 4 der Punkt durch einen Strichpunkt ersetzt und folgende Z 5 angefügt:

            „5.        aus erneuerbaren Primärenergieträgern von Eisenbahnunternehmen bzw. von BetreiberInnen von Straßenbahnen selbst erzeugter Bahnstrom (elektrische Energie mit der Nennfrequenz von 16,7 Hertz sowie Gleichstrom zum Betrieb von Straßen-/Gleichstrombahnen), soweit dieser von Eisenbahnunternehmen bzw. Betrei­berInnen von Straßenbahnen zum Antrieb und Betrieb von Schienenfahrzeugen verwen­det wird. Eisenbahnunternehmen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Betreiber von Haupt- und Nebenbahnen. Als selbst erzeugt gelten auch jene Mengen von Bahnstrom, die innerhalb eines Unternehmens im Sinne des § 3 Abs. 4 des Kommunal­steuer­gesetzes 1993, BGBl. Nr. 819/1993, erzeugt und an andere Konzerngesellschaften ge­liefert werden.“

2. In § 4 werden folgende Abs. 3 und 4 angefügt:

„(3) Die Abgabe auf Bahnstrom aus anderen als erneuerbaren Primärenergieträgern und auf Bahnstrom, der nicht von Eisenbahnunternehmen bzw. BetreiberInnen von Straßen­bahnen selbst erzeugt wurde, beträgt 0,0018 Euro je kWh. Auf Antrag des Eisen­bahnunternehmens bzw. des Betreibers /der Betreiberin von Straßenbahnen, welche/s/r nicht selbst erzeugten nachweislich zum Steuersatz nach Abs. 2 versteuerten Bahn­strom zum Antrieb und Betrieb von Schienenfahrzeugen verwendet hat, kommt eine Vergütung in Höhe von 0,0132 Euro je kWh zur Anwendung. Der Antrag auf Vergütung ist nur für volle Kalendermonate zulässig und bei sonstigem Verlust des Anspruchs bis zum Ablauf des auf die Verwendung folgenden Kalenderjahrs bei dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt zu stellen.

(4) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung das Verfahren für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 2 Z 5 und der Vergütung der Elektrizitätsabgabe nach Abs. 3 insbesondere betreffend Antragstellung und Nachweise näher zu regeln.“

3. In § 7 wird folgender Abs. 9 angefügt:

„(9) § 2 Z 4 und 5 und § 4 Abs. 3 und 4, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2020, sind vorbehaltlich der zeitgerechten Erfüllung allfälliger EU-recht­licher, insbesondere beihilfenrechtlicher Verpflichtungen auf Vorgänge nach dem 30. Juni 2021 anzuwenden. Abs. 8 zweiter und dritter Satz gilt sinngemäß.““

Begründung

In Ergänzung zum Initiativantrag 1111/A (XXVII. GP) wird festgelegt, dass auch Be­trei­berInnen von Straßenbahnen (gemäß Eisenbahngesetz) von der vorgesehenen Be­güns­tigung umfasst werden, wodurch der städtische elektrifizierte öffentliche Verkehr deutlich attraktiviert wird und somit klimafreundliche Mobilität gestärkt wird. Die Begüns­tigung erfasst demnach auch Gleichstrom zum Betrieb von Straßen-/Gleichstrom­bah­nen.

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Entschließungsantrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

Eingebracht zum TOP 18 COVID-19-Steuermaßnahmengesetz – COVID-19-StMG) (492 d.B.)

betreffend: Reparaturen begünstigen nicht nur bei Schuhen und Kleidung

Bei der Regierungsklausur im Frühjahr wurde die Klimaschutzmilliarde als „das beste Konjunkturprogramm“ angekündigt. Teil diese Ankündigung war auch die Begünstigung von Reparaturen. In der Regierungs-PR wurde diese Steuersenkung dann so ange­kündigt: „Außerdem werden wir mit einer Umsatzsteuersenkung auf Reparaturen von 100 Millionen Euro einen Beitrag gegen die Wegwerfgesellschaft leisten und entsprechende Dienstleistungen unterstützen.“

Auf Grund der bekannten steuerrechtlichen Vorgaben seitens der EU, die einer Steuer­senkung gewisse Grenzen setzt, schlugen die Abg. Julia Herr und Dr. Christoph Matznetter stattdessen die Einführung einer Reparatur-Prämie in Höhe von 50% der Gesamt-Reparatursumme vor, bei maximal 600 Euro pro Person und Jahr (689/A(E) XXVII. GP). Diese Reparaturprämie würde unmittelbar konjunkturwirksam werden, das lokale Ge­werbe stärken und verhindern, dass die Begünstigung der Reparatur nicht bei den KundInnen ankommt (wie das bei der Steuersenkung analog zur Gastronomie der Fall sein könnte).

Entscheidender Vorteil wäre auch, dass die Reparatur-Prämie über alle Produkt­kate­go­rien hinweg anwendbar wäre und nicht nur – so wie der Vorschlag der Regierung – ledig­lich

„Reparaturdienstleistungen (einschließlich Ausbesserung und Änderung) betreffend Fahrräder, Schuhe, Lederwaren, Kleidung oder Haushaltswäsche“ umfasst.

Es ist ökologisch sinnvoll, die Reparatur von „Bettwäsche, Tischdecken, Polsterbezügen oder Vorhängen“ zu fördern, ein intelligenter Anreiz für Reparaturen muss allerdings auch z.B. Elektrogeräte (v.a. Haushaltsgeräte) umfassen, damit Umwelt und Klima aus­reichend davon profitieren. Deshalb soll eine Reparatur-Prämie für jene Bereiche ge­schaffen werden, die von der Steuersenkung nicht umfasst sind.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ergänzend zu jenen Bereichen, die von der Um­satzsteuersenkung für Reparaturleistungen erfasst sind, unverzüglich eine Reparatur-Prämie von 50% der Gesamt-Reparatursumme von maximal 600 Euro pro Person und Jahr einzuführen.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag, der verlesen wurde, ist aus­reichend unterstützt und steht daher auch mit in Verhandlung. Der Abänderungsantrag zum Elektrizitätsabgabegesetz wurde an die Abgeordneten verteilt und in den Grund­zügen erläutert und ist daher auch eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Gerald Loacker zu Wort gemeldet. – Bitte.