15.30

Abgeordnete Mag. Dr. Sonja Hammerschmid (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kolle­gen hier im Hohen Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte den Faden von Gabi Heinisch-Hosek wieder aufnehmen und bei den Betroffenen ansetzen, über die Betroffenen sprechen. In meinem Fall sind das natürlich wieder einmal die Kinder.

Unsere PflichtschülerInnen waren in diesem Jahr mit 59 Tagen die Hälfte der Schultage im Distancelearning. Die Oberstufenschülerinnen und -schüler hat es noch schlimmer getroffen, denn sie waren ganze 90 Tage daheim im Distancelearning. (Abg. Belakowitsch: Das ist ein Wahnsinn!)

Wenn ich jetzt meine Ausschusstage hernehme und die Plenartage dazurechne, dann bin ich öfter hier im Hohen Haus präsent gewesen als die Kinder in der Schule. Das ist eigentlich unglaublich, oder? (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Belakowitsch: Unglaublich!)

Kennen Sie einen Infektionscluster, der von Präsenztagungen hier in den Ausschüssen oder im Plenarsaal ausgegangen ist (Abg. Belakowitsch: In der ÖVP! – Abg. Wurm: In der ÖVP ...!), nur einen Infektionscluster? – Ich kenne keinen. Es gab einzelne Infek­tionen, aber sicher nicht vom Parlament und von den Tagungen hier ausgehend. Warum? Weil wir ausreichend Testmöglichkeiten haben und weil wir die Hygienemaß­nahmen einhalten, die hier sehr gut durchdacht eingesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steinacker: Nicht alle!)

Wir als Sozialdemokratie haben schon im Mai ein Maßnahmenpaket für die Schule gefordert (Vizekanzler Kogler: Jo eh!), ein pädagogisches und ein Sicherheits­maßnah­menpaket für die Schule, denn für uns war klar: Die Coronakrise darf nicht zur Bildungs­krise werden. Das war im Mai schon unser Credo. Für uns stand immer fest: Die Schulen müssen offen bleiben, solange dies die medizinischen und epidemiologischen Fakten, Zahlen und Daten vertretbar erscheinen lassen, denn die Auswirkungen einer Schul­schließung auf die Kinder sind viel zu groß.

Ich möchte Sie einmal mehr mit Clusteranalysen der Ages konfrontieren, die erst einige Tage alt sind, also ein ganz neues Bild ergeben. Herr Vizekanzler, ich bitte Sie, jetzt kurz zuzuhören! Die Ages sagt einmal mehr: Die Schulen sind nicht die Coronahotspots (Vizekanzler Kogler: Sag ich ja!), die Virusübertragung bei unter 20-Jährigen geschieht vor allem im Haushalt. Die Inzidenz in der SchülerInnenkohorte entspricht zurzeit jener von Anfang Oktober, als alle Schülerinnen und Schüler noch in der Schule waren. Da muss ich schon fragen: Was hat der Lockdown für das Schulgeschehen gebracht? – Wenig, würde ich meinen.

Was muss eigentlich passieren, liebe Mitglieder der Bundesregierung, dass Sie auf Ihre eigenen Expertinnen und Experten hören? Die Vorsitzende der Coronakommission hat erst am Wochenende medial wieder ganz klar dazu aufgefordert, die Schulen offen zu lassen und sie mit einer gut gemachten Teststrategie zu begleiten: die PädagogInnen testen, die Schülerinnen und Schüler testen. – So einfach wäre das eigentlich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Irland zeigt uns den Weg ja auch ganz klar vor. Wenn man schon nicht auf die österreichischen Experten hören will, dann schauen wir nach Irland! Ohne einen einzigen Tag Schulschließung hat das Land binnen kürzester Zeit die Inzidenz auf heute 68,5 heruntergedrückt. Österreich liegt bei 155. Keinen einzigen Tag war in Irland die Schule geschlossen.

Das heißt, die Schulen zu schließen ist nicht schwer. Das lässt sich leicht implemen­tieren, das lässt sich leicht machen. Sie aber offen zu halten ist sehr schwer. Dazu braucht es Hirn, Strategie, vorausschauendes Planen und Handeln. (Beifall bei der SPÖ.)

So haben wir bereits im August eine Teststrategie für Schulen vorgelegt. Die ist gar nicht so schwer, das ist nicht Rocketscience: Es braucht regelmäßiges Testen für Päda­goginnen und Pädagogen in den Schulen und in den Kindergärten – das sind Pädago­gInnen, lieber Herr Vizekanzler, im Kindergarten, und keine „KindergärtnerInnen“ (Beifall bei der SPÖ) –, es braucht mobile Teams für die Bildungseinrichtungen, es braucht Fast Lanes in den Laboren für eine 24-Stunden-Abklärung, es braucht Gurgelkits an jeder Schule für jedes einzelne Kind. Die Antigentests geben uns praktische Möglichkeiten in die Hände, sofort eine Abklärung zu machen.

Fest steht: Hätte die Regierung diese Strategie beachtet, dann hätten unsere Kinder nicht jetzt zum dritten Mal in den Lockdown gehen müssen.

Das Einzige, was aus dem Bildungsministerium heraus geschehen ist, waren Pilot­projekte: ein paar mobile Teams da, ein Bus mit RT-Lamp-Tests dort, hin und wieder Gurgeltests. Es gab aber keine flächendeckende Teststrategie für Pädagoginnen und Pädagogen an jeder einzelnen Schule. Dieser Lockdown jetzt ist hausgemacht und ist schlichtweg ein Versagen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

Ich frage mich daher: Warum gibt es keine flächendeckende Teststrategie an den Schulen? Warum gibt es kein Sicherheitskonzept, das über Lüften und Maskentragen hinausgeht? Warum dürfen die Kinder mit ihren Freunden Ski fahren gehen, in die Schule aber dürfen sie nicht gehen? Vor allem: Wie soll es weitergehen?

Wenn der Bundeskanzler glaubt, dass wir mit der Impfung zur Normalität zurückkehren: Ja, die Impfung ist wichtig, ist unser einziger Weg aus dieser Krise hinaus, da gebe ich Ihnen vollkommen recht, und ich halte es mit Sepp Smolle: Wenn es für mich die Mög­lichkeit gibt, eine Impfung zu bekommen, bin ich die Erste, die sich darum anstellt. Das ist keine Frage. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Aber: Eine Normalität wird es in der Schule noch lange nicht geben, weil die Normalität durch die vielen Lockdowns, durch die Defizite, die größer sind, als wir alle es erahnen können, schon so weit weg ist.

Hören Sie auf die Pädagoginnen und Pädagogen, was da los ist! Es braucht Zeit, es braucht Fördermaßnahmen, und zwar nicht nur die Summerschools und für 7 000 Schü­ler ein bisschen Nachhilfeunterricht in den Weihnachtsferien und den Semesterferien! Es braucht flächendeckend implementiert SozialarbeiterInnen, PädagogInnen an den Schulen, mehr PädagogInnen an jenen Schulen, die besondere Herausforderungen haben, es braucht ganztägige Schulen und vieles, vieles mehr.

In den 21 Tagen – ich habe es zusammengerechnet, Herr Bildungsminister –, die Sie anbieten, sind vier Monate nicht aufzuholen.

Das heißt, einmal mehr lautet mein Appell: Hören Sie auf die Expertinnen und Experten! Hören Sie auf die Pädagoginnen und Pädagogen! Ihnen gilt mein Dank an dieser Stelle. – Danke, liebe Pädagoginnen und Pädagogen, dass die Schule, wenn sie denn stattfindet, trotz dieser wahnsinnig schlimmen und herausfordernden Bedingungen doch ein Stück weit gelingen kann und die Kinder und die jungen Menschen unterstützt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.)

15.37

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer. – Bitte.