17.27

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich vielleicht mit einer erfreulichen Anmerkung beginnen: Ich freue mich wirklich, dass wir uns alle nach dieser kurzen Zeit, die wir vor zwei Wochen miteinander verbracht haben, noch einmal sehen dürfen. (Heiterkeit bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen.) Es tut wirklich gut, Sie alle noch einmal zu sehen! Ich frage mich aber schon: Warum musste denn das wirklich sein? – Wenn man das hinterfragt, dann kommt man schon einer gewissen Serie, wenn ich es einmal so nennen darf, auf die Spur. (Ruf bei der FPÖ: Das ist aber eine andere ...!) Die Regierungsparteien haben es leider wieder einmal – und dieses Wort, das ich jetzt verwende, spricht schon für sich, denn es hat es beim Wort des Jahres in der Grazer „Kleinen Zeitung“ in die Top 3 gebracht – verblümelt, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich, warum geschieht das so oft? Sind das einzelne Fehler, oder ist da etwas anderes? Ich erinnere an die Coronaapp, die nicht funktioniert hat, die Coronaampel, die inzwischen entsorgt ist, das Contacttracing, das nicht funktioniert, und da könnte man – meine Redezeit ist ja nicht so lange – aufzählen, aufzählen, aufzählen, man würde fast nicht fertig werden. Ich darf Sie nur daran erinnern: Wäre die Sozialdemokratie nicht gewesen und hätte es die Sozialdemokratie nicht entdeckt, dann wäre die Republik zahlungsunfähig gewesen (Ruf bei der ÖVP: Ah geh!), und die Polizistinnen und Polizisten würden in den Wohnzimmern der Österreicherinnen und Österreicher stehen.

Geschätzte Damen und Herren! Mit so vielen Fehlern ist das keine Krisenbekämpfung – so geht Krisenbekämpfung einfach nicht! Das muss man auch einmal klar aussprechen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aber was ist es? Was ist der Grund? – Der Grund ist das System, das dahintersteckt. Es ist schon öfters angesprochen worden: Das System ist, dass es nicht um die Qualität der Rechtshandlungen geht, sondern mehr um die Show.

Das Gesetz geht nun einmal nicht von der Pressekonferenz aus, Herr Bundeskanzler, sondern das Gesetz entsteht hier. Es waren bis jetzt gezählterweise, wenn ich nicht falsch gezählt habe, 127 Pressekonferenzen, die aber nicht dafür gesorgt haben, dass es eine gute und qualitative Gesetzgebung gibt, sondern die haben für die Show gesorgt und dass wir hier ständig irgendwelche Fehler beheben müssen. Geschätzte Damen und Herren, das soll auf Dauer nicht unsere Aufgabe sein, dafür, glaube ich, ist unsere Zeit wirklich zu schade. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht aber nicht nur um die Show, es geht auch um die Missachtung des Parlaments. Wie oft haben wir darüber diskutiert, dass es nicht gut ist, wenn Anträge überhastet, übereilt eingebracht werden und deshalb schlampig verarbeitet sind, schlampig einge­bracht werden! Dieses Haus hat alle Mechanismen, um Fehler zu vermeiden. Es gibt Ausschüsse, es gibt Begutachtungen, es gibt Hearings und so weiter und so fort.

Warum haben Sie auf all das verzichtet? Wollen Sie, dass schlechte Gesetzgebung betrieben wird, oder wollen Sie manchmal verschleiern, was Sie tun? Ich glaube, es ist Letzteres, und das ist auch etwas, was dieses Hauses nicht würdig ist. Wir sollten uns langsam wirklich alle gemeinsam dagegen zur Wehr setzen, denn es schadet den Regierungsfraktionen genauso wie allen anderen. Es schadet der Würde dieses Hauses, und deshalb sollten wir wenigstens in Zukunft in diesem Haus vernünftige Gesetzgebung machen, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Brandstätter.)

Ja, es ist das Motto: Speed kills. Das haben wir schon vor ungefähr einem Jahrzehnt einmal gehört, und es scheint jetzt wohl eine Wiedergeburt dieses Begriffs zu geben. Ich sage Ihnen eines: Wenn man die letzten Monate verfolgt, würde die parlamentarische Demokratie, würde die Kontrolle, würde die Transparenz, ja, würde der Anstand nicht mehr diese türkis-grüne Regierung wählen, geschätzte Damen und Herren. (Abg. Michael Hammer: Ist da noch wer da bei euch da drüben?)

Es ist die stärkste Krise seit 1946, die dieses Haus und dieses Land erlebt haben. Es braucht zwei Dinge: Es braucht gute Arbeit und Solidarität. Über die Arbeit habe ich mich bereits geäußert, jetzt komme ich zur Solidarität. Solidarität in so einer Zeit bedeutet, dass die Menschen, die in der Früh aufstehen und für ihr Geld hart arbeiten, die beste Unterstützung von dieser Regierung, die beste Unterstützung vonseiten der Politik bekommen. Das ist Solidarität in Zeiten wie diesen. Und ich muss eines sagen: Diese Regierung trägt Solidarität nicht vor sich her. Diese Regierung trägt alles, was Solidarität ist, höchstens als Privatmeinung vor sich her, geschätzte Damen und Herren: Finanz­transaktionssteuer kommt nicht, ist Privatmeinung; Solidarabgabe für Onlineriesen kommt nicht, ist Privatmeinung; Millionärssteuer kommt nicht, ist Privatmeinung; Schenkungs­steuer kommt nicht, ist Privatmeinung.

Geschätzte Damen und Herren! Wir sehen das anders. Da gäbe es die Chance, 5 Milliarden Euro im Jahr für die Menschen zu lukrieren, die für ihr Geld hart arbeiten. Das ist unser Zugang zu Solidarität im Gegensatz zu Ihrem, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Was wir aber auch nicht wollen, ist, dass dieses Land jetzt noch stärker ins politische Chaos entgleitet. Wir stehen vor der größten Impfaktion der Geschichte, und, Herr Bundeskanzler, ich sehe das auch so: Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto besser, und es muss alles getan werden, damit das funktioniert. Es gibt unglaublich viele Menschen in unserem Land, die um ihre Existenz kämpfen; auch ihnen muss geholfen werden. Es gibt unglaublich viele Menschen – und es werden immer mehr –, die Angst um ihre Lieben haben, die Angst um ihre Freunde haben, die Angst um ihre Eltern, um ihre Großeltern haben.

Da braucht es jetzt eine stabile, verlässliche, einschätzbare Sozialdemokratie, die ein starker, haltbarer Anker für diese Menschen ist und die sie ein bisserl in Sicherheit bringen kann, die Fehler aufzeigt, die Fehler verhindert und die insbesondere für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintritt und heute, Herr Bundeskanzler, eines einmahnt: Sie haben und Ihre Regierung hat in dieser Zeit viele Fehler gemacht. Das macht mir große Sorgen, weil die Menschen in unserem Land darunter leiden und weil es ihnen nicht gut geht. Sie haben keine Einsicht gezeigt und auch nicht wirklich auf diese Fehler reagiert. Deshalb bitte ich Sie nur um eines – das haben zwar nicht Sie gesagt, sondern Ihr Gesundheitsminister, aber es gilt für die gesamte Regierung –: Sagt nicht zu den Menschen in Österreich, sie sollen sich zusammenreißen! Reißt euch selber ein bisserl zusammen, dann wird es für die Zukunft vielleicht helfen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.34

Präsident Ing. Norbert Hofer: Frau Abgeordnete Mag.a Meri Disoski ist die nächste Rednerin. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.