17.34

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Leichtfried, ich weiß nicht, ob du Erinnerungslücken hast, aber ich glaube, an der Abschaffung der Erbschaftssteuer und Vermögensteuer wart ihr nicht ganz unbeteiligt, an der Kürzung der AMS-Gelder genauso nicht. (Beifall bei den Grünen.) Ich helfe dir aber gern dabei, dich daran zu erinnern. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.)

Herr Kickl, ich habe die heute von Ihnen hier eingebrachte, neun Seiten umfassende Dringliche als studierte Sprach- und Literaturwissenschafterin mit einem, sagen wir einmal, professionellen Interesse gelesen. Kommen wir zuerst zum Titel: „Freiheit und Selbstbestimmung statt Massentest und Hausarrest“ (Abg. Wurm: Der ist gut, gell?) – schlecht gereimt, okay. Freiheit und Selbstbestimmung stellen Sie da in einer, nehme ich an, antithetischen Intention Massentests und Hausarrest gegenüber. Offensichtlich liegt es nicht so ganz im Rahmen Ihres Denkhorizontes, es ist für Ihre Partei nicht vorstellbar, dass Menschen freiwillig und selbstbestimmt zum Coronatest gehen, so wie ich das zum Beispiel tue (Beifall bei Grünen und ÖVP – Abg. Kickl: Um die geht’s ja nicht! Um die geht’s ja nicht! Es geht ja um die anderen!) – freiwillig und selbstbestimmt, so wie ich das tue und so wie viele hier das tun, zu meinem Schutz, zu unser aller Schutz, zum Schutz jener Menschen, die wir gernhaben, aus Verantwortungsgefühl, aus Solida­ritätsgefühl. Was für ein Gedanke, Herr Kickl! Stellen Sie sich das vor: freiwillig und selbstbestimmt zum Coronatest! Das können Sie probieren, dauert nicht lang (Zwischen­ruf des Abg. Kickl), ist schnell erledigt, tut nicht weh, ein bissel unangenehm ist es, aber kann im Ernstfall Leben retten. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Herr Kickl, ich habe Ihre Dringliche Anfrage auch deshalb mit einem gewissen literatur­wissenschaftlichen Interesse gelesen, weil sie voller Mutmaßungen, voller Fakenews, Polemik und falscher Behauptungen ist. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Es han­delt sich hierbei, wenn man in der literaturwissenschaftlichen Diktion bleiben möchte, um ein fiktionales Werk, ein frei erfundenes Werk, das mit der Realität kaum etwas zu tun hat.

Was machen Sie mit dieser Dringlichen Anfrage? – Sie verharmlosen auf eine unglaub­lich verantwortungsvolle Art und Weise eine globale Pandemie (Abg. Kickl: Verantwor­tungsvoll!), die bisher weltweit knapp zwei Millionen Menschen das Leben gekostet hat (Abg. Kickl: Verantwortungsvoll hat gepasst! Da ist Freud mit Ihnen durchgegangen!), zwei Millionen Menschen, mittlerweile auch in Österreich über 5 000 Todesopfer. (Abg. Hafenecker: Das kommt davon, wenn man es aufschreibt und nicht frei sprechen kann!) Was machen Sie? – Sie gehen her und schreiben neun Seiten lang Verharmlosungs­rhetorik. Sie verharmlosen die größte Gesundheitskrise seit 100 Jahren und kritisieren im selben Atemzug die Bundesregierung für die Umsetzung genau jener Maßnahmen, die Sie vor ein paar Monaten selber noch gefordert haben. (Abg. Kickl: Wir haben dazugelernt! ... die ganze Welt hat dazugelernt!)

Ich habe mir das angeschaut. Damals haben Sie – Zitat – „harte Maßnahmen“ gefordert, um das „exponentielle“ Wachstum der „Neuinfektionen“ zu bremsen; konkret haben Sie damals auch die Schließung von Geschäften und Restaurants gefordert. Sie haben damals gemeint – ich zitiere –: „Die Bevölkerung werde solche Maßnahmen im Rahmen eines ,rot-weiß-roten Anti-Corona-Schulterschluss‘ verstehen“. (Abg. Kickl: Aber die Zeit ist nicht stehen geblieben, Frau Abgeordnete!) Das haben Sie damals gefordert, und heute kritisieren Sie genau das, was Sie damals gefordert haben. Was interessiert mich mein Gewäsch von gestern, Herr Kickl? Was interessiert mich mein Gewäsch von gestern? (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Sprache, derer Sie sich hier im Parlament in der Dringlichen Anfrage und auch in Ihren Redebeiträgen bedienen! Herr Kickl, Sie haben von einer „Testapartheid“ gesprochen. Das ist eine unglaublich geschmacklose und zutiefst respektlose Analogie, die Sie hier zu ziehen versuchen. Wissen Sie, was die Apartheid war? (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Kickl: Ganz genau! Ganz genau, und Sie wissen es! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Wissen Sie, was die Apartheid war, Herr Kickl? Was war die Apartheid? (Zwischenruf des Abg. Wurm.) – Das war eine Periode der staatlich organisierten Rassentrennung, Unterdrückung und Diskriminierung in Südafrika. Das war eine selbst erklärte Vorherrschaft der – unter Anführungszeichen – „weißen“ Bevölkerungsgruppe gegenüber anderen. Und wenn Sie jetzt mit Blick auf Corona von „Testapartheid“ sprechen, dann diskreditieren Sie einen zentralen Baustein in der globalen Virusbekämpfung, die Testungen, und verharmlosen gleichzeitig im selben Schritt Rassismus, systematische Ausgrenzung und Unterdrückung (Abg. Kickl: Jessas na! Jessas na!), aber das gehört ja zum Kerngeschäft Ihrer – unter Anfüh­rungszeichen – „Einzelfall“-Partei. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was noch zum Kerngeschäft Ihrer – unter Anführungszeichen – „Einzelfall“-Partei ge­hört, ist Inkompetenz; das haben Sie als Schlimaz, als schlechtester Innenminister aller Zeiten, bewiesen. (Heiterkeit und Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wir erinnern uns exem­plarisch an die BVT-Affäre. Inkompetenz hat aber auch FPÖ-Gesundheitsministerin Hartinger-Klein in ihrer Amtszeit an den Tag gelegt. Sie erinnern sich, das war jene – unter Anführungszeichen – „Sozialministerin“ der FPÖ, die gemeint hat, dass man von 150 Euro im Monat leben kann. Gut, dass wir jetzt einen Sozialminister haben – der gerade wieder in den Saal zurückgekommen ist –, dem es ein ehrliches Anliegen ist und für den es oberste Priorität hat, zu verhindern, dass aus dieser Gesundheitskrise eine soziale Krise wird! (Abg. Belakowitsch: Wie denn?!)

Beate Hartinger-Klein war auch jene Gesundheitsministerin, die die Generaldirektion für öffentliche Gesundheit abgeschafft hat. Das ist eine für die österreichische Gesundheit im österreichischen Gesundheitssystem zentrale Stelle, die im Fall von Seuchen, im Fall von Pandemien, von Epidemien Strategien entwickelt, um die Ausbreitung dieser Seuchen einzudämmen. Diese zentrale Stelle hat Ihre Parteikollegin abgeschafft (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), die zuständige Sektion ist zerschlagen worden. Wäre die Ministerin so drauf gewesen, dass sie ihr Ressort nicht offensichtlich parteipolitisch motiviert geführt hätte, hätte diese Stelle jedenfalls weiterhin bestehen müssen. Das hätte uns vor allem auch in der Anfangsphase der Epidemiebekämpfung einen sehr großen Vorteil verschafft. (Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Hättiwari nützt uns jetzt aber nichts. Es ist gut, dass Gesundheitsminister Anschober diesen Fehler Ihrer Parteikollegin korrigiert hat und wir fortan mit Katharina Reich wieder eine kompetente Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss, sehr geehrte Damen und Herren. Ihre Dringliche Anfrage, Herr Kickl, lässt mich ob ihres fiktionalen Charakters also ratlos zurück – so, wie mich auch der Zickzackcoronakurs der FPÖ insgesamt ratlos macht und mit Erstaunen erfüllt.

VorrednerInnen haben sich heute am Schluss ihrer Reden, drei Tage vor Weihnachten, Verschiedenes gewünscht. Ich möchte mir nichts wünschen, sondern an Sie alle hier im Hohen Haus und an alle, die uns heute zuschauen, appellieren, und ich möchte Sie bitten: Halten Sie sich an die Hygieneregeln, halten Sie Abstand, auch wenn das gerade jetzt während der Feiertage, während der Weihnachtszeit besonders schwerfällt! Lassen Sie sich testen, zu Ihrem Schutz, zum Schutz Ihrer Mitmenschen! Ja, diese Pandemie ist extrem mühsam, ja, sie bringt uns an die Grenzen dessen, was wir aushalten können, ja, sie ringt uns extrem viel ab. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Sie ist eine Zumutung, aber sie ist eine Zumutung, die wir nur gemeinsam bewältigen können, und auf den letzten Metern darf uns jetzt nicht die Puste ausgehen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Kickl: Ihre Wähler sind auch sprachlos!)

17.40

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.