10.24

Bundesminister für Arbeit, Familie und Jugend Mag. Dr. Martin Kocher: Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, ob ich Arbeitsminister werden möchte, kam für mich sowohl überraschend als auch sehr kurzfristig. Ich möchte mich aber zuallererst ausdrücklich bei meiner Vor­gängerin Christine Aschbacher bedanken, nämlich dafür, was ihre Arbeit für den Bereich Arbeit, Familie und Jugend betrifft. Sie hat ein Ministerium in einer für den Arbeitsmarkt Österreich schweren Phase geführt, hat es durch diese schwere Phase mit all diesen Schwierigkeiten gut durchgebracht und mir ein sehr gut bestelltes Haus hinterlassen, und dafür bin ich sehr dankbar. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Das Angebot kam für mich sehr überraschend. Ich habe es trotzdem sehr gerne ange­nommen, freue mich über die Chance, die Expertise, die ich in der Wissenschaft sam­meln konnte – und mir ist natürlich klar, das ist anders als das politische Umfeld –, ein­bringen zu können und aktiv mitgestalten zu können.

Das Gute am Thema Arbeit ist aus meiner Sicht, dass alle Parteien hier im Parlament, auch alle Menschen das gleiche Ziel haben: Wir wollen möglichst rasch und möglichst nahe an Vollbeschäftigung herankommen. Es gibt natürlich Unterschiede in den Instru­menten, in den Maßnahmen, die bevorzugt werden, und ich bin jemand – wer mich kennt, weiß das –, der sehr gerne über diese Maßnahmen, über die Instrumente, über die richtigen Maßnahmen diskutiert, auch kontrovers diskutiert, am liebsten natürlich nicht auf Basis von einzelnen aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen, sondern auf Basis von mehr Substanz. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Jetzt ist Zitieren auch schon problematisch!)

Ich lasse mich in solchen Diskussionen auch gerne überzeugen – ich habe natürlich eine Meinung, bin aber nicht jemand, der sich, wenn die Evidenz in eine andere Richtung schlägt, an dieser Meinung festkrallt.

Ich bin mir der Verantwortung, die dieses Amt mit sich bringt, bewusst. Verantwortungs­bewusstsein ist aus meiner Sicht – das war auch der Grund, das zu machen – gerade jetzt gefragt. Wir sind in einer tiefen Wirtschaftskrise, in einer tiefen Arbeitsmarktkrise, der tiefsten seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit, ausgelöst durch eine Pandemie. Die Krise ist leider noch nicht überstanden. Mir ist bewusst, wie schwer die Lage auch für die einzelnen Personen, die Menschen auf dem Arbeitsmarkt ist, für jene, die Arbeit suchen, aber auch für jene, die in Beschäftigung sind und vielleicht das Gefühl haben, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet ist, wodurch Angst entsteht.

All das ist etwas, was mir auch sehr nahegeht, und ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass sich die Lage rasch bessert. Mit aktuell rund 530 000 Arbeitslosen und gut 410 000 Personen, die in Kurzarbeit sind, bringt diese Krise große Herausforderun­gen für den Arbeitsmarkt mit sich. Wir müssen daher, und das ist meine feste Überzeu­gung, das Infektionsgeschehen rasch in den Griff bekommen – mit den richtigen Maß­nahmen, mit der Impfung –, damit weitere Öffnungsschritte möglich sind und damit auch wieder eine Entspannung am Arbeitsmarkt Platz greift.

Daher der Appell an alle, auch die, die via Fernsehen oder via Livestream dabei sind, sich an die Infektionsregeln zu halten. Das wird in den nächsten Wochen ganz entschei­dend sein: ein Verständnis dafür aufzubringen, dass die Regeln zwar schwer und hart sind, dass wir alle müde sind, dass aber die Erholung auf dem Arbeitsmarkt, in der Wirt­schaft nur möglich ist, wenn wir das in den nächsten Wochen tun, um dann möglichst rasch wieder langfristig aus der Krise herauszukommen. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Wichtig ist auch, die Chance zu nutzen, sich impfen zu lassen. Längerfristig ist die Schutzimpfung das bei Weitem beste Mittel, um die Ausbreitung der Pandemie in den Griff zu bekommen und wieder zu einem Leben zurückzukommen, das wir als normaler empfinden als das Leben, das wir derzeit haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen.)

Was den Arbeitsmarkt und den Standort betrifft, so geht es jetzt darum, die Folgen der Arbeitslosigkeit abzufedern und die Auswirkungen der Pandemie so gering wie möglich zu halten. Das tun wir aktuell unter anderem – das ist bekannt – mit der Kurzarbeit spe­ziell für diese Krise. Über eine Million Jobs konnten damit in Österreich bisher erhalten bleiben und eine kurzfristige massive Unterauslastung überbrückt werden. Die Kurzar­beit ist nach wie vor relevant, besonders natürlich während Lockdownzeiten. Wie wir mit der Kurzarbeit nach dem Auslaufen von Phase drei im März weiter fortfahren, ist natür­lich von den Infektionszahlen und den damit einhergehenden Öffnungsschritten ab­hängig. Jedenfalls müssen wir sehr rasch über die Zukunft der Kurzarbeit diskutieren.

Im Budget 2021 haben wir einen sehr großen Betrag für den Themenbereich Arbeit und Beschäftigung vorgesehen. Das zeigt, dass diesem Bereich von der Bundesregierung eine hohe Priorität zugemessen wird. Wir haben dem Bereich Arbeitsmarkt und Beschäf­tigung 30 Milliarden Euro zugerechnet, und jeder weiß, dass Budgets in Zahlen gegos­sene Politik sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Neben der Kurzarbeit stehen mehrere weitere Maßnahmen bereit, die eine Reaktion auf die aktuelle Situation sind. Mit der Joboffensive – die Arbeitsmarktstiftung ist angespro­chen worden – investieren wir intensiv in Ausbildungsvorbereitung und Qualifizierung. Qualifizierung wird entscheidend sein, um nach der Krise möglichst rasch wieder Be­schäftigung zu schaffen und für alle bessere Chancen zu bieten. Dafür gibt es alleine heuer, im Jahr 2021, 428 Millionen Euro. Das ist wichtig, weil wir eben langfristige Lösun­gen brauchen, um nach der Krise wieder auf den Fachkräftemangel reagieren zu kön­nen.

Zweitens geht es mir um die Zukunft des Arbeitens. Da geht es um die Gestaltung von Homeoffice, und das hat für mich hohe Priorität. Homeoffice hat besonders während der Pandemie an Bedeutung gewonnen, aber ich erwarte auch, dass nach der Pandemie die Nachfrage nach Lösungen für Arbeiten im Homeoffice groß sein wird. Ich habe mir daher zum Ziel gesetzt, möglichst bald im Einvernehmen mit den Sozialpartnern eine Lösung zu präsentieren. Ich weiß, wir warten schon lange auf diese Lösung – sie soll in den nächsten Wochen kommen.

Drittens: Seit Sommer forciert die Taskforce für Jugendbeschäftigung gezielt Ausbil­dung, Beschäftigung und Vermittlung junger Menschen. Es gelingt dem AMS auch wäh­rend der Krise laufend, Jugendliche zu vermitteln: Letztes Jahr waren das 83 000 Per­sonen im Alter von 20 bis 24. Für die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen ist die Lage am Arbeitsmarkt besonders schwierig, das ist mir klar, trotzdem stehen wir im Ver­gleich noch einigermaßen gut da: Wir haben die drittniedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa. Sie ist zu hoch, das ist mir klar, aber wir haben es geschafft, die Krisenfolgen einigermaßen abzufedern.

Viertens: Der Neustartbonus setzt entsprechende Anreize für arbeitslose Menschen, da­mit sie wieder aus der Arbeitslosigkeit geholt werden und in eine vollversicherte Be­schäftigung wechseln können.

Wir werden natürlich in der aktuellen Krisenzeit grundsätzlich weitere Maßnahmen brau­chen – Angebote für spezifische Zielgruppen und auch immer Anpassungen an die ak­tuellen Gegebenheiten –, aber wir müssen Schritt für Schritt vorangehen. Der erste Schritt ist jetzt die Akutbewältigung: die Bewältigung der Krise, solange es noch Ein­schränkungen in der Geschäftstätigkeit und Schließungen gibt. Dafür gibt es Instru­mente, die weiterentwickelt werden müssen. Wir werden auch relativ rasch die Maßnah­men vorbereiten, die noch notwendig sind, bis es dann hoffentlich sehr schnell im Laufe des Frühjahrs wieder eine großflächige Öffnung gibt und sich auch der Arbeitsmarkt zum Teil erholen wird.

Es wird aber auch danach noch Schwierigkeiten geben. Wir werden danach eine Wachs­tumsstrategie brauchen, eine rasche Strategie, um eben Beschäftigung zu schaffen und den Sockel an Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Ein weiterer Punkt, der aber in meinem Haus auch schon angegangen wird, ist die Gestaltung der Zukunft der Arbeit. Arbeit in fünf oder zehn Jahren wird anders ausschauen als Arbeit vor fünf oder zehn Jahren, und die Krise hat diesen Strukturwandel beschleunigt.

All diese Maßnahmen sollen uns näher an das Ziel, die Krise zu bewältigen, bringen. Am Ar­beitsmarkt wird es einige Jahre dauern, bis das vollständig möglich ist. (Abg. Kickl: ... einige Jahre!) Je besser es uns gelingt, desto schneller können wir wieder zu einem Wachs­tumspfad am österreichischen Arbeitsmarkt zurückfinden, und umso besser sind wir für die Zukunft der Arbeit gerüstet.

Ich freue mich, mit Ihnen allen, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kolle­gen, für Österreich, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Unterneh­men in diesem Land arbeiten zu dürfen. Machen wir uns an die Arbeit! (Lang anhaltender Beifall bei ÖVP und Grünen sowie Beifall bei Abgeordneten der NEOS.)

10.34

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Belako­witsch. – Bitte.