10.35

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werter Herr Arbeitsminister, ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ihre Rede jetzt war mehr als enttäuschend. Sie haben doch ein tolles Curriculum Vitae, eine enor­me Expertise, die wir auch in keinem Fall anzweifeln, sondern schätzen, aber ich möchte schon dazusagen: Auch Karl Marx hatte eine Expertise im Bereich der Wirtschaft, und auch diese Expertise ist anerkannt. (Zwischenruf der Abg. Maurer. – Heiterkeit des Abg. Kickl.) Die Frage ist nur, was Sie daraus machen. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Arbeitsminister, bei dem, was Sie uns hier gerade geboten haben, muss man ehr­licherweise schon ein bisschen darüber nachdenken, was Sie sich da überlegt ha­ben. Zunächst einmal haben Sie uns gleich gesagt, diese Krise am Arbeitsmarkt wird noch einige Jahre dauern. Finanzminister Blümel hat vor wenigen Wochen gesagt, im Jahr 2021, spätestens 2022 haben wir das Loch überwunden. Darüber müssen Sie sich, glaube ich, innerhalb dieser Regierung noch ein bisschen einig werden. Gut, Sie sind ja auch noch kein ÖVP-Mitglied, aber das wird schon noch werden – Sie werden schon noch unter die Fittiche genommen werden, damit Ihnen da keine weiteren Versprecher mehr unterlaufen.

Meine Damen und Herren, Herr Minister, Sie wissen aber schon: Wir haben massive soziale Probleme in unserem Land, und die werden noch größer werden. Wir haben derzeit über eine Million Menschen, die de facto beschäftigungslos sind, nämlich fast 500 000 in Kurzarbeit und über eine halbe Million Menschen, die derzeit arbeitslos sind. Jede Woche des Lockdowns bringt uns weitere 15 000 Personen, die arbeitslos wer­den – jede weitere Woche. Als ich Ihnen jetzt zugehört habe, habe ich erfahren, dass Sie davon ausgehen, dass irgendwann, vielleicht im Laufe des Frühlings, aufgesperrt werden wird. Man braucht kein großer Prophet zu sein: Schauen Sie auf der Homepage des Dots, eines Lokals auf der Wiener Mariahilfer Straße, nach! Dort können Sie für ab dem 14.4. buchen. Es ist bekannt, dass Herr Ho gute Verbindungen in höchste Regie­rungskreise hat und auch immer sehr genau weiß, wann er seine Lokale auf- und zu­sperrt. Es wäre nicht das erste Mal, dass er uns sagt, wie lange ein Lockdown dauern wird, Herr Bundesminister. (Beifall bei der FPÖ.)

Während die Arbeitslosigkeit in jeder Woche des Lockdowns steigt, sinkt das Wirt­schaftswachstum in jeder Woche des Lockdowns, nämlich in etwa um 0,1 Prozent. Wenn ich mir die Prognose anschaue, die die OECD für Österreich abgegeben hat – sie rechnet im heurigen Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,4 Prozent –, dann stelle ich fest, dass sie diese Bundesregierung schon richtig eingeschätzt hat. 1,3 bis 1,4 Pro­zent Wachstum haben wir in jedem Fall, nämlich dann, wenn – egal, was die Bundesre­gierung macht – de facto ein Nullwachstum stattfindet. Das schätzt die OECD für Öster­reich. Das ist kein gutes Zeugnis, damit sind wir international bei den Schlechtesten, meine Damen und Herren, und das hat natürlich auch seinen Grund. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, diese Bundesregierung schiebt alles – und das haben Sie jetzt wieder ge­macht, Herr Arbeitsminister – auf irgendwelche Infektionszahlen. Die Infektionszahlen sind nicht schuld an diesem wirtschaftlichen Desaster, in dem wir stecken. (Zwischenruf des Abg. Obernosterer.) Schuld sind die Maßnahmen dieser Bundesregierung, schuld ist dieses sinnlose Zusperren (Beifall bei der FPÖ) – das ist schuld an diesem Wirt­schaftsdesaster, in dem Österreich sich befindet.

Österreich ist eines der Schlusslichter in Europa, das sollte man ja auch nicht vergessen. Wir haben eine der höchsten Inflationsraten in ganz Europa – praktisch alle anderen EU-Länder stehen besser da als wir. Das ist natürlich ein großartiges Verdienst dieser Bun­desregierung! Der Kanzler ist eh schon gegangen, der will sich das gar nicht mehr an­hören. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.) Er hat heute hier seine Erklärung ab­gegeben, hat sich den Applaus von der ÖVP geholt, und jetzt ist er wieder weg. (Abg. Michael Hammer: Recht hat er!) Wahrscheinlich holt er sich die nächsten Eingebungen von Frau Merkel ab. Das ist doch die Wahrheit: Wenn Frau Merkel ruft, muss der Kanzler springen, meine Damen und Herren, und genau so schaut die Politik in Österreich aus! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Sieber.)

Herr Minister, ich komme jetzt wieder auf Sie zurück, und wenn ich mir anschaue, was Sie an Zitaten – einiges ist heute schon gefallen – schon so von sich gegeben haben, kann ich Ihnen eines nicht ersparen: Wir sind jetzt in einer Krise, und in dieser Krise, meine Damen und Herren, gibt es eine Berufsgruppe, die mit Sicherheit ganz besonders drangekommen ist: Das waren die Krankenpfleger. Das ist aber auch eine Berufsgruppe, die nicht besonders geschätzt ist und auch nicht besonders gut verdient.

Ihr einziger Kommentar zu den Pflegern war: „Offensichtlich wird der Wert der Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert“. Herr Minister, ich würde Sie bitten: Überdenken Sie diese Aussage! Ich glaube, die Pflegekräfte haben eine gute Ausbildung, sind einer enormen Belastung ausgesetzt, und die Tätigkeit erfor­dert spezifische Fähigkeiten. (Beifall bei der FPÖ.) Es wäre gut, Herr Minister, wenn Sie sich etwas respektvoller den Pflegekräften widmen würden, denn sie leisten wirklich Enormes.

Herr Präsident, meine Uhr! (Sich zum Präsidenten umdrehend deutet die Rednerin auf das Uhrendisplay am Rednerpult.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Sie haben insgesamt 14 Minuten; 5 Minuten sind vorbei.

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Da leuchtet aber nichts und da stehen immer noch die 5 Minuten. (Abg. Kickl: Da leuchtet aber nichts! – Weitere Zwi­schenrufe bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Wissen Sie, die Erleuch­tung würden die Herrschaften da drüben (in Richtung ÖVP) brauchen. Ihr bräuchtet einmal eine Erleuchtung (Zwischenruf bei der ÖVP), muss man sagen, wenn man sich das ansieht, was ihr in diesem Land aufführt, wie ihr dieses Land gegen die Wand fahrt, wie ihr es runtergefahren habt, und bis 14. April wollt ihr ja zu lassen. Die Schulen bleiben zu! Der Minister erzählt uns, wie arm die Jugendlichen am Arbeitsmarkt sind, und was ist die Antwort der ÖVP? – Die Schulen bleiben zu. Na, bitte schön, dann wird es immer schwieriger werden, dass wir die Jugendarbeitslosigkeit auf die Reihe bekommen. Das ist die Wahrheit. Ihr braucht das Licht der Erleuchtung. (Beifall bei der FPÖ.)

Da ich jetzt noch ein paar Sekunden Redezeit bekommen habe, bringe ich noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „NEO-Liberaler Theoretiker als Arbeitsminister: Nein Danke!“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:

- Die Wiedereinführung und Adaptierung der ,Hacklerregelung‘ für Langzeitversicherte.

- Ein ,COVID19-Ausgleich‘ für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschlages zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020, auszuzah­lend durch die Finanzämter.

- Eine praxisorientierte arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelung für ,Homeoffice‘-Arbeitsplätze.

- Jedem österreichischen Staatsbürger Gutscheine im Wert von insgesamt 2.000.- Euro auszustellen, die bis 31. Dezember 2021 nur bei heimischen und in Österreich steuer­pflichtigen Betrieben eingelöst werden können (Österreichgutscheine 2020/2021).“

*****

Das wäre notwendig, um die heimischen Unternehmen auch wieder ein bisschen zu unterstützen, denn die Einzigen, die von Ihrer Politik profitieren, das sind die großen Konzerne, die Onlineversandhäuser. Das sind die, die die Pluspunkte schreiben, und dort wird schon jeden Tag gefeiert. (Beifall bei der FPÖ.)

10.42

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm, Erwin Angerer und weiterer Abgeordneter

betreffend NEO-Liberaler Theoretiker als Arbeitsminister: Nein Danke!

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1) Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesministers für Arbeit, Familie und Jugend in der 77. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 14. Jänner 2021.

In der ersten Republik gab es die Bezeichnung „Prälat ohne Milde“ für den Sozialminis­ter, Bundeskanzler und Obmann der Christlich-Sozialen, Ignaz Seipel. Wenn man sich die bisherigen Aussagen des neuen ÖVP-Arbeitsministers Univ.Prof. Martin Kocher im Zusammenhang mit der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ansieht, dann gewinnt man den Eindruck, dass die historische politische Persönlichkeit Prälat Ignaz Seipel und der ak­tuelle Arbeitsminister nicht nur die Haartracht miteinander teilen.

Auch der Wirtschaftstheoretiker Kocher hält wenig bis Nichts vom österreichischen So­zialstaat, das hat er als einer der berühmt-berüchtigten Wirtschaftsberater der schwarz-türkisen ÖVP und ihrer ideologischen Netzwerke mehrfach bewiesen. Er gibt den NEO-Liberalen Theoretiker als Experte und er wird diesen auch als Arbeitsminister geben. Und dazu sagt die FPÖ als soziale Heimatpartei aus ganzem Herzen; „Nein Danke!“

Obwohl die gleichgeschalteten Propagandaabteilungen aus dem ÖVP-Bundeskanzler­amt Martin Kocher als „unabhängigen Experten“ zu präsentieren versuchen, ist er ein beinharter Wirtschaftsliberaler ohne Empathie für den österreichischen Sozialstaat und seine Errungenschaften.

Martin Kocher ist gegen höhere Pensionen und gegen die Erhöhung des Arbeitslosen­geldes in der durch Covid-19-Maßnahmen der schwarz-grünen Bundesregierung provo­zierten Wirtschaftskrise. Der neue ÖVP-Arbeitsminister möchte stattessen, dass die österreichischen Beschäftigten später in Pension gehen und dass das Personal im Handel auch am Sonntag arbeiten müsse.

Das Online-Magazin Neuezeit.at bringt einige Zitate des neuen ÖVP-Ministers, der im­merhin für die Arbeitsagenden, und somit einem zentralen Politikfeld in der österreichi­schen Sozialpolitik zuständig ist:

„Mehr Gerechtigkeit führt zu einem Verlust an Effizienz“.

„Die Gefahr ist aber, wenn etwas öffentlich und gerecht organisiert ist, dass es wenig Innovation und Dynamik gibt“

„Offensichtlich wird der Wert von Pflege gering bemessen, weil sie kaum spezifische Fähigkeiten erfordert, und es zu viel Angebot am Arbeitsmarkt gibt.“

„Wenn man das Arbeitslosengeld jetzt erhöht, wird es schwierig sein, es wieder abzu­senken.“

Österreich hat einen neuen Arbeitsminister: So tickt Martin Kocher (neuezeit.at)

Damit nicht genug, hat sich Martin Kocher auch als neoliberaler Chef-Ideologe im hoch­subventionierten Institut für Höhere Studien (IHS) immer wieder als Ideenspender der ÖVP, die ihn jetzt zum Dank in ein Ministeramt gehievt hat, betätigt.

Und das Institut für Höhere Studien dürfte auch der Anknüpfungspunkt für die engen Kontakte zu den Grünen sein. Die amtierende grüne Klubobfrau Sigrid Maurer war nach „großzügigen Studien“ an den Universitäten Innsbruck und Wien, zuletzt im Fach „Sozio­logie“, im IHS nach dem Scheitern der Grünen bei der Nationalratswahl 2017 unter dem Titel

„Sozialwissenschaftlerin, Institut für Höhere Studien - Higher Education Research 3/2018–10/2019“

geparkt.

Sigrid Maurer, BA, Biografie (parlament.gv.at)

Um keine neue „soziale Eiszeit“ durch den NEO-Liberalen Professor im Arbeitsminis­terium aufkommen zu lassen, ist es notwendig, dass dies durch entsprechende legisti­sche Maßnahmen verhindert wird. Deshalb wir die soziale Heimatpartei FPÖ eine Reihe von Maßnahmen gesetzlicher Natur vorschlagen, um vor allen im Angesicht der Covid-Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise hier gegenzusteuern.

Dieses Covid-19-Maßnahmenpaket gegen die neue „soziale Eiszeit“ umfasst:

-           Die Wiedereinführung der „Hacklerregelung“

-           Die Umsetzung einer längst überfälligen arbeits-, steuer- und sozialversiche­rungsrechtlichen Regelung für „Homeoffice“-Arbeitsplätze

-           die Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld befristet auf die Zeit der Covid-19-Arbeitsmarkt- und Wirtschaftskrise

-           die Einführung von „Österreich-Gutscheinen “ für den Zeitraum 2020/2021 mit einem Gesamtbetrag von 2.000,- Euro.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzu­leiten, die gesetzliche Regelungen für folgende Maßnahmen umfasst:

•           Die Wiedereinführung und Adaptierung der „Hacklerregelung“ für Langzeitversi­cherte.

•           Ein „COVID19-Ausgleich" für Arbeitslose in Form eines 30-prozentigen Zuschla­ges zu allen Arbeitslosenversicherungsleistungen rückwirkend mit 15. März 2020, auszuzahlend durch die Finanzämter.

•           Eine praxisorientierte arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rege­lung für „Homeoffice“-Arbeitsplätze.

•           Jedem österreichischen Staatsbürger Gutscheine im Wert von insgesamt 2.000.- Eu­ro auszustellen, die bis 31. Dezember 2021 nur bei heimischen und in Öster­reich steuerpflichtigen Betrieben eingelöst werden können (Österreichgutschei­ne 2020/2021).

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung. Sie hätten noch eine Restredezeit von etwa 13 Minuten gehabt, es war also keine Eile.

Die nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte sehr. (Abg. Stefan: Stellen wir die Uhr jetzt nicht mehr ein? – Abg. Kickl: Bis jetzt hat er immer im U-Ausschuss ge­schlafen, jetzt schläft er hier auch schon!)