10.34

Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter Einwallner hat völlig recht: der Re­formbedarf des alten Verfassungsschutzes war und ist mehr als sichtbar. Der Verfas­sungsschutz ist 20 Jahre alt; er ist die Schutzmauer der Republik, und es ist unbestritten, dass die Schutzmauer der Republik Risse bekommen hat. Genau deshalb hat sich diese Bundesregierung schon im Regierungsprogramm zum Ziel gesetzt, dass der Verfas­sungsschutz umfassend reformiert und neu aufgestellt wird.

Ich darf jetzt ein Jahr Innenminister sein, und im Februar letzten Jahres habe ich den Projektauftrag erteilt, genau mit dieser Reform des Verfassungsschutzes zu beginnen, und zwar mit jenem Mann als Projektleiter, der von einem meiner Vorgänger als Innenmi­nister, der hohes Ansehen hier im Hause genießt, nämlich Wolfgang Peschorn, einge­setzt worden ist, um den Verfassungsschutz zu beleuchten. Dies ist Dr. Franz Ruf, mitt­lerweile Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. Er ist Projektverantwortlicher für die­ses und damit eines der wichtigsten Projekte in der Sicherheitsgeschichte der Zweiten Republik.

Ja, es ist ein umfassendes Projekt. Warum? – Weil wir nicht nur kleine Veränderungen, keine Kosmetik vornehmen wollen, sondern tatsächlich die Struktur des Verfassungs­schutzes nach den neuesten Erkenntnissen komplett verändern und neu aufbauen wol­len. Diese neuesten Erkenntnisse sagen, es braucht die Trennung des nachrichten­dienstlichen Teils vom staatspolizeilichen, es braucht eine umfassende Neuaufstellung, und zwar die Ausbildung, die Auswahl und auch die Sicherheitsüberprüfung betreffend.

Jetzt, Herr Abgeordneter Einwallner, bin ich ein wenig überrascht – da ich noch aus un­serer gemeinsamen Zeit an der Donauuniversität weiß, dass Sie über ein gutes Ge­dächtnis verfügen –, da sehr wohl schon auch hier im Hohen Haus wichtige Gesetzes­schritte veranlasst worden sind, die zwar – ja, das stimmt – dann im Bundesrat blockiert worden sind, wodurch eine Verzögerung eingetreten ist, die aber dann im September endlich ihre Wirkung entfalten konnten.

Diese drei wichtigen Punkte waren genau die letzten, die ich aufgezählt habe: Wir haben die Ausbildung neu geregelt, die wichtig ist, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verfassungsschutz kommen wollen, und auch für die bestehenden, die bleiben können oder sollen. Wir haben die Auswahlkriterien verändert. Wir haben ein objektives Aus­wahlverfahren geschaffen, das für zukünftige neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verfassungsschutz dreistufig ist, und die erste Stufe des Auswahlverfahrens ist anony­misiert, sodass man Einflussnahmen möglichst von vornherein ausschließen kann.

Das waren darüber hinaus Ausbildung und Auswahl, Sicherheitsüberprüfung. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der hier im Hohen Haus beschlossen worden ist. Warum? – Weil gerade diese Sicherheitsüberprüfung Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Part­nerdienste ist, und da gab es tatsächlich einen schweren Vertrauensverlust, auch das haben Sie richtig ausgeführt. Und ja, durch die Reformschritte, die wir bereits eingeleitet haben, ist das Vertrauen in die Republik Österreich, in ihren Verfassungsschutz, wieder deutlich gewachsen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt können Sie natürlich behaupten – das bleibt Ihnen auch unbenommen –, das sei eine Schutzbehauptung des Innenministers: Was soll er denn anderes sagen?, aber ich habe namhafte Zeugen dafür: Wenn es um den Innenminister der Bundesrepublik Deutschland geht, dann ist das Horst Seehofer, wenn es um unsere Partner in Israel geht, dann ist es der israelische Innenminister, wenn es um die Partner in den USA geht, dann sind es die Sicherheitsverantwortlichen dort, was den CIA und auch das FBI betrifft. Die Letztgenannten gehörten zu den wichtigsten Verbündeten, als es darum gegangen ist, die Hintergründe des verheerenden Terroranschlages vom 2. November aufzuklären.

Was die wichtige Kooperation mit Israel angeht, konnte auch da das Vertrauen zurück­gewonnen werden, weil uns der Schlag gegen die Muslimbruderschaft gelungen ist, weil uns ein massiver Schlag gegen die Finanzierungsnetzwerke der Hamas gelungen ist, und die Hamas verbreitet Leid und Terror. Und ja, Herr Abgeordneter Einwallner, auch dieser Erfolg ist Polizistinnen und Polizisten des Verfassungsschutzes auf Bundesebene und auf Landesebene zuzuschreiben.

Das heißt also, wir müssen umfassend reformieren und uns neu aufstellen. Wir sind dabei Gott sei Dank auch mit den Koalitionspartnern in der entscheidenden Phase, so­dass wir jetzt in der finalen Phase die gesetzlichen Rahmenbedingungen abstimmen, um die Grundstruktur zu schaffen – diese Trennung Nachrichtendienst und Staatspoli­zei. Anders als bei manchen dann nicht so erfolgreichen Modellen sind diese nicht in getrennten Institutionen, sondern in einer Organisationseinheit, was bedeutet, dass auf der einen Seite die Informationen des Nachrichtendienstes, der sich mit der Gefahren­aufklärung befasst, und andererseits jene der Staatspolizei, die sich mit der Gefahrenab­wehr befasst, zusammengeführt werden, damit es eben keine oder weniger Informa­tionsverluste gibt.

Nicht einmal 48 Stunden nach dem verheerenden Terroranschlag war es mir als Innen­minister und der Justizministerin wichtig, Nachschau zu halten, wo in den jeweiligen Be­reichen – sprich Verfassungsschutz Bundesebene, Verfassungsschutz Landesebene, Justizministerium, Justizanstalten – Fehler aufgezeigt wurden und mögliche Verbesse­rungen notwendig sind.

Ja, Herr Kollege Einwallner, ich stehe umfassend zu diesem Kommissionsbericht, weil er uns im Neuaufbau des Verfassungsschutzes unterstützt und hilft, und ich sage ein großes Danke für den Mut und die Entschlossenheit der Kommissionsmitglieder, scho­nungslos und klar die Fehler aufzuzeigen. Genau diese Erkenntnisse werden auch in die Reform des neuen Verfassungsschutzes einfließen, weil das notwendig und richtig ist.

Nur eines vorweg: Es gibt keine Organisation, in der Menschen arbeiten, in der keine Fehler passieren. Das Entscheidende ist, dass wir jetzt eine Struktur neu bauen, dass Fehler erkannt und vor allem nicht wiederholt werden. Das ist tatsächlich ein aufwendi­ges und ein schwieriges Projekt, und es ist eine äußerst fordernde Aufgabe für die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ja, wir sind in dieser Zweiten Republik tatsächlich in einem hohen Ausmaß bedroht, einerseits vom dschihadistischen Terrorismus, der sich mit dem Terroranschlag am 2. November manifestiert hat, andererseits sind wir von einer rechtsextremen Szene be­droht, die sich zusehends in einem hohen Ausmaß bewaffnet. Der letzte Waffenfund – auch das ein Beweis für die internationale Zusammenarbeit – hat es wieder gezeigt: über 100 vollautomatische Waffen, mehr als 40 Kilo Sprengstoff, Handgranaten, Sprengmittel aller Art, Munition, Magazine. Das heißt, wir müssen hier wachsam sein, und auch in diesem Bereich ist die Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland, die leider schon mehrere Jahre unter rechtsextremem Terror leidet, ganz wesentlich und wichtig.

Eine europäische Organisation, die gezeigt hat, wie wichtig Kooperation und das Ver­trauen der Dienste zueinander ist, möchte ich hier erwähnen: Europol. Durch das Zu­sammenwirken von Europol mit den Partnerdiensten des FBI in den USA ist es eben gelungen, sehr rasch zielgerichtete Ermittlungen im Umfeld des Attentäters zu führen, von denen Kollege Einwallner gesprochen hat.

Was bedeutet das für die Zukunft, meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Ho­hen Haus? – Wir haben einen umfassenden Reformprozess gestartet. Wir haben Rah­menbedingungen für die Personalauswahl und für die Personalgewinnung geschaffen. Wir müssen nun die Gesetze für die Struktur schaffen, und da werbe ich förmlich um Ihre Zustimmung, die Zustimmung vonseiten der Opposition für dieses Projekt, denn der Ver­fassungsschutz an sich sollte kein Spielball der parteipolitischen Taktik, sondern ein all­gemeines Anliegen sein. (Beifall bei der ÖVP.)

Welche Schritte wurden von meiner Seite dazu gesetzt, um Ihr Vertrauen zu gewinnen und Sie von der Opposition einzubinden? – Expertinnen und Experten aller hier vertrete­nen Parteien sind in diesen Reformprozess eingebunden. Der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit hat von mir den Auftrag erhalten, mit allen Sicherheitssprechern des Parlaments Gespräche zu führen, was mittlerweile mehrfach geschehen ist, um über den Reformprozess zu informieren und gleichzeitig auch Anregungen vonseiten der Op­positionsparteien entgegenzunehmen.

Wir sind da aus meiner Sicht auf einem wichtigen, auf einem guten, auf einem konstruk­tiven Weg. Es braucht einen starken Verfassungsschutz, weil die Bedrohungslagen nicht weniger, sondern mehr werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Hohen Haus, ich bitte um Geschlos­senheit im Kampf gegen den Terrorismus, im Kampf gegen die organisierte Kriminalität, denn mit dieser Geschlossenheit drücken wir auch Einigkeit aus, dass der neue Verfas­sungsschutz in der Zukunft eine große und breite Unterstützung hier im Hohen Haus haben wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

10.43

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mahrer. – Bitte.