10.53

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die schwarzen Löcher des BVT sind das Thema dieser Aktuellen Europastunde der SPÖ. Damit ist ja gemeint, dass das BVT keine ausländischen oder zu wenig ausländische Informationen bekommt. Na ja, es hat natürlich einen Vertrauensverlust bei befreundeten Diensten gegeben – das ist im Bericht des Berner Clubs, in dem unsere Partnerdienste mit uns organisiert sind, auch klipp und klar nachzulesen –, und dafür gab es vielerlei Gründe, zum Beispiel dass im BVT Mitarbeiter nicht ordentlich sicherheitsüberprüft waren, dass nicht ausreichend oder überhaupt nicht qualifizierte Personen in gewisse Funktionen, vor allem in Führungs­funktionen, gehievt wurden – das sind natürlich alles Parteigänger der ÖVP gewesen; Parteibuch vor Qualifikation, das ist ein System, das seit nahezu zwei Jahrzehnten im BVT gelebt wird, und es herrscht dort auch ein Klima des gegenseitigen Misstrauens –, und es wurde bemängelt, dass Mitarbeiter private Handys in Hochsicherheitsbereiche mitgenommen haben, und so weiter und so fort. – Das ist das eine.

Was Ihnen, Herr Innenminister, und Ihren Behörden, für die Sie die politische Verantwor­tung tragen, aber vorzuwerfen ist, ist, dass das Versagen ja auch trotz des Umstandes stattgefunden hat, dass die Informationen der ausländischen Nachrichtendienste klipp und klar auf dem Tisch gelegen sind. Das darf man ja auch nicht vergessen: Der Infor­mationsfluss der europäischen Partnerdienste hat ja trotzdem immer relativ gut funk­tioniert, und im Fall des Terroranschlags des Vorjahres, von dem wir gerade gesprochen haben und der vier Menschen das Leben gekostet hat, gab es Nachrichten von den slowakischen Behörden und den deutschen Behörden.

Ein bisschen zur Chronologie: Am 5.12.2019 kam es zur bedingten Entlassung dieses Herrn K. F., jenes Herrn, der versucht hat, im Jahr 2018 über die Türkei zuerst nach Afghanistan zu reisen, um sich den Taliban anzuschließen – das ist gescheitert –, und dann probiert hat, nach Syrien weiterzureisen, um für den IS zu kämpfen – das ist auch gescheitert. Er wurde in der Türkei verhaftet und nach Österreich zurückgebracht, wurde in Österreich sofort verhaftet und der Justiz zugeführt – übrigens damals unter Innenmi­nister Herbert Kickl. Das muss man also auch einmal richtigstellen: Unter Herbert Kickl wurde dieser Mann der Justiz zugeführt, wurde eingesperrt und unter Ihrer Regentschaft im BMI wurde er trotz erdrückender Hinweise nicht mehr festgenommen. Das muss man Ihnen gleich vorweg an die Fahne heften. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie gesagt, am 5.12.2019 kam es eben zur bedingten Haftentlassung, und am 6.12., also einen Tag nach der Haftentlassung, war das erste Bedürfnis dieses Menschen, eine unter Beobachtung stehende Moschee zu besuchen und sich dort mit Islamisten zu treffen. Über mehrere Monate hinweg hat er immer wieder einschlägige, unter Überwa­chung stehende Moscheen besucht – und das, bitte, alles unter Beobachtung des Ver­fassungsschutzes! Das ist alles auch im Zwischenbericht dieser Kommission, die Minis­ter Nehammer eingesetzt hat, dokumentiert.

Sie wissen ja, wir haben diese Kommission sehr, sehr kritisch gesehen und tun das immer noch, weil wir uns lieber eine parlamentarische Kontrolle gewünscht hätten. Da­rum haben wir auch gemeinsam mit den NEOS und mit den Sozialdemokraten einen Antrag gestellt, um die parlamentarische Kontrolle – die es ja derzeit nicht wirklich zufrie­denstellend gibt – im Zuge der BVT-Reform zu stärken und auszubauen – aber sei’s drum.

Sie haben diese Kommission eingesetzt, die ja eigentlich das Ziel hatte, eine Nehammer-Reinwaschungskommission zu sein (Bundesminister Nehammer schüttelt den Kopf), aber nicht einmal diese Kommission hat es geschafft, Nehammer reinzuwaschen. Ganz im Gegenteil, es ist ein bemerkenswert offener und schonungsloser Bericht geworden. Einer der – aus meiner Sicht – zwei zentralen Punkte, die dieses BVT- und Behördenver­sagen dokumentieren, ist zunächst dieses Islamistentreffen, das im Juli 2020 in Wien stattgefunden hat. Das deutsche BKA warnte unsere Behörden davor und unter den Augen des Verfassungsschutzes fand im Juli ein mehrtägiges Treffen mit Islamisten, Dschihadisten aus der Bundesrepublik Deutschland und aus der Schweiz inklusive Sightseeingtour durch die Wiener Moscheenszene statt. – Es ist nichts passiert. Die sind am 20. Juli wieder abgereist.

Am 21. Juli, also einen Tag nach diesem unter Beobachtung stehenden Treffen, hat dieser Versuch des Munitionskaufs in der Slowakei stattgefunden. Die slowakischen Be­hörden haben das BVT umgehend über diesen versuchten Munitionskauf informiert. Das BVT hat was gemacht? – Es hat nichts gemacht. Es hat einen Monat lang diese Informa­tion überhaupt liegen gelassen, dann wurde das ans LVT weitergegeben. Das LVT hat am nächsten Tag gleich die Identität bestätigt. Es gab ein Hin und Her: Nein, der hat ein Kapperl aufgehabt, den können wir nicht genau erkennen.

Faktum aber ist: Am 16. Oktober haben die slowakischen Behörden zweifellos die Iden­tität des späteren Attentäters bestätigt, und das ist der allerletzte Zeitpunkt – meines Erachtens hätten Sie früher einschreiten müssen, aber das ist der allerallerletzte Zeit­punkt –, an dem es keine Ausreden mehr gibt, zu dem das BVT hätte tätig werden müs­sen. – Das BVT hat nichts gemacht. Das BVT hätte die Staatsanwaltschaft informieren müssen und dann hätte die Staatsanwaltschaft Schritte einleiten können: Hausdurchsu­chungen bis hin zur Festsetzung und Festnahme. Das heißt, wenn das BVT ordentlich gearbeitet hätte, hätte dieser Täter aus dem Verkehr gezogen werden müssen und das Attentat wäre verhindert worden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist die ungeschminkte Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist ein Totalversagen unseres Verfassungsschutzes – das kann man nicht schönre­den, das kann man nicht wegdiskutieren. Da können Sie nicht mit Hausdurchsuchungen kommen, die fast zwei Jahre zuvor stattgefunden haben und im Übrigen – wie Sie genau wissen, Herr Mahrer – von der Staatsanwaltschaft angeordnet wurden. Das hat damit nichts zu tun.

Die Behörde, das BVT hat die Staatsanwaltschaft nicht informiert. Es gab somit keine Möglichkeit, diesen Täter aus dem Verkehr zu ziehen – und das können Sie nicht von sich weisen.

Natürlich sind nicht Sie persönlich schuld an diesen Vorgängen, aber es gibt auch eine politische Verantwortung für ein Behördenversagen (Zwischenruf der Abg. Belako­witsch), das am Ende des Tages vier Menschenleben kostete.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Diese politische Verant­wortung tragen Sie, Herr Nehammer, und daran werden wir Sie immer wieder erinnern, und die einzig notwendige und richtige Konsequenz wäre, Verantwortung zu überneh­men, zurückzutreten und somit auch für eine ordentliche Reform des Verfassungsschut­zes den Weg frei zu machen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bürstmayr. – Bitte.