11.43

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Evelyn Regner (SPÖ): Frau Präsiden­tin! Sehr geehrter Minister! Sehr geehrte Abgeordnete des Nationalrates und des Euro­päischen Parlaments! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Am 2. November hat der Terror Wien getroffen. Ich möchte den Hinterbliebenen der Opfer vom 2. November meine tiefe Anteilnahme ausdrücken, den Verletzten eine vollständige Genesung wün­schen, denn um sie geht es letztlich. (Beifall bei der SPÖ.)

Lange haben wir in Österreich mit einem Gefühl falscher Sicherheit gelebt, das haben vier Menschen mit dem Leben bezahlt. Wir haben nun deutlich gesehen, die Sicherheit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union betrifft die Sicherheit aller Menschen in der Europäischen Union, und deshalb müssen wir uns diese unangenehme Frage stel­len: Hätte dieser Anschlag nicht verhindert werden können?

Wieder einmal sehen wir Kommunikationsprobleme zwischen den Behörden, mangeln­de Schulungen, einen Mangel an Ressourcen, an finanziellen Mitteln, an personeller Ausstattung. Diese Schwachstellen kosten Menschenleben, verletzen Menschen, sie gefährden unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie – und wir dürfen uns diese Schwachstellen nicht länger erlauben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sind auch das Resultat eines seit Jahren von Türkis und Blau abgewirtschafteten Sicherheitsapparats. Eine wichtige Währung in der europäischen und internationalen Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung ist Vertrauen, davon hängt der Austausch vertraulicher Informationen ab, und das schwindet seit Türkis-Blau. Österreich ist nicht in der Lage, die innere und die äußere Sicherheit miteinander zu verknüpfen, das heißt, die nationale Zusammenarbeit und Kommunikation mit der grenzüberschreitenden euro­päischen Zusammenarbeit zu verbinden. Ausländische Behörden nehmen den österrei­chischen Innenminister nicht mehr ernst – und langsam, aber sicher werden wir vom Informationsfluss abgeschnitten. Spätestens seit der Razzia im BVT unter Herrn Kickl fehlt das Vertrauen in unseren Nachrichtendienst, und das schadet unserer Republik Österreich.

Gleichzeitig geht diese Regierung mit Informationen, die sie von den europäischen Part­nerbehörden erhalten hat, schleißig um. Denken wir an die Information über den ver­suchten Waffenkauf in der Slowakei. Was ist also zu tun? – Bei der Terrorismusbekämp­fung auf nationaler Ebene brauchen die Bürgerinnen und Bürger funktionierende, zuver­lässige und rasch handelnde Behörden. Wir brauchen mehr Europa, mehr Zusammen­arbeit, mehr Koordinierung auf Gemeinschaftsebene, auf bilateraler und auf multilatera­ler Ebene.

Nach den Anschlägen von Paris, Brüssel und Berlin hat das Europäische Parlament eine Resolution angenommen, und die hat an Aktualität nichts eingebüßt, denn die Bedro­hung durch den Terrorismus hat in den letzten Jahren nicht nur zugenommen, sie hat sich auch rasch gewandelt, und ich möchte darauf hinweisen, dass wir in der Europäi­schen Union dazu einiges erreicht haben. Die europäischen Regeln zu Finanzquellen und Geldwäsche wurden strikter, um den Terroristen den Geldhahn zuzudrehen.

Mit dem Entry/Exitsystem werden alle Ein- und Ausreisedaten von Drittstaatsangehö­rigen, die die Außengrenzen des Schengenraums überschreiten, erfasst. Die Fahn­dungsdatenbank des Schengener Informationssystems wurde ausgebaut, Europol, das europäische Polizeiamt, wird laufend gestärkt und ein eigens eingerichtetes Terroris­musregister unterstützt seit 2019 die nationalen Justizbehörden dabei, dass Straftäter und Terroristen, und zwar nicht nur Dschihadisten, sondern auch Angehörige rechts- und linksextremistischer Gruppierungen, wirklich bestraft werden.

Die Voraussetzung für ein Europa als ein gemeinsamer Raum der Sicherheit, der Frei­heit und des Rechts ist da. Diese Voraussetzungen sind da, es scheitert nicht an zu wenigen Daten oder Informationen. Statt noch mehr Überwachung und Abbau von Bür­gerrechten gilt es, die vorhandenen Instrumente und Informationen vernünftig zu nutzen. Ausufernde Überwachungsfantasien und Verschlüsselungsverbote lösen die Probleme nicht. Sie schränken im Rahmen einer generellen Pauschalisierung alle Menschen ein.

Stattdessen braucht es gegenseitiges Vertrauen, ernst gemeinte europäische Zusam­menarbeit – all das, was von Bundeskanzler Kurz und den Regierungen, die er bisher geführt hat, in populistischer Absicht eben nicht erbracht wurde und gefährdet wird. Wir brauchen kein Mehr an Überwachung; was wir brauchen, ist, dass die österreichischen Behörden mit ihren europäischen Partnern besser zusammenarbeiten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.48

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Ries. – Bitte.