17.08

Abgeordneter Mag. Felix Eypeltauer (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Bevor ich zur Sache komme, möchte ich darauf hinweisen, dass wir unter Vorsitzenden Sobotka vorhin wieder einmal ein Musterbeispiel für parteiische Vor­sitzführung erlebt haben. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.) Kollege Lindinger hat hier vorne minu­tenlang eine Landwirtschaftskammerwahlkampfrede gehalten. Das Engagement in der Landwirtschaftspolitik sei ihm unbenommen, wenn er aber auch noch überzieht und der Präsident nichts sagt und nichts tut (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Ottenschläger), dann mein Kollege Helmut Brandstätter nach vorne geht und eine tatsächliche Berichti­gung macht (Zwischenruf des Abg. Fürlinger), frage ich mich schon, was da eigentlich parteiische Vorsitzführung ist oder nicht. (Beifall bei NEOS und FPÖ sowie bei Abgeord­neten der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Ich würde mir sehr genau anschauen, was Herr Präsident Sobotka – er ist jetzt nicht da – tun würde, wenn ich hier nach vorne gehen und eine oberösterreichische Land­tagswahlkampfrede halten würde: Wahrscheinlich würde er mich stoppen, nämlich völlig zu Recht. (Abg. Eßl: Was hat denn das mit ... zu tun?)

Aber zur Sache: In dieser Krise sollte – und ich glaube, in dieser Aussage sind wir uns einig – schonungslose, transparente Ehrlichkeit Grundlage des politischen Manage­ments auf der einen Seite und der Debatte darüber auf der anderen Seite sein. Wie gut ist Österreich also wirklich bei der Krisenbewältigung? – Wir haben nachgeforscht – das wurde schon thematisiert –, die Ergebnisse sind recht eindeutig. In seinem Covid-Re­silience-Ranking analysiert das Unternehmen Bloomberg, in welchen Ländern die Krise am effektivsten und mit den geringsten sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen be­wältigt wird. Österreich liegt da aktuell auf Platz 41 von 54.

Wenn jetzt Kollege Schwarz von den Grünen sagt: Ja eh, da sind aber auch viele to­talitäre Staaten darunter, die ihre Bürger bewachen!, dann hat er recht, er darf aber nicht verschweigen, dass da auch Frankreich, Spanien, Deutschland, Finnland, Dänemark, Schweden, Israel, die Schweiz, UK, Irland, Portugal und so weiter und so fort vor uns liegen. Das muss man der Vollständigkeit halber sagen. (Abg. Ottenschläger: ... Spa­nien! – Abg. Haubner: ... Spanien!)

Und: Wir haben eine Bundesregierung, die sich immer sehr smart gibt. Wir haben einen Bundeskanzler, der sich immer sehr smart gibt und auf Exzellenz macht. Das ist auch gut so in der Inszenierung, wenn man aber immer so auf Exzellenz macht, dann soll man doch auch danach streben, soll sich mit den Besten vergleichen und nicht mit den Schlechtesten. (Beifall bei den NEOS.)

Dass Österreich bei der Krisenbewältigung also nicht gut dasteht, das wissen wir, und jetzt wäre es eben wichtig, herauszufinden, warum das so ist: Wie wirksam agiert der Staat tatsächlich?, und zwar abseits der Messagecontrol, die die ÖVP meisterhaft be­herrscht, weil jetzt ja mehr denn je nicht das Erzählte reicht, sondern einzig das Erreichte zählt. Dieses Erreichte, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Österreicherinnen und Österreicher, sollten doch Experten mit wissenschaftlichen Methoden beforschen können, um so die politischen Maßnahmen zu verbessern und die Debatte darüber infor­mierter zu machen!

Das Folgende wird jetzt viele Zuhörer genauso schockieren, wie es mich schockiert hat: Das ist in Österreich gar nicht möglich. Österreichische Forscher können Maßnahmen anderer Länder besser beforschen und überprüfen als Maßnahmen des eigenen Lan­des, weil die Bundesregierung wesentliche Daten unter Verschluss hält oder nicht er­hebt, und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einer Staatsquote von der­zeit weit über 50 Prozent und in einer Situation, in der wir die besten und die effektivsten Maßnahmen bräuchten.

Ich gebe Ihnen auch gerne ein Bespiel. Gestern in der „ZIB 2“ wurde eine deutsche Studie zu Covid-19-Risiken nach Berufsgruppen vorgestellt. Aus und für Österreich gibt es so etwas gar nicht. Warum? – Weil die Daten einfach fehlen. Die Regierung macht keine evidenzbasierte Politik, sie behindert die transparente und wissenschaftliche De­batte darüber und sie verweigert damit in letzter Konsequenz auch, Rechenschaft abzu­legen, und das ist in dieser Krise wirklich nicht in Ordnung, ganz im Gegenteil! (Beifall bei den NEOS.)

Bund und Länder, meine sehr geehrten Damen und Herren, waren schon vor der Pan­demie Weltmeister in intransparenten Förderungen. Seit Beginn der Krise kamen da – wir haben das heute schon oft gehört – unzählige Förderschienen dazu, die den Steuer­zahler in Österreich viele Milliarden kosten und die künftige Generationen – und da rede ich nicht nur von meiner, sondern wahrscheinlich auch noch von meinen Kindern und deren Kindern – irgendwie werden zurückzahlen müssen, die irgendwie finanziert wer­den müssen  darüber redet man viel zu wenig. Ob aber diese Förderungen, die wir uns auch mit Milliarden und Abermilliarden an Schulden finanzieren, wirklich treffsicher sind, das weiß einfach niemand, weil die Daten nicht beforscht werden können. Andere Län­der haben das längst gelöst – Dänemark, die Niederlande oder Finnland –, und teilweise geht es wie gesagt so weit, dass heimische Forscher zu den Maßnahmen in diesen Län­dern besser forschen können als in Österreich.

Herr Bundesminister, ich appelliere an Sie: Geben Sie der Wissenschaft bitte endlich Zugang zu diesen Daten, und zwar freien, ungefilterten Zugang zu pseudonymisierten Unternehmensdaten, Mikrodaten, Förderdaten und allen anderen Daten, die man braucht, um tatsächlich beurteilen zu können, ob Maßnahmen wirklich wirksam oder treffsicher sind! Das hilft nicht nur Ihnen, Herr Bundesminister, das hilft den Unterneh­men, das hilft uns hier im Parlament. Das fordert ja auch die Plattform Registerforschung, die im Übrigen von Ihrem neuen Kollegen Martin Kocher als IHS-Chef zu Recht unter­stützt wurde.

Jetzt fragt man sich natürlich: Warum tut denn die Bundesregierung das nicht? Das ist ja absurd! – Die Antwort: Sie tut das nicht, weil das einen klaren Blick auf die Wahrheit bedeuten würde, abseits der Flut an Pressekonferenzen, abseits der Inszenierung als Musterschüler. Leider sticht die Messagecontrol auch hier evidenzbasierte Politik – wir bräuchten aber das Gegenteil.

In unserem Antrag fordern wir daher unter anderem den Zugang der Wissenschaft zu unternehmensbezogenen Förderdaten zur Verbesserung der Wirtschaftshilfen und un­eingeschränkten Zugang der Öffentlichkeit zu den wissenschaftlichen Evaluierungser­gebnissen.

Herr Bundesminister, ich schließe mit Karl Popper: „Selbstkritik ist die beste Kritik; aber die Kritik durch andere ist eine Notwendigkeit.“ – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

17.14

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner:  Herr Abgeordneter Gerald Hauser. – Bitte.