17.25

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Kollege Ottenschläger, die Umsatzsteuersen­kung in der Gastronomie ist für jeden Gastronomen ohne jede Relevanz, weil er seit mehr als zwei Monaten zuhat. Der hat null Umsatz! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der FPÖ.) Das ist vollkommen irrelevant, wie hoch eine Steuer von einem Umsatz ist, den es nicht gibt!

Wir debattieren hier aber die Frage, ob die Regierung in der Pandemiebekämpfung er­folgreich war oder nicht. Vor zehn Monaten waren wir alle einer Meinung, woran denn Erfolg am Ende des Tages gemessen wird: Er wird daran gemessen, wie viele Menschen ihr Leben durch die Pandemie verlieren. Er wird daran gemessen, wie viele Menschen ihren Arbeitsplatz durch die Pandemie verlieren. Er wird daran gemessen, wie viele Be­triebe zusperren müssen, und er wird daran gemessen, was diese Hilfsmaßnahmen kos­ten. Und die fünfte Frage am Schluss – das ist jetzt eine politische von der SPÖ, da waren wir uns nicht einig – halte ich auch für sehr wichtig, nämlich wer am Ende die Kosten für die Krisenbekämpfung bezahlt. (Beifall bei der SPÖ.)

Bei den ersten vier Punkten waren wir alle einer Meinung, das können Sie im Stenogra­phischen Protokoll nachlesen.

Jetzt schauen wir uns die Bilanz für heute an: 7 200 Tote in Österreich. Vergleichen wir das mit Deutschland im Verhältnis zur Bevölkerung: um 50 Prozent mehr – also nicht gut.

Wenn wir uns die Arbeitslosigkeit anschauen: in Österreich eine Rekordarbeitslosigkeit mit über 500 000 Arbeitslosen – viel schlechter als Deutschland, viel, viel, viel schlechter als Deutschland; also nicht gut. Da können wir uns einig sein, die Zahlen lügen nicht.

Nächste Frage: Wie viele Betriebe müssen zusperren? Das ist eine Frage, die wir noch nicht beantworten können, weder im Vergleichsland Deutschland noch in Österreich, weil wir durch Steuerstundungen, Sozialversicherungsstundungen für die Betriebe etwas vor uns herschieben, von dem wir wissen, wenn die Steuerstundungen, wenn die Sozial­versicherungsstundungen schlagend werden, wird die Zahl der Insolvenzen in die Höhe gehen. Das kann man also noch nicht sagen.

Vierte Frage: Wie teuer waren die Hilfen im Vergleich? – In Österreich circa doppelt so teuer wie in Deutschland.

Das heißt, wenn wir uns diese vier Punkte ansehen, müssen wir sagen, dass wir bei drei von vier Kriterien schlechter sind und man es bei einem noch nicht sagen kann. Insofern, glaube ich, ist das Urteil, ob die Krisenbewältigung bis jetzt gut oder schlecht war, ein­deutig: Sie war schlecht, und das sagen die objektiven Zahlen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der NEOS.) Das ist nicht eine politische Frage, sondern am Ende zählen die Fakten.

Zur Frage, wer die Kosten am Ende des Tages bezahlt, sagt die ÖVP: Na eh klar, die ArbeitnehmerInnen und die Konsumenten! Sie zahlen nämlich 85 Prozent; 85 Prozent müssen die zahlen, wenn es nach Ihnen geht! Die Vorschläge, die von der Sozialdemo­kratie kommen, dass jene, die über Kapital, über Vermögen verfügen, auch einen höhe­ren Beitrag zahlen, lehnen Sie immer ab. Das ist eine politische Frage, daran werden wir Sie aber auch noch messen, und diese Frage werden wir noch jahrelang diskutieren: Wer zahlt die Kosten? (Beifall bei der SPÖ.)

Sie von der ÖVP sagen, das sollen die Arbeitnehmer zahlen, das sollen die Pensionisten zahlen, jedenfalls sollen das nicht die Vermögenden und die Spender der ÖVP bezahlen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Wie kann man die Krisenpolitik aber sonst noch charakterisieren, außer dass sie nicht erfolgreich war, was die Fakten belegen? – Ich sage Ihnen eines: Das, was wir hier se­hen, und zwar seit zehn Monaten, ist: Inszenieren kann diese Regierung gut. Da inves­tiert sie auch viel Zeit, viel Energie. Was sie schlecht kann, ist regieren. Die Pressekon­ferenzen sind gut vorbereitet, da stimmt das Wording, da stimmt die Messagecontrol, aber das mit dem Testen, das mit dem Impfen funktioniert nachher nicht gut. Das heißt, wenn man charakterisieren will, wie die Regierung agiert, kann man sagen: Inszenieren statt regieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Zweite ist die Frage des Schulterschlusses. Was bedeutet eigentlich Schulter­schluss? – Das bedeutet, dass wir persönliche, dass wir parteipolitische, dass wir Macht­interessen hintanstellen und das Schauen aufs gesamte Österreich, aufs Große und Ganze und das Schauen auf alle voranstellen. Und was macht die ÖVP? – Sie macht genau das Gegenteil: Sie stellt Machtinteressen, Parteiinteressen vor die Interessen Ös­terreichs. Das ist das, was Sie charakterisiert! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wenn Sie das bestreiten wollen, dann erklären Sie mir ein paar Sachen, die Sie gemacht haben! Es gibt viele Pensionisten in Österreich, die wenig Geld haben, das stimmt, aber Betroffenheit durch die Krise: null, weil nämlich ihre Pension nicht gekürzt wurde. Sie aber haben für eine einzige Gruppe (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt nicht!) eine Sonder­pensionserhöhung gemacht, obwohl die nach dem ASVG Versicherten, also die Arbeiter und Angestellten, und die Selbstständigen alle gleich niedrige Pensionen haben wie die Landwirte. Sie haben nur für die Landwirte eine Sondererhöhung gemacht – nicht für die Arbeiter, nicht für die Angestellten und nicht für die Selbstständigen –, weil Sie einfach selbst in dieser Krise parteipolitisch und machtpolitisch agieren, obwohl die Betroffenheit durch Covid-19 gleich null war.

Ein anderes Beispiel: die Frage der Mieten. Nicht nur die SPÖ, auch die FPÖ sagt  und auch die NEOS haben am Anfang immer gesagt : Wieso muss ein Betrieb, der behörd­lich gesperrt ist, Miete zahlen? Wir wollten eine gesetzliche Klarstellung, dass ein Be­trieb, wenn er behördlich gesperrt ist, keine Miete zahlen muss. Wir haben dazu x Anträ­ge eingebracht, Sie haben sie immer abgelehnt. Die Justizministerin war die Einzige, die diesen Vorschlag unterstützt hat, aber sie ist an der Immobilienlobby – in der ÖVP, damit wir das klarstellen – gescheitert. Es muss heute jeder Friseur, jeder Masseur und jedes kleine Kaffeehaus, obwohl sie seit Wochen, seit Monaten zugesperrt sind, nach wie vor volle Länge Miete brennen. (Abg. Ottenschläger: Und sie kriegen 75 Prozent ersetzt!) – Ja, ich weiß, die Immobilienwirtschaft ist Ihre größte Spendergruppe! Sie sind ja selbst einer ihrer Vertreter hier, weil Sie Machtpolitik vor die Interessen Österreichs stellen. – Das ist der zweite Punkt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der dritte Punkt – das betrifft natürlich auch die Grünen –: Ist all das, was Sie in diesem Zusammenhang machen, geheim oder ist es transparent? – Sie entscheiden sich für geheim, supergeheim, streng geheim, für das Gegenteil von transparent. Wenn Kollege Schwarz sich hier herausstellt und sagt: Ihr könnt ja eh in die Cofag reingehen, dann würdet ihr alles sehen und alles hören!, dann stimmt das, aber: Einer von jedem Klub darf reingehen, und wissen Sie, was beim Eingang passiert? – Es wird ihm der Mund zugenäht! Es ist eh nett, dass er es sieht und dass er es hört, aber der Mund wird ihm beim Eingang zugenäht und er darf mit niemandem darüber sprechen. Jetzt frage ich Sie: Ist das transparent oder ist das geheim, wenn Abgeordneten der Mund verboten werden soll?! (Beifall bei SPÖ, FPÖ und NEOS.)

Ich weiß, das ist unangenehm für eine Partei, die für Kontrolle und Transparenz gestan­den ist, dass Sie aber hier herausgehen und Abgeordneten den Mund zunähen wollen, damit sie erfahren, was wirklich bei den Hilfen passiert, das ist eigentlich eines Vertreters einer grünen Partei unwürdig. Dafür sollten Sie sich genieren.

Und wenn man sich objektiv anschaut, ob die Regierung in ihrer Gesamtheit erfolgreich war oder nicht, muss man einfach sagen: Nein, sie war nicht erfolgreich – im Gegenteil. Sie sollten mehr auf die Oppositionsparteien hören, und die konstruktiven Kräfte sitzen in allen Parteien – ob das im Budget- und im Finanzbereich Kollege Fuchs ist, Kollege Angerer, Kollegin Doppelbauer, Kollege Schellhorn, Kollege Matznetter et cetera, wir alle bringen hier konstruktive Beiträge ein. Sie sollten mehr darauf hören, dann würde nämlich die Politik in Österreich bei der Krisenbekämpfung erfolgreicher sein. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall und Bravoruf bei der SPÖ sowie Beifall bei FPÖ und NEOS.)

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