21.27

Abgeordnete Fiona Fiedler, BEd (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Präsidentin! Ho­hes Haus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Der Rechnungshof hat sich wieder einmal die Mühe gemacht, Schwächen unseres zer­splitterten Gesundheitssystems aufzuzeigen. Dabei wurde die schlechte Versorgungsla­ge von drei Gruppen näher betrachtet: die der Diabeteskranken, die der psychisch Er­krankten und die der Pflegebedürftigen.

Der Rechnungshof sieht bei allen drei Gruppen ähnliche Versorgungsstrukturprobleme und kommt auch auf ähnliche Verbesserungsvorschläge.

Zunächst brauchen wir eine gesicherte und vollständige Datengrundlage, damit endlich eine Datenverknüpfung zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen stattfinden kann. Versorgungsprozesse müssen genau definiert werden, zudem müssen verfügbare Daten von einer Stelle zusammengefasst werden, um daraus auch Handlungsempfeh­lungen ableiten zu können. Schlussendlich fordert der Rechnungshof eine bessere, sek­torenübergreifende Versorgung – eine bekannte Forderung, die wir seit Jahren kennen, die aber nicht umgesetzt wird. Da bedarf es der Gestaltung strategischer Ziele, ordent­licher Planungsinstrumente und einer Prüfung, ob die Gesundheitsplanung auch den Zielen entspricht.

Eigentlich hätte die Gesundheitsreform 2013 und die damit verbundene Zielsteuerung die sektorenübergreifende Zusammenarbeit stärken sollen, die Gesundheitsreform 2013 ist aber grandios gescheitert, weil die Länder und die Krankenkassen nach wie vor nicht zusammenarbeiten und nur ihre eigenen Bereiche optimieren – zulasten der Patienten.

Aufgrund dieser schlechten Zusammenarbeit sind nur knapp 10 Prozent der österreichi­schen Diabeteskranken in einem Diabetesprogramm. In Deutschland hingegen sind es mehr als 50 Prozent. Deshalb bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Verbesse­rung der Diabetesversorgung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, um die Diabetesversorgung zu verbessern. Darin sollen die Empfehlungen des Rechnungs­hofes und die Vorschläge aus der Antragsbegründung berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollen die Krankenversicherungsträger per Gesetz dazu verpflichtet werden, allen Diabeteskranken ein Angebot für das Diabetes-Programm ,Therapie aktiv‘ zu unterbrei­ten.“

*****

Ich mache mir natürlich keine Hoffnungen, dass die schwarz-grüne Mehrheit diesem An­trag zustimmen wird. Auch mein Vertrauen in diese Regierung und in das Gesundheits­ministerium schwindet. Mich erschüttert das Impfchaos, das in einer Impfkorruption gipfelt, weil Bürgermeister in Österreich offenbar Hochrisikopatienten sind und echte Ri­sikogruppen vergessen werden. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Mich erschüttert das Versagen beim elektronischen Impfpass, bei der Bestellung des Grippeimpfstoffs, bei der Beschaffung von Schutzausrüstung, bei der Datenbereitstel­lung für die Wissenschaft, beim Schutz sozial benachteiligter Gruppen, beim Schutz der Risikogruppen und Pflegeheimbewohner, bei der Coronaampel et cetera, et cetera – die Liste lässt sich unendlich erweitern.

Wir brauchen an der Spitze des Ministeriums jemanden, der anpackt; wir brauchen einen Profi. Zahlreiche Pressekonferenzen lösen keine Probleme. Wir brauchen dringend eine Verbesserung der Versorgung der psychisch Kranken, der Diabeteskranken und der Pflegebedürftigen. Alles andere ist nicht nur schlecht für Österreichs Patienten, sondern auch frustrierend für die Rechnungshofprüfer, die hervorragende Berichte zur Verbes­serung der Gesundheitsversorgung erstellen, die dann nicht zur Umsetzung kommen. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

21.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Verbesserung der Diabetesversorgung

eingebracht im Zuge der Debatte in der 79. Sitzung des Nationalrats über den Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Dia­betes-Prävention und -Versorgung – Reihe BUND 2019/43 (III-58/623 d.B.) – TOP 13

Ziel des Antrags: Sektorale "Finanzierung aus einer Hand" für das Diabetes-Programm "Therapie aktiv", um das Programm besser voranzutreiben

Signifikante Erhöhung der DMP-Einschreibequote für "Therapie aktiv" durch eine IGV-Finanzierung. Dadurch weniger Spitalsaufenthalte und Einsparungen, bei gleichzeitig mehr gesunden Lebensjahren und höherer Lebensqualität.

Rechnungshofkritik an Diabetes-Versorgung

Erst vor Kurzem hat der Rechnungshof darauf hingewiesen, dass sich nur ein Bruchteil der Diabetes-Kranken in einer sogenannten "Strukturierten Versorgung" (DMP) befinden. Während sich in Österreich 2017 nur 13% der Diabetes-Kranken in einem Diabetes-DMP befanden (aktuell: 14%), sind es in Deutschland über 50%.

https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/Rechnungshof_Oesterreich_sieht_hohen_Verbesserungsbedarf_.html

Geringe Einschreibequote (12%) bei "Therapie aktiv"

Für Österreich wird derzeit von 600.000 Diabetes-Erkrankten ausgegangen, wovon sich gerade einmal 82.522 Personen in strukturierter Versorgung (DMP) befinden (Stand: 1.10.2018 https://www.therapie-aktiv.at). Das hiesige Diabetes-DMP nennt sich „Thera­pie aktiv“ und ist für Diabetes-Typ-2-Erkrankte gedacht. „Therapie aktiv“ wird zwar in seiner Evaluierung (2015) positiv beurteilt, dennoch ist die Einschreiberate von 14% im internationalen Vergleich sehr niedrig.

Evaluierung: https://www.therapie-aktiv.at/cdscontent/load?contentid=10008.649643&ver­sion=1519316820

Problem: Fehlende Finanzierung aus einer Hand torpediert höhere Einschreibequote

Dass die Einschreibequote im internationalen Vergleich so niedrig ist, liegt nicht daran, dass das Programm schlecht ist. Im Gegenteil, die strukturierte Versorgung bringt laut der Programm-Evaluierung nicht nur bessere Versorgungsergebnisse (bessere Versor­gung, weniger Komplikationen), sondern auch hohe jährliche Einsparungen (813 Euro pro Jahr für jede/n DMP-Teilnehmer_in). Das Problem ist nur, dass die Einsparungen fast ausschließlich in den Spitälern anfallen, die von den Ländern (Landesgesundheits­fonds) finanziert werden. Die Kassen, die „Therapie aktiv“ organisieren, können froh sein, wenn sie die ambulanten Mehrkosten durch geringe Heilmittelkosten und Trans­portkosten decken können. Die fehlende „Finanzierung aus einer Hand“ hemmt also höchstwahrscheinlich die Kassen bei der verstärkten Einschreibung in das DMP. Die Schlusslichtposition bei der strukturierten Versorgung ist somit definitiv hausgemacht, weil seit Jahrzehnten bei einer Reform zur "Finanzierung aus einer Hand" geblockt wird.

Lösung: separate "Integrierte Finanzierung" für Diabetes-DMP-Versicherte

Da die Etablierung der "Finanzierung aus einer Hand" sicher noch dauern wird, eignet sich die Mini-Variante der "Finanzierung aus einer Hand", nämlich die "Integrierte Finan­zierung". Dabei werden gewisse Indikationsgruppen aus der Regelfinanzierung (Ge­samtvertrag/Honorarkatalog und LKF) herausgenommen und über eine eigene Finanzie­rungsschiene abgerechnet.

In der Praxis würde das für "Therapie-aktiv"-Teilnehmer_innen folgendermaßen ausse­hen: Es wird ein IGV-Finanzierungstopf aufgestellt, in den die Landesgesundheitsfonds und Krankenkassen jene Mittel einbringen, die sie für die IGV-Teilnehmer_innen im Normalfall (vor IGV) jährlich ausgeben. Laut "Therapie-aktiv"-Evaluierung fallen für Dia­betiker_innen durchschnittlich 6.800 Euro stationäre Kosten (Landesgesundheitsfonds) und 2.000 Euro ambulante Kosten (Krankenkassen) an. Insgesamt würden also im IGV-Finanzierungstopf pro Teilnehmer_in durchschnittlich 8.800 Euro Finanzmittel zur Verfü­gung stehen. Da "Therapie-aktiv"-Teilnehmer_innen in der Versorgung günstiger sind als nicht-teilnehmende Diabetiker_innen, wäre durch den IGV-Topf eine leichte Überfi­nanzierung sichergestellt, was den Anreiz stärken würde, Diabetiker_innen in das DMP zu bringen. Die Diabetiker_innen würden nun endlich von nur einem Finanzierungs-Verantwortlichen (Idealfall: Krankenkassen) gesteuert werden, wodurch bei diesem für seine Bemühungen auch sämtliche Einsparungen ankommen würden.

Einsparungspotential

Zieht man die Angaben zu Einsparungen durch "Therapie aktiv" heran, ergeben sich Ein­sparungen von ca. 800 Euro pro Jahr und Versicherte/n. Für zusätzliche 100.000 Dia­betiker_innen in "Therapie aktiv" würden somit ca. 80 Mio. Euro einspart werden, bei bes­serer Lebensqualität der Betroffenen, wohlgemerkt.

Wer ist für die für die Steuerung von DMP-Diabetiker_innen geeignet

Im Idealfall würden die Krankenkassen (+KFAs) die Steuerung der DMP-Diabetiker_in­nen übernehmen. Als Steuerungsverantwortliche könnten aber auch PVE-Einheiten, Ambulatorien, Krankenanstalten, die Landesgesundheitsfonds (+PRIKRAF) oder private Krankenversicherungen, usw. herangezogen werden.

Diagnose-Dokumentation - Qualitätssicherung

Ein weiterer Schritt muss die ambulante Diagnose-Dokumentation für Diabetes sein. Damit ist eine bessere Verknüpfbarkeit der spitalsambulanten und stationären Daten gegeben. Außerdem würde damit den Empfehlungen der IHS-Studie (Juni 2018) und des RH-Berichts (Juli 2018) zur ambulanten Qualitätsmessung teilweise entsprochen werden. Für die integrierte Diabetes-Finanzierung würde folglich auch die Qualitätsmes­sung leichter werden und wir hätten endlich den Anfang bei der ambulanten Qualitäts­messung gesetzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, um die Diabetesversorgung zu verbessern. Darin sollen die Empfehlungen des Rechnungs­hofes und die Vorschläge aus der Antragsbegründung berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollen die Krankenversicherungsträger per Gesetz dazu verpflichtet werden, allen Diabeteskranken ein Angebot für das Diabetes-Programm "Therapie aktiv" zu unterbrei­ten."

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön. – Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht. Ich hoffe, das sind fünf Unterschriften. Ich würde bitten, dass man den Na­men darunter schreibt – weil es bei aller Liebe wieder einmal ein Vorname und ein Nach­name sein könnte –, aber jedenfalls steht er mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. – Bitte.