15.29

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Es scheint eine gewisse Absetzbewegung auf der Regierungsbank zu geben. Da sind ein paar türkise Bundesminister und Rudi Anschober versammelt. Die Absetzbewegung ist verständlich, aber so bildlich-augenscheinlich konnte man es natür­lich bisher noch nicht sehen. (Abg. Rauch: Ein paar waren gar nicht da!)

Was dem werten Publikum, Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, auch den Damen und Herren vor den Bildschirmen, aufgefallen sein wird, ist, wie Kollegin Steinacker mit hochrotem Kopf versucht, Angriffe gegen die Justiz in diesem Lande zu führen.

Man glaubt schon, man wäre im Ungarn eines Viktor Orbán oder in der Türkei bei einem Präsidenten Erdoğan. Warum findet das statt? (Ruf bei der ÖVP: ... Heinisch-Hosek, so intelligente Ausdrücke!)

Nun reden wir einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP! Worüber beschwe­ren Sie sich eigentlich? Logischerweise gibt es eine Unschuldsvermutung (Zwischenruf der Abg. Steinacker) im strafrechtlichen Sinn. (Abg. Steinacker: Die gibt es! Na hoffent­lich!) Für einen Vorvorvorgänger von Herrn Blümel gilt bis heute die Unschuldsvermu­tung, auch nach den acht Jahren erstinstanzlich, weil nicht rechtskräftig. Das ist das Strafrecht – aber die politische Verantwortung steht auf einem ganz anderen Blatt.

Herr Finanzminister, Kollege Schnedlitz hat Sie als „Lebensmensch“ von Sebastian Kurz bezeichnet – den Ausdruck kenne ich, das habe ich einmal von Petzner gehört, vor mehr als einem Jahrzehnt, als Jörg Haider verstorben ist, aber gut. Wenn Sie als Palatin des­selben ein SMS vom Generaldirektor des größten und einzigen rein privaten Glücks­spielkonzerns bekommen und in diesem SMS um einen Termin beim amtierenden Au­ßenminister Sebastian Kurz ersucht wird – erstens wegen Spenden, zweitens wegen einem Problem in Italien –, dann brauchen wir noch nicht das Strafrecht. Es ist selbst­verständlich, dass Sie daraufhin ein SMS zurückschicken, dass solche Ansinnen, mit Geld etwas erreichen zu wollen, von Ihnen nicht akzeptiert werden. Dann hätten Sie jetzt kein Problem, keine Hausdurchsuchung (Beifall bei der SPÖ), Frau Steinacker müsste nicht rot anlaufen, alles wäre nicht vorhanden – aber nein, Sie kontaktieren den höchsten Beamten im Finanzministerium, Thomas Schmid, er solle sich darum kümmern, mit Kussmündchensmiley hintendran.

Merken Sie eigentlich, worum es da geht? Es ist nicht die Frage, ob strafrechtlich etwas passiert ist, es ist die Frage der Mindestgrundsätze, wie sich ein Politiker in einer De­mokratie verhalten muss. Deswegen haben Sie dieses Problem und deswegen wird das Problem heute nicht weg sein, nur weil die Grünen wieder einmal umfallen und dem Misstrauensantrag nicht zustimmen. Sie können das Amt ja gar nicht ausüben, Herr Blümel. Sie werden beschäftigt sein, sich mit diesem Konvolut, das die WKStA aus Indi­zien und Fakten zusammengetragen hat, auseinanderzusetzen. Sie haben keine Zeit; wir bräuchten aber einen Finanzminister (Zwischenruf des Abg. Deimek), der schaut, dass bei den Betrieben endlich Hilfe ankommt, dass die Arbeitslosenzahlen zurückge­hen, dass das Land nicht hintennach ist. (Beifall bei SPÖ und FPÖ.)

Das hilft alles nichts. Sie müssen sich jetzt mit Ihrer Vergangenheit beschäftigen. Wir brauchen Politiker, die sich um die Zukunft kümmern. (Abg. Michael Hammer: Ja, die gibt’s bei euch nicht!) Deswegen müssen Sie gehen – und deswegen würde ich Ihnen raten: Machen Sie es selbst! Ihr Lebensmensch kommt nicht einmal zu Ihrer Verteidi­gung, das sollten Sie spüren. Auch als treuester Palatin, wenn Sie merken, der General hat Sie fallengelassen – lassen Sie es sein! Kümmern Sie sich um sich selbst! Das ist mein Ratschlag, den ich Ihnen gebe.

Ich möchte aber, dass die Menschen wissen, worum es geht, und daher möchte ich einen Entschließungsantrag der Abgeordneten Jörg Leichtfried, Kai Jan Krainer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend „Blümel-Neumann-Chats veröffentlichen“ einbringen.

Herr Präsident, der Antrag ist länger als eine Seite. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Amtsvermerk über die weiteren Erkenntnisse aus der Datenauswertung im Zu­sammenhang mit Funktionären der ÖVP – auch mit Faksimilewiedergaben in der Ent­schlussbegründung, um welche Texte es sich handelt – durch die Bundesministerin für Justiz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Wir wollen erreichen, dass jeder nach­lesen kann und dass jeder im Detail weiß: Es geht nicht um die Frage, ob man die Schwiegertochter mit dem Nachnamen – Kurz – im Kalender einträgt, nein, es geht darum, ob eine intensive Verfilzung der führenden Köpfe der ÖVP mit der Wirtschaft vorliegt, die auf Bestellung Begünstigungen bekommt, weil sie Förderungen vornimmt. Wir wollen, dass das transparent ist – und daher bitte ich Sie, diesen Entschließungsan­trag zu unterstützen und ihm zu einer Mehrheit zu verhelfen, damit die Justizministerin das möglichst bald offenlegt.

*****

Ein letzter Satz noch, Herr Finanzminister: Wenn es so war, dass keine Spenden ge­flossen sind, weiß ich das nicht, Sie haben eine eidesstattliche Erklärung abgegeben. Einfach wegzuwischen, was Abgeordneter Hafenecker gesagt hat, dass Admiral in die­sen Tagen mit David Hasselhoff geworben hat, das versteht allerdings niemand. So zu tun, als wäre kein Geld geflossen, und ihre Wählerinnen und Wähler für so dumm zu halten, haben diese nicht verdient. Wenn Geld geflossen ist, gestehen Sie es ein und treten Sie zurück! – Danke. (Beifall bei SPÖ und FPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

15.35

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Leichtfried, Krainer, Genossinnen und Genossen

betreffend „Blümel-Neumann-Chats veröffentlichen“

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage des Abgeordneten Kickl, KollegInnen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Blümel hat sich verzockt – Das Spiel der ÖVP ist aus!“ in der 83. Sitzung des Nationalrates am 16.2.2021

Seit Durchführung der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel flutet die ÖVP die mediale Öffentlichkeit mit angeblichem Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft, stellt un­richtige Behauptungen über den Inhalt der Ermittlungen auf und versucht generell die Ermittlungstätigkeit zu diskreditieren.

Bestes Mittel gegen solche Ablenkungsmanöver bleibt, die tatsächlichen Fakten in den Vordergrund zu rücken.

Diese stellen sich wie folgt dar:

·         Es sind eine Vielzahl an Treffen von VertreterInnen der Novomatic sowohl mit Bun­deskanzler Kurz (beginnend mit Mai 2017) als auch Bundesminister Blümel (zurück­gehend bis 2012) belegt.

·         Blümel und Neumann standen in regelmäßigem Austausch zu Glücksspielthemen, Personalbesetzungen und ÖVP-Parteithemen. Neumann wünschte sich regelmäßig Termine mit Kurz und Blümel. Beide sprachen ihre gemeinsame Vorgangsweise re­gelmäßig ab:

·         Neumann stand in engem Austausch mit dem Generalsekretär des BMF und Kabi­nettschef der Finanzminister Schelling und Löger, Thomas Schmid.

·         Spenden an die ÖVP waren regelmäßiges internes Thema in der Novomatic-Füh­rungsebene.

·         Die angebliche Verwechslung der Novomatic-Aufsichtsrätin Martina Kurz mit Bun­deskanzler Kurz liegt nicht vor.

Alle Beteiligten (Kurz, Blümel, Neumann, Krenn, Krumpel) verneinten im Ibiza-Untersu­chungsausschuss entsprechende Überlegungen. Oder konnten sich daran nicht erin­nern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, den ‚Amtsvermerk über weitere Er­kenntnisse aus der Datenauswertung im Zusammenhang mit Funktionären der ÖVP‘ der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vom 21.12.2020 und davon insbesonde­re folgende Stellen unverzüglich zu veröffentlichen:

Zum Kontakt von VertreterInnen der Novomatic mit Bundeskanzler Kurz:

·         Termin von Kanzler Kurz am 29.5.2017 mit Novomatic-CEO Neumann:

·         Termin von Kanzler Kurz am 31.5.2017 mit Novomatic-CEO Neumann und mehreren anderen möglichen SpenderInnen im BMEIA:

·         Termin von Kanzler Kurz am 29.6.2017 mit Novomatic-Sprecher Krumpel (vormals Sobotka-Sprecher):

·         Terminwunsch von Novomatic-CEO Neumann bei Kanzler Kurz – gesendet an BM Blü­mel mit dem Verweis auf eine mögliche Spende vom 12.7.2017:

·         Termineintrag „Kurz“ am 25.7.2017 im Kalender der persönlichen Sekretärin von No­vomatic-Eigentümer Graf:

·         Termineinladung an Novomatic-CEO Neumann für ein „Dinner mit Sebastian Kurz“ am 25. September 2017:

·         Terminwunsch von Neumann für Novomatic-Eigentümer Graf bei Kanzler Kurz – ge­sendet an Blümel mit Themenangabe Glücksspiel und Casinos unter Verweis auf ein weiteres Treffen zwischen BM Blümel und Neumann bei einer Feier von Gerd-Ale­xander Schütz im Schloss Neuwaldegg:

·         Erneuter Terminwunsch von Novomatic-CEO Neumann bei Kanzler Kurz – gesendet an BM Blümel:

·         Termin von Harald Neumann am 1.10.2018 bei einer Feier mit „privaten Freunden“ von Kanzler Kurz im Dots Brunnenhof, bei der es laut Medienberichten einen „Mis­sen-Tisch, einen Film-Tisch und einen für die Wirtschaftstreibenden unseres Landes“ gegeben haben soll:

Zum Kontakt zwischen BM Blümel und Novomatic-CEO Neumann:

·         Ältere Einträge aus Harald Neumanns Kalender über Termine mit BM Blümel:

·         Terminkoordination zwischen BM Blümel und Novomatic-CEO Neumann für 10.6.2017 im Fitnesscenter (während des laufenden Nationalratswahlkampfs):

·         Abstimmung eines Termins von Novomatic-CEO Neumann mit BM Blümel durch BMF-Generalsekretär Schmid im Vorfeld der Hauptversammlung der Casinos Aus­tria:

·         Terminanfrage von Novomatic-CEO Neumann bei BM Blümel am 9.1.2019:

·         Termin von Harald Neumann mit BM Blümel am 24.1.2019 während der laufenden Vorstandsbestellung bei den Casinos Austria:

·         Termin von Harald Neumann mit BM Blümel am 26.6.2019 im anlaufenden Natio­nalratswahlkampf:

Zum Kontakt in Hinblick auf Spenden:

·         Anfrage von Novomatic-CEO Neumann bei BMF-Generalsekretär Schmid wegen Kontakten nach Italien vom 10.7.2017 (zwei Tage vor der Nachricht an Blümel):

·         Nachricht von Novomatic-CEO Neumann an BM Blümel betreffend Diskussionsbe­darf zu Spenden:

·         Novomatic-interne Konversation zu Parteispenden, wonach die Novomatic noch etwas Besseres vorhabe als ÖVP-Spender Pierer:

Zum Termin mit „Kurz“:

·         Selbständige Anmerkung der WKStA zum Kalendereintrag „Kurz“:

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Prammer. – Bitte.