10.06

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Und vor allem: Von der Pandemie betroffene Zuseherinnen und Zuseher! In der Aktuellen Stunde haben wir nicht die Möglichkeit einer tatsächliche Berichtigung, daher nur ein kleiner Nachtrag: Der Erstredner der ÖVP, Herr Ottenschläger, hat behauptet, die Aktion 40 000 für Langzeit­arbeitslose würde künstliche, von niemandem benötigte Arbeitsplätze schaffen. (Abg. Kassegger: Richtig!) Denken Sie einmal nach, was es heißt, wenn man Tausende davon in Schulen einsetzen würde – unsere Kinder sind seit Monaten aufgrund von Lockdowns und fehlender Betreuung belastet –, allein dort wäre es sinnvoll. Daher: Bitte zuerst nachdenken, Herr Kollege Ottenschläger, und erst dann solche Bemerkungen machen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Ich wollte etwas Positives sagen, Herr Klubobmann Wöginger. Ich habe mir eigentlich vorgenommen gehabt, den Herrn Bundeskanzler zu fragen, wieso er Herrn Kocher als Experten ins Arbeitsministerium setzt – nur, weil die Vorgängerin wegen Plagiats­vor­würfen gehen musste –, und nicht gleich zum Finanzminister macht. Aber nach dem Beitrag des Herrn Bundesministers kann ich mir das sparen.

Entschuldigen Sie, Herr Bundesminister – ich bleibe jetzt unverdächtig bei Eurostat –: Eine Rezession, werden Sie mir zustimmen, ist, wenn in zwei Quartalen eine Schrump­fung da ist. (Bundesminister Kocher nickt.) Wenn ich mir die zwei Quartale, die wir vorliegen haben – nämlich drittes und viertes Quartal – laut Eurostat anschaue, sind wir beide Male schlecht – einmal im dritten Quartal mit minus 4,3 Prozent die Schlechtesten, und wenn ich mir das vierte Quartal anschaue, mit minus 7,8 Prozent nach Spanien die Schlechtesten –, und Sie zitieren halb Kollegen Felbermayr aus Kiel mit dem Hinweis auf den Tourismus? Er hat das ganz anders gesagt. Aber, meine geschätzten Zuse­herinnen und Zuseher, verwenden Sie einfach den Hausverstand – der arbeitet nicht nur beim Billa: Wie schaut es mit Kroatien aus? Wie schaut es mit Italien aus? Glauben Sie, dass dort der Tourismussektor kleiner ist als in Österreich?

Warum machen Sie bei diesen Ausreden mit? Gerade als neuer Minister, vor allem als Arbeitsminister, wäre es Ihre Aufgabe gewesen – wir haben hier ja eh eine sonderbare Art von Regierungsbeteiligung mit der ÖVP –, zu sagen: 513 000 Arbeitslose sind eine Schande, 110 000 Arbeitslose mehr sind eine Katastrophe. Es wurde schlecht gehan­delt. (Beifall bei der SPÖ.)

Ehrlich gesagt, ich verstehe es nicht: Warum machen auch Sie da mit? – Mein Ratschlag an Sie: Hören Sie nicht auf die Mitarbeiter im Kanzleramt – ob das jetzt Bonelli, Fleisch­mann, Steiner oder sonst wer ist –, machen Sie die Ohren zu! Machen Sie das, was Sie können, Herr Bundesminister, nämlich nachdenken! Dann brauchen Sie keine vorge­fertigten Texte. Das hat uns ja dorthin geführt.

Sie, Herr Kurz, haben nicht nur die Macht in der ÖVP übernommen – an der Stelle nur eingefügt, Herr Bundeskanzler: Machtübernahme ist nicht SPÖ-Jargon, dessen Ver­wendung Sie der Staatsanwaltschaft unterstellen, sondern bei uns heißt das, was mit Kollegen Mitterlehner passiert ist, klar innerparteilicher Putsch (Widerspruch bei der ÖVP – Beifall bei der SPÖ), das sei nur ehrlich dazugesagt –, Sie haben nicht nur übernommen, sondern Sie haben auch mit dem Argument, Sie hätten die Balkanroute geschlossen (Zwischenrufe bei der ÖVP) – was nicht stimmt, denn das war Angela Merkel zusammen mit der Türkei –, der FPÖ die Wähler weggenommen und spielen seither den Empathielosen und versuchen, das zu halten. (Rufe bei der ÖVP: Unglaub­lich!)

Sie schieben Kinder, die hier geboren sind, aus der Schule ab, statt dass Sie sich um jene, die arbeitslos sind, kümmern. (Abg. Wurm: Wir holen sie alle zurück!) Sie wollen Grenzen sperren. Haben Sie aber damals, vor einem Jahr, als in Italien die Epidemie in Europa ausgebrochen ist, darauf geachtet, dass die Zurückkommenden in Quarantäne sind? (Abg. Wöginger: Das ist grenzwertig! So ein Schwachsinn!) – Nein, Herr Kollege Wöginger, Sie haben Sie hereingeholt. Sie haben nicht getestet, nicht kontrolliert, und am Ende haben wir es hier im Land gehabt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Ja, ja!)

Und noch eine Bemerkung dazu: Schauen Sie sich doch einmal Fakten wie die Über­sterblichkeit, zum Beispiel bei Eurostat, an! Es wäre gut, wenn Sie sich das anschauen, bevor Sie Lobeshymnen singen. (Abg. Wöginger: Das könntest bei deinem Partei­vor­stand ...!) – Dafür brauchen wir keinen Parteivorstand. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

„Der Standard“ hat den Artikel veröffentlicht: „Warum Österreich schlechter [...] durch die Krise kommt“. Bei uns ist die Zahl seit September um über 40 Prozent laufend stärker angestiegen, in Deutschland nicht. (Abg. Deimek: Das sagen genau die ...!) Denken Sie doch einmal nach, das sind Fakten! (Abg. Wöginger: Ja, genau ...!) Sie können es nicht, Sie haben eine Truppe, die nur applaudiert, und Sie haben sich nicht bemüht, etwas zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)

Da passt es doch hinein, dass bei dieser Cofag – ich weiß ja nicht, ob die Recht­schrei­bung stimmt: C – O – F – A – G – Garantien für 25 000 Fälle und 4,7 Milliarden Euro nach eigenen Angaben drei Tage dauern, aber man für den Fixkostenzuschuss, bei dem der durchschnittliche Betrag gerade 75 000 Euro beträgt, 17 Tage, für den Umsatzersatz im November 13 Tage und im Dezember 15 Tage braucht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (fortsetzend): Alles klar, bei denen, die genug Geld auf der Spenderliste haben (Abg. Wöginger: ... wo ist da der Vergleich mit Deutschland?), geht es schnell. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger. In Deutschland ist das deutlich besser als bei uns. Das sei Ihnen ins Stammbuch ge­schrieben, Herr Wöginger. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Volkswirtschaftlich ein totaler Schwachsinn!)

10.12

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hafenecker ist zu Wort gemel­det. – Bitte.