14.47

Abgeordneter Rudolf Silvan (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause! Es ist eine Freude, zu sehen, dass auf der Regierungsbank diesmal Menschen Platz genommen haben, die sich wirklich für die Interessen und Bedürfnisse der Bevölkerung interessieren. – Herzlichen Dank für die Arbeit der Volksanwaltschaft, herzlichen Dank für diesen Sonderbericht.

Meine Kollegin Grünberg hat schon einige Dinge ausgeführt. Es gibt in Österreich über 20 000 Frauen und Männer, die täglich zur Arbeit gehen, die täglich 8 Stunden oder mehr Arbeit verrichten, die wöchentlich 40 Stunden oder mehr Arbeit verrichten, die das jahrzehntelang machen und trotzdem keinen Lohn bekommen, trotzdem keinen Urlaubs­zuschuss bekommen, kein Weihnachtsgeld bekommen und sozialversicherungs­recht­lich nicht abgesichert sind, also auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und nach lebenslanger Arbeit keinen Anspruch auf eine Pension haben. Das sind Menschen mit Behinderung.

Menschen mit Behinderung haben in Österreich zwei Möglichkeiten, nämlich einerseits zum Nichtstun verdammt zu sein und zu Hause zu sitzen, andererseits in einer Behinder­tenwerkstätte Beschäftigung zu finden, mit einem Taschengeld von 5 bis maximal 100 Euro pro Monat – das ist eher die Ausnahme. Damit ist ein selbstbestimmtes Leben nicht möglich.

Aus Sicht der Sozialdemokratie sind diese Lebensumstände im 21. Jahrhundert in Österreich nicht länger zu akzeptieren. Es sind vor allem die rechtlichen Rahmen­bedin­gungen, die den Betroffenen den Zugang zum Ersten Arbeitsmarkt verwehren, denn diese Menschen wollen und können mehr leisten. Die Arbeitslosenquote in diesem Bereich ist von 2007 bis 2017 um 139 Prozent gestiegen.

Aktuell haben wir in diesem Bereich 97 757 Menschen mit Behinderung, die Arbeit suchend sind, das sind um 15 000 mehr als im Februar 2020. Und ich sage es hier ganz ehrlich, auch wenn wir es heute schon ein paarmal gehört haben: Anstatt sich an der Justiz abzuarbeiten, sollte der Bundeskanzler für diese Menschen sorgen, sollte er sich für diese Menschen einsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen bringen wir folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Mag. Christian Ragger, Fiona Fiedler, BEd, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „die Realität von Menschen mit Behinderung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1. die Umsetzung von Artikel 27 der UN Behindertenrechtskonvention (Dieser normiert, dass alle Menschen das Recht haben, in einem richtigen Arbeitsverhältnis zu arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können) voranzutreiben und

2. dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit der dieses Recht auch natio­nal im Art. 7 B-VG, im § 7 Behindertengleichstellungsgesetz und im § 1 Bundesbehin­dertengesetz umgesetzt wird sowie

3. mit den Länder in Verhandlungen einzutreten, um dies auch in den Zielsetzungen der Behindertengesetze der Länder zu realisieren.

4. Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang ebenso aufgefordert, dazu rasch die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die notwendigen gesetz­lichen Initiativen dem Nationalrat vorzulegen (z.B. Entfall der Figur der Arbeitsunfähigkeit im Sozialrecht, Einbau der Legalvermutung, dass alle Behinderten bis zum Nachweis des Gegenteils als arbeitsfähig gelten, Schaffung eines erweiterten, durchlässigen Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen, Zugang zu Leistungsangeboten für alle Menschen mit Behinderungen zu den Leistungen des Sozialministeriumservice sowie des Ausgleichstaxfonds, Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Inklusiven Betrieben im Rahmen des Arbeitsrechts auf Grundlage einer kollektivver­trag­lichen Entlohnung).“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rudolf Silvan, Mag. Christian Ragger, Fiona Fiedler BEd

Kolleginnen und Kollegen

betreffend die Realität von Menschen mit Behinderung

eingebracht im Zuge der Debatte zum Sonderbericht der Volksanwaltschaft 2019 - Keine Chance auf Arbeit – Die Realität von Menschen mit Behinderung (III-66/614 d.B.)

In Österreich kann die Situation von vielen Menschen mit Behinderung in Bezug auf ihre Arbeitsmöglichkeiten am besten mit folgenden Worten beschrieben werden: „unbefriedi­gend und unzulässig“.

Die meisten Menschen mit Behinderung, denen eine Leistungsfähigkeit von unter 50 % attestiert wurde, haben derzeit nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie sind in einer Be­schäftigungstherapiewerkstätte bzw. ähnlicher, sogenannter Tagesstruktur (Werkstät­ten) tätig oder sie sind zum Nichtstun verurteilt.

Die Kommissionen der Volksanwaltschaft haben in den vergangenen Jahren fast 600 Besuche in Einrichtungen von Menschen mit Behinderung absolviert. Dabei wurden zahlreiche Beschwerden von Betroffenen, Angehörigen, Expertinnen und Experten aber auch Einrichtungen zu diesem Thema geäußert. Aus diesem Grund möchte die Volks­anwaltschaft mit diesem Bericht auf die unzureichende Situation hinweisen. Das be­deutet aber nicht, dass in Einrichtungen schlecht gearbeitet wird. Viele Menschen mit Behinderung haben sich bei Befragungen grundsätzlich zufrieden und positiv über die Betreuung geäußert. Das Personal ist in der Mehrzahl der Werkstätten sehr engagiert und begegnet den Betroffenen mit besonderer Wertschätzung. Kommissionen der Volksanwaltschaft bezeichneten mehrere Einrichtungen als Best-Practice-Beispiele. Gleichzeitig sind aber die (gesetzlichen) Rahmenbedingungen problematisch (aus der Einleitung des gegenständlichen Berichtes).

Auch das Zentrum für Sozialwirtschaft hat sich am Internationalen Tag für Menschen mit Behinderung mit Forderungen an die Öffentlichkeit gewandt. Es sollen wegen der Bedeutsamkeit der Materie diese Forderungen und die Anliegen der Volksanwaltschaft mit dem gegenständlichen Entschließungsantrag unterstützt und gestärkt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesregierung folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Entschließung

„Die Bundesregierung wird aufgefordert,

1.         die Umsetzung von Artikel 27 der UN Behindertenrechtskonvention (Dieser normiert, dass alle Menschen das Recht haben, in einem richtigen Arbeitsverhältnis zu arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können) voranzutreiben und

2.         dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit der dieses Recht auch national im Art. 7 B-VG, im § 7 Behindertengleichstellungsgesetz und im § 1 Bun­desbehindertengesetz umgesetzt wird sowie

3.         mit den Länder in Verhandlungen einzutreten, um dies auch in den Zielsetzungen der Behindertengesetze der Länder zu realisieren.

4.         Die Bundesregierung wird in diesem Zusammenhang ebenso aufgefordert, dazu rasch die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die notwendigen gesetz­lichen Initiativen dem Nationalrat vorzulegen (z.B. Entfall der Figur der Arbeitsunfähigkeit im Sozialrecht, Einbau der Legalvermutung, dass alle Behinderten bis zum Nachweis des Gegenteils als arbeitsfähig gelten, Schaffung eines erweiterten, durchlässigen Arbeitsmarktes für Menschen mit Behinderungen, Zugang zu Leistungsangeboten für alle Menschen mit Behinderungen zu den Leistungen des Sozialministeriumservice so­wie des Ausgleichstaxfonds, Zugang zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in Inklusiven Betrieben im Rahmen des Arbeitsrechts auf Grundlage einer kollektiv­ver­traglichen Entlohnung).“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Mag. Christian Ragger. – Bitte, Herr Abgeordneter.