Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Frauen dürfen nicht die Verliererinnen der Corona-Krise sein!“ (1377/A)(E)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 1377/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Vor 110 Jahren wurde der Internationale Weltfrauentag ins Leben gerufen. Seither wird dieser besondere Tag im Sinne der Gleichberechtigung und Frauenrechte am 8. März auf der ganzen Welt begangen. Feierlichkeiten, Protest und Forderungen für mehr Gerechtigkeit prägen dieses Ereignis jedes Jahr aufs Neue.

Der Internationale Weltfrauentag 2021 unterscheidet sich jedoch massiv von jenen der vergangenen Jahre, denn seit mehr als 12 Monaten beherrscht die Corona-Pandemie unser Zusammenleben auf dem gesamten Globus. Eine nie da gewesene Gesund­heitskrise wirkt wie ein Brandbeschleuniger auf soziale und ökonomische Ungleich­heiten.

Davon derzeit besonders betroffen sind viele Frauen, denn sie sind es großteils, die in systemrelevanten, oft schlecht bezahlten Berufen die Grundversorgung unserer Gesell­schaft aufrechterhalten. Sie sind im Krankenhaus, auf der Intensivstation, im Pflegeheim und im Supermarkt tätig und müssen zugleich noch mehr als sonst die unbezahlte Sor­gearbeit zu Hause leisten.

Auf den Schultern berufstätiger Frauen liegt seit Beginn dieser Pandemie das Manage­ment von Home-Office, Home-Schooling oder Distance-Learning und möglicherweise auch noch die Pflege von Angehörigen, für die die Pflegekraft ausgefallen ist, unter einen Hut zu bringen. Unsicherheiten am Arbeitsplatz, plötzliche Freistellungen, Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen Einkommensverluste sowie diese andau­ernde Perspektivenlosigkeit bringen viele Frauen an ihre Grenzen. Trotz allem: Noch sind es vor allem Frauen, die diese Krise stemmen.

Doch der Zorn wächst, denn die türkis-grüne Bundesregierung lässt mit ihrer Politik Frauen im Regen stehen. Es gibt kaum Hilfestellungen oder gar innovative Projekte, um die enormen Belastungen von Frauen in der Corona-Krise zu reduzieren. Ungleichheiten und alte Rollenmuster werden sogar verfestigt, gesundheitliche Probleme nehmen zu und eine geschlechtergerechte Arbeitswelt rückt erneut in weite Ferne.

Im Wesentlichen sind es vier Fakten, denen diese Regierung nichts entgegenzusetzen hat:

Fakt 1: Die Corona-Krise trifft Frauen am Arbeitsmarkt besonders hart.

Im Februar 2021 sind im Vergleich zum Vorjahr um 40,2 Prozent mehr Frauen arbeitslos. Bei Männern liegt dieser Anstieg bei 24,6 Prozent. Die Langzeitarbeitslosigkeit von Frauen hat im Februar 2021 gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr um 91,3 Pro­zent (Männer + 77,0 Prozent) ebenfalls dramatisch zugenommen. Laut vorliegenden aktuellen Daten gingen im Zeitraum Juli bis September 2020 lediglich 37 Prozent der Mittel für Kurzarbeit an Frauen, 63 Prozent an Männer. Niedrig qualifizierte Frauen sind mittlerweile stärker von Arbeitslosigkeit bedroht als Männer und ihre Arbeitslosigkeit verfestigt sich. Auch versteckte Arbeitslosigkeit (z.B., wenn kurzfristiger Einstieg in die Erwerbstätigkeit nicht möglich ist) steigt stärker als jene von Männern. 52,3 Prozent der Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) sind Frauen, sie haben in der Krise kaum bis gar keine Unterstützung erhalten und erleben daher häufig besonders prekäre Lebens­umstände. Ohne Gegensteuerung entwickelt sich die Corona Krise zu einer veritablen Arbeitsmarktkrise für die Frauen.

Und was tut diese Bundesregierung? Sie schaut untätig zu!

Umso wichtiger ist die rasche Umsetzung der folgenden Maßnahmen: Gezielte Arbeits­marktförderung für Frauen; Umschulungs- und Weiterbildungsangebote mit frauenpoliti­schem Fokus (Qualifizierungsturbo); Rechtsanspruch auf Beratungs- und Unterstüt­zungsangebote; Aufwendung von mindestens 50 Prozent der AMS-Mittel für Frauen; mindestens die Hälfte der Mittel aus der „Corona Arbeitsmarktstiftung“ für Frauen; Er­höhung des Arbeitslosengeldes; Maßnahmen zur Verbesserung der aktuellen Situation von Ein-Personen-Unternehmen; bessere finanzielle Ausstattung von Frauenberatungs­stellen, sowie Verknüpfung dieser mit AMS-Landes-/Regionalstellen.

Fakt 2: Die gesundheitlichen Folgen der Krise für Frauen abseits von Corona-Erkran­kungen steigen enorm.

Die psychische Gesundheit von Frauen ist besonders stark, sogar noch stärker von der Corona-Pandemie betroffen als die psychische Gesundheit von Männern. Das ist nicht nur ein subjektives Gefühl der Betroffenen, sondern zu diesem Ergebnis kommt auch ein Forschungsteam der Technischen Universität Chemnitz. Im Hinblick auf die psychi­sche Gesundheit war das Vorhandensein von Vorschul- und Schulkindern im Haushalt in Kombination mit geschlossenen Schulen und Kindergärten verbunden mit einer Tätigkeit im Home-Office ein wesentlicher Faktor. In diesem Fall stellten die Forschen­den einen besonders starken Anstieg der Erschöpfung bei Frauen fest. Hinzu kommt, dass die Pandemie dazu beitragen kann, traditionelle Geschlechterrollen zu verstärken.

Und was tut diese Bundesregierung? Sie schaut untätig zu!

Umso wichtiger ist die rasche Umsetzung der folgenden Maßnahmen: Der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, eine Arbeitsgestaltung mit mehr Autonomie und egalitäre Ansätze zur Aufteilung der Lasten im Haushalt müssen sofort angegangen werden. Die Ausweitung der psychischen Gesundheitsversorgung muss speziell Frauen in den Blick nehmen, die Weiterentwicklung und Umsetzung des Aktionsplans Frau­engesundheit, die Erweiterung von Vorsorgeuntersuchungen und der Fokus auf frauen­spezifische Behandlungsmethoden müssen sofort umgesetzt werden.

Fakt 3: In der Corona-Krise werden auch immer mehr Frauen Opfer von Gewalt.

Jede 5. Frau in Österreich erfährt mindestens einmal in ihrem Leben physische, psychi­sche oder sexuelle Gewalt. In der Corona-Krise führen Existenzsorgen und Überlastung zu einer weiteren Zunahme häuslicher Gewalt. Lt. Medienberichten wurden im Jahr 2020 durch die Polizei 11.652 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen und rund 9.700 Gefährder weggewiesen. Im Jahr 2021 wurden bereits 4 Frauen getötet. Bei den Anrufen der Frauenhelpline gab es eine Zunahme von 40 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr.

Und was tut diese Bundesregierung? Sie schaut untätig zu!

Umso wichtiger ist die rasche Umsetzung der folgenden Maßnahmen: Gewaltschutz Sofortpaket in der Höhe von 5 Mio. Euro sowie Zusage für einen kontinuierlichen Ausbau der finanziellen Ressourcen für Prävention und Gewaltschutz; Fortführung des Natio­nalen Aktionsplans gegen Gewalt; Stärkung der Prozessbegleitung; der Ausbau von Antigewalttrainings und bundesweite regelmäßige Hochrisikofallkonferenzen.

Fakt 4: Alleinerzieherinnen sind besonders von der Corona-Krise betroffen.

Fehlende Planungssicherheit und ökonomische Engpässe führen viele Frauen in dieser schwer zu bewältigenden Lebenssituation ans Limit. In Österreich gibt es laut Statistik Austria 206.500 Alleinerzieherinnen (2019), davon leben 127.000 mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt. Eine Analyse von WU und AK zu den Auswirkungen der Corona Krise hat gezeigt, dass Alleinerzieherinnen im Durchschnitt mit 15 Stunden Arbeit pro Tag die derzeit am stärksten Belasteten sind. Sie arbeiten mit rund neun Stunden Haus- und Kinderbetreuungsarbeit und zusätzlich sechs Stunden Erwerbsarbeit am meisten von allen. Obwohl Alleinerzieherinnen besonders häufig in Vollzeit arbeiten, sind sie laut Statistik Austria mit 47 Prozent (2019) überproportional stark von Armut und Ausgren­zung betroffen. Das bedeutet, dass die hohen Lebenshaltungskosten mit Kindern mit einem Einkommen oft nicht machbar sind.

Und was tut diese Bundesregierung? Sie schaut untätig zu!

Umso wichtiger ist die rasche Umsetzung der folgenden Maßnahmen: Soforthilfepaket für Alleinerziehende; Unterhaltsgarantie; Erleichterungen beim Zugang zum Familien­härtefonds; Alleinerzieherinnengipfel; Rechtsanspruch auf ganztägige Kinderbetreuung.

Damit Frauen nicht vollends zu den Verliererinnen der Krise werden, soll umgehend ein Konjunkturpaket für Frauen in die Wege geleitet werden! Vorschläge dazu liegen längst am Tisch. Sie sind dringend notwendig und setzen dort an, wo die größten Belastungen durch die Pandemie entstanden sind. Frauen haben ein Recht auf Arbeit, Sicherheit und Perspektiven für ein besseres Leben! Dringend gefordert ist daher Aktivität der Bun­desregierung im Zusammenhang mit dem EU-Aufbau- und Resilienzplan. Bis Ende April muss die Österreichische Bundesregierung der EU Kommission bekannt geben, wie die zu erwartenden Mittel aus dem „Aufbau- und Resilienzfazilität“ (RRF) nach der Covid-19-Krise verwendet werden sollen. Über 3,3 Mrd. Euro an EU-Hilfsgeldern stehen Öster­reich hierfür zur Verfügung. Eine historische Chance, die keinesfalls vergeben werden darf! Diese Gelder müssen umgehend abgerufen und für frauenpolitische Projekte ein­gesetzt werden, etwa in den Bereichen Frauengesundheit, Gewaltschutz, Kinderbetreu­ung, Pflege oder als Soforthilfen für Alleinerziehende. Gleichstellung ist schließlich auch ein zentrales Ziel der Europäischen Union und mehr als die Hälfte der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sind weiblich.

Frauen sind derzeit ganz besonders die Verliererinnen der Corona-Krise! Das muss sofort behoben werden!

Daher stellen die unterfertigenden Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend Vorschläge für gezielte Frauen-Arbeitsmarktförderungen sowie ein Konjunkturpaket für Frauen zuzu­leiten. Die Bundesregierung wird des Weiteren aufgefordert, bei der Erstellung des Nationalen Aufbau- und Resilienzplans die Vorgabe der durchgängigen Berücksichtigung der Gleichstellung der Geschlechter und Chancengleichheit für Alle jedenfalls zu ge­währleisten und eine EU-weite Vorreiterrolle bei der wirtschaftlichen Stärkung der Frauen sicherzustellen. Die abzurufenden Gelder sollen umgehend in den Bereichen der Frauengesundheit, verstärkten Gewaltschutz (um den durch die Krise angestiegenen Zahlen häuslicher Gewalt entgegenzuwirken), Kinderbetreuung, Pflege, Verbesserung der Situation von Alleinerziehenden, Arbeitsmarktförderung von Frauen, Aus- und Wei­terbildungsmaßnahmen etc. eingesetzt werden.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und einem der Antrags­steller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile nun Abgeordneter Klubobfrau Rendi-Wagner das Wort. Sie weiß, die Antragstellerin darf die Redezeit von 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.