13.37
Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren, die Sie heute die Sitzung mitverfolgen! Der Internationale Frauentag feiert heuer ein Jubiläum: Seit mittlerweile 110 Jahren rückt er den Kampf um Gleichstellung, um Selbstbestimmung und um Unabhängigkeit in den Mittelpunkt.
Der heurige Frauentag ist aber ein besonderer: Er ist besonders, weil er im Schatten der Covid-Pandemie stattfindet. Vielfach ist in den vergangenen Monaten festgehalten worden, dass die Pandemie bestehende Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern vergrößert und wie durch eine Lupe zeigt. Diese Ungleichheiten waren schon vor der Krise beachtlich, das macht ein Blick auf den sogenannten Global Gender Gap Index evident.
Dieser Index misst weltweit die Größe der Lücke zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Laut letzter Berechnung aus dem Jahr 2017, also nachdem wir zehn Jahre sozialdemokratisch geführte Bundesregierungen hatten, verortet dieser Global Gender Gap Index Österreich im europäischen Vergleich im letzten Drittel.
Wenn Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, heute frauenpolitische Versäumnisse beklagen, dann beklagen Sie in erster Linie Ihre eigenen frauenpolitischen Versäumnisse, die Corona auf dem Präsentierteller dargelegt hat. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
Was Corona noch sichtbar gemacht hat: In gesellschaftstragenden Berufen sind Frauen überproportional vertreten. Ob im Handel, in der Produktion, im Gesundheitsbereich, in der Pflege, in sozialen Diensten, dort arbeiten vor allem Frauen, unter schweren Bedingungen, zu schlechten Löhnen – und zu besonders schlechten Löhnen, wenn es Frauen mit Migrationsbiographie oder mit Fluchterfahrung sind.
Schon vor der Krise haben Frauen den größten Teil der unbezahlten Sorgearbeit geleistet. Corona hat diese Entwicklung weiter verschärft. Dort, wo Kindergärten und Schulen temporär in die eigenen vier Wände verlagert worden sind, dort, wo professionelle Pflegekräfte ausgefallen sind, haben vor allem Frauen die so entstehenden Betreuungs- und Pflegelücken gefüllt. Diese Doppelt- und Dreifachbelastungen haben sehr viele Frauen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht, und für alleinerziehende Mütter war die Situation besonders schwierig. Noch etwas ist im Schatten der Coronapandemie passiert: Brutale Männergewalt an Frauen ist deutlich gestiegen. Heuer sind bereits vier Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet worden. Gerade letzte Woche ist eine Frau in Wien von ihrem Ex-Partner mit einer brennbaren Flüssigkeit überschüttet und angezündet worden. Sie kämpft um ihr Leben und wir schicken ihr auf diesem Weg viel Kraft. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.)
Es gibt also viele Gründe dafür, dass es wichtig und richtig ist, dass wir heute hier Frauen und die Auswirkungen der Coronakrise ins Zentrum unserer parlamentarischen Debatte stellen. Wenn Sie von der Opposition in der Begründung Ihres Dringlichen Antrages aber schreiben, die Regierung hätte die Frauen „im Regen stehen“ gelassen: Genau das Gegenteil ist der Fall! Noch nie zuvor hat eine Bundesregierung ressortübergreifend so viel Geld in den Gewaltschutz investiert. Wir haben es schon gehört: Noch nie zuvor ist so viel Geld in den Gewaltschutz investiert worden.
Was passiert zeitgleich in Wien? Gab es unter Rot-Grün zu Beginn 2020 noch eine Erhöhung des Frauenbudgets um 500 000 Euro, haben SPÖ und NEOS diese Erhöhung gleich rückgängig gemacht und das Frauenbudget um 500 000 Euro gekürzt. (Ah-Rufe bei der ÖVP.)
Um zu verhindern, dass aus der Gesundheitskrise eine soziale Krise wird, um gezielt erwerbsarbeitslose Frauen und ihre Kinder abzusichern, haben wir neben der Erhöhung der Notstandshilfe und den beiden Einmalzahlungen für Erwerbsarbeitslose auch den Kinderbonus und den Familienhärtefallfonds ins Leben gerufen. Das war zentral für die soziale Absicherung von Frauen. Andere wollen das nicht. Ich habe heute die NEOS-Klubobfrau Meinl-Reisinger im „Morgenjournal“ gehört: Sie hat sich da sehr klar gegen die Aufstockung der Notstandshilfe, gegen die Erhöhung des Arbeitslosengeldes und auch gegen gesetzliche Mindestlöhne ausgesprochen, im selben Atemzug aber prekäre Beschäftigungsverhältnisse von Frauen beklagt. Das geht sich irgendwie nicht ganz aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Übrigens hat die Wiener Stadtregierung auch gegen eine Arbeitszeitverkürzung, wie sie die SPÖ auf Bundesebene fordert, gestimmt. Ein Antrag der Grünen, die Arbeitszeit für die Beschäftigten der Stadt Wien, die im Pflegebereich tätig sind, auf 35 Stunden in der Woche zu reduzieren, wurde von SPÖ und NEOS im Gemeinderat abgelehnt. Das wäre vor allem den Frauen zugutegekommen, sie wollten das offenbar nicht.
Frauen sind von der coronabedingten Arbeitslosigkeit mehr betroffen als Männer. Genau deshalb, das wurde heute schon mehrfach erwähnt, ist ja der Schwerpunkt im Bereich Arbeitsmarkt darauf gelegt: 50 Prozent der AMS-Gelder kommen Frauen zugute, die frauenpolitische Arbeitsmarktstiftung hat einen klaren, dezidiert frauenpolitischen Fokus. Das ist gut so und wichtig. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das brauchen Sie nicht zu fordern, werte KollegInnen von der Opposition, das haben wir schon umgesetzt! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich komme zum Schluss: Welche weiteren Schritte, welche weiteren Maßnahmen müssen wir setzen? Wir brauchen ganz entschieden Maßnahmen im Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit von Frauen. Wir brauchen auch Maßnahmen, die die psychischen Auswirkungen der Gesundheitskrise auf Frauen bekämpfen – dazu bringe ich gleich noch einen Antrag ein. Wir brauchen den weiteren Ausbau der Unterstützung für Alleinerziehende – dazu haben wir schon die Erstellung der Kinderkostenstudie eingebracht. Was wir außerdem ganz, ganz dringend brauchen, ist ein Schließen des Genderpaygaps. Dieser beträgt in Österreich 20 Prozent, das ist um 20 Prozent zu viel. (Beifall bei den Grünen.)
Ich würde jetzt gerne den Antrag einbringen, nur habe ich ihn dort liegen gelassen. (Die Rednerin geht in Richtung ihres Sitzplatzes, ihr wird ein Schriftstück gereicht. – Abg. Kickl: Läuft die Zeit jetzt weiter, oder?) – Ja, meine Güte, das werden Sie ja aushalten, Herr Kickl, oder? (Abg. Kickl: Das frage ich ja für Sie!) Ja, bitte, tun Sie nicht keppeln! (Heiterkeit des Abg. Kickl.)
Deshalb bringen wir heute einen Antrag ein, der die Erstellung von Angeboten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit für Frauen zum Inhalt hat, er lautet wie folgt:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Meri Disoski, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erstellung von Angeboten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Frauen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird dazu aufgefordert, ehestmöglich Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Frauen zu treffen und entsprechende Angebote vorzulegen.“
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Ich hoffe auf breite Zustimmung.
Ja, es ist noch viel zu tun. Die Baustellen liegen offen, die Baustellen sind evident. Wir Grüne werden weiterhin konsequent für Verbesserungen kämpfen. In diesem Sinne wünsche ich uns und Ihnen allen einen kämpferischen 8. März! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
13.44
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Meri Disoski, Elisabeth Pfurtscheller, Ralph Schallmeiner, Gertraud Salzmann, Kolleginnen und Kollegen
betreffend Erstellung von Angeboten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Frauen
eingebracht im Zuge der Debatte über den dringlichen Antrag von Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Gabriele Heinisch-Hosek betreffend Frauen dürfen nicht die Verliererinnen der Corona-Krise sein!
Begründung
Mehrfachbelastungen durch Home-Office-, Home-Schooling, Kurzarbeit, drohender oder realer Jobverlust, finanzielle Sorgen, die Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus, die Angst davor, einen nahen Menschen zu verlieren, und der Tod eines geliebten Menschen – seit März 2020 haben die Corona-Krise und ihre Folgen weitreichende soziale, ökonomische, körperliche und auch psychische Auswirkungen auf unser aller Leben.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen Frauen und Männer jedoch unterschiedlich. Frauen sind in gesellschaftstragenden Berufen überproportional vertreten: Ob im Handel, in der Produktion, im Gesundheits-, Sozial- und Pflegebereich, in elementarpädagogischen Bildungseinrichtungen und Schulen. In all diesen Bereichen sind es vor allem Frauen, die körperlichen und auch psychischen Belastungen ausgesetzt sind. Wo Kindergarten und Schulen im Kampf gegen die Verbreitung des Corona-Virus in die eigenen vier Wände verlegt werden mussten, wo professionelle Pflegekräfte temporär entfallen sind, haben vor allem Frauen so entstehende Betreuungslücken gefüllt und waren so Doppelt- und Dreifachbelastungen ausgesetzt. Die Corona-Krise ist nicht nur eine Gesundheitskrise, sondern auch eine ökonomische Krise, wobei nach Untersuchungen der OECD insbesondere Frauen von erhöhter Armutsgefährdung durch die Corona-Krise betroffen sind1. Im Schatten der Corona-Krise gab es zudem einen Anstieg an Gewalt gegen Frauen.
Im Vorfeld zum Internationalen Weltfrauentag verweist der Berufsverband Österreichischer PsychologInnen auf Studien, wonach bei Frauen in Folge der Corona-Krise Ängste, Depressionen, Schlafprobleme und Stress in den vergangenen Monaten stärker zugenommen haben als bei Männern.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wird dazu aufgefordert, ehestmöglich Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Frauen zu treffen und entsprechende Angebote vorzulegen.“
1 OECD (2020): Women at the Core of the Fight Against COVID-19 Crisis, bezogen unter: read.oecd-ilibrary.org/view/?ref=127_127000-awfnqj80me&title=Women-at-the-core-of-the-fight-against-COVID-19-crisis (Zugriff: 20.4.2020)
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt, auch in den Unterschriften klar detektierbar und steht somit mit in Verhandlung.
Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek zu Wort gemeldet. – Bitte.