14.12

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungs­bank! Gewalt beginnt nicht auf der Straße, Gewalt beginnt in der Sprache, und ich verwahre mich entschieden gegen diese Form von Gewalt, die hier teilweise sprachlich verwendet wird. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zahlen wurden heute schon teilweise gestreift beziehungsweise genannt. Ich erlaube mir, sie noch einmal zu vertiefen: Zwei Drittel der unbezahlten Hausarbeit werden von Frauen geleistet, zwei Drittel der be­zahlten Erwerbsarbeit von Männern. In anderen Zahlen ausgedrückt: 2018 verdienten Männer 64 Prozent aller Bruttolöhne, Frauen verdienten 36 Prozent aller Bruttolöhne. Frauen leisten fast doppelt so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Zählt man die unbe­zahlte und bezahlte Arbeit zusammen, haben Frauen eine deutlich höhere Wochen­arbeitszeit als Männer bei einem deutlich geringeren Einkommen.

Würde die unbezahlte Hausarbeit in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit aufge­nommen, würden circa zwei Drittel des gesamten Arbeitsvolumens, der gesamten Arbeit, die geleistet wird, im Carebereich geleistet. Davon wird allerdings nur ein kleiner Bruch­teil tatsächlich bezahlt. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zuse­herinnen und Zuseher, war schon vor der Coronakrise so, das war schon Jahrzehnte vor der Coronakrise so, das hat sich jetzt in der Coronakrise allerdings noch einmal deutlich verschlechtert.

Über die wirtschaftliche Bedeutung der Carearbeit wird leider zu wenig diskutiert, es wird viel von globalen Lieferketten geredet, aber leider nur sehr wenig von Fürsorgeketten, von jener Carearbeit, die notwendig ist, damit Erwerbsarbeit vielfach überhaupt erst ermöglicht wird.

Ich möchte eine Lanze für den Sozialstaat brechen, eine Lanze für von der Öffentlichkeit, von der öffentlichen Hand erbrachte und finanzierte Dienstleistungen, soziale Dienst­leistungen. Gerade in der Krise haben wir gemerkt: Wenn Bildungseinrichtungen nicht mehr in ausreichendem Ausmaß zugänglich waren, wenn Kindergärten herunterge­fah­ren werden mussten, wenn teilweise Unterricht ausgefallen ist, dann waren es die Frauen, die plötzlich einspringen mussten und zu Hause unbezahlte Carearbeit, Bil­dungs­arbeit leisten mussten.

Es muss daher auch ganz klar sein: Dieser Sozialstaat, der seine umfassenden Leis­tungen im Bereich der Bildung, der Pflege, der Betreuung und der Gesundheit anbietet, muss um jeden Preis erhalten, ausgebaut und gestützt werden. (Beifall bei den Grünen.)

Dieser Sozialstaat, der uns durch diese Krise getragen hat, darf in der Krise und vor allem auch nach der Krise, dann, wenn es um die Bewältigung der Krisenkosten geht (Abg. Wurm: Das habt ihr hoffentlich mit der ÖVP ausgeredet, oder? Ist das mit der ÖVP abgestimmt?), nicht kaputt gemacht werden, denn das ginge ja auf Kosten der Frauen, das ginge auf Kosten derjenigen, die bereits jetzt die meiste Arbeit zu schultern haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Careeconomy ist keine Privatsache, Care­economy ist schon gar keine Frauensache. Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand, Pflege, Betreuung und Bildung so zu gestalten, dass das den Frauen zugutekommt, dass das nicht zulasten von Einkommen, Chancen, Lebensqualität und sozialer Absicherung von Frauen geht. Wir sind sehr froh und wir haben daran entschieden mitgearbeitet, dass viele der Ausbildungsmaßnahmen, die derzeit im Rahmen der Joboffensive erfolgen, Frauen zugutekommen: Ausbildung für Pflege, Ausbildung für Betreuer, Ausbildung für soziale Dienste. Es geht aber nicht nur darum, Menschen, insbesondere Frauen, aus­zubilden. Es gilt auch, Arbeits- und Einkommensbedingungen zu schaffen, die diese Arbeitsplätze auch attraktiv machen.

Es macht keinen Sinn, Menschen auszubilden, wenn sie dann in dem Bereich nicht arbeiten können. Es wird Aufgabe von uns allen sein, von Bund, Ländern, Gemeinden, Gewerkschaften, Sozialvereinen und der Wirtschaft, die Arbeitsbedingungen so zu ge­stalten, dass alle gerne in diesen Bereichen arbeiten, dass die Arbeitsbedingungen gut sind, die Lebensbedingungen gut sind und die Einkommensbedingungen gut sind, vor allem auch für Frauen in den Bereichen, die derzeit notorisch unterbezahlt sind.

Eine letzte Empfehlung: 2018 Frauenvolksbegehren: 480 000 Menschen haben es unterschrieben. Bis heute sind viele Forderungen des ersten Frauenvolksbegeh­rens, aber auch des zweiten nicht umgesetzt. (Zwischenruf der Abg. Kucharowits.) „Über­Forderungen“ (das genannte Buch von Magdalena Baran und Christian Berger in die Höhe haltend) lautet der Titel dieses hervorragenden Buchs, das immer wieder daran erinnert, was gefordert worden ist und wie das umsetzbar wäre. Ich kann es heute zum Frauentag nur allen wärmstens empfehlen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.17

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.