14.59

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Regierungsmitglieder! Frauenpolitik: Vieles, was wichtig und richtig ist, wurde heute bereits gesagt. Dennoch ist es immer noch ein politischer Bereich, in dem der Begriff Symbolpolitik eigentlich ein passenderer wäre.

Heute ist dieser eine Tag im Jahr, an dem alles besser werden soll, an dem Frauen­solidarität beschworen, aber leider nicht gelebt wird, Versprechen ausgesprochen, aber nicht eingehalten werden, glaubhaft dargestellt wird, dass im Grunde eigentlich eh jeder verstanden hat, warum es geht, jeder die Komplexität der Fragen und Probleme, die der Alltag jeder Einzelnen mit sich bringt, wirklich ehrlich begriffen hat. Sei es ein 12-Stunden-Tag in einem der so viel beklatschten unterbezahlten systemrelevanten Berufe oder die Pflege eines Angehörigen oder die erhebliche Mehrbelastung, die der neue Alltag mit sich gebracht hat, Minijobfalle, Gewalt, Armut: Ja, eigentlich haben eh alle verstanden, worum es denn geht.

Frauenpolitik ist keine ideologische Frage, sondern zeigt eindeutig auf, welches Wert­gefühl man besitzt oder welchen Respekt man voreinander hat – danke an dieser Stelle an alle emanzipierten Männer, die diesen Respekt bereits tagtäglich leben. Die Idee der Emanzipation war, dass Frauen ihr Leben selbstbestimmt leben können, selbstständig, ohne Abhängigkeit und Zwang.

Die Politik muss heute – 110 Jahre später – mehr denn je dafür kämpfen, für alle Frauen, die von Gewalt oder Armut betroffen sind, einen sicheren Rahmen zu schaffen. Die Situ­ation für Frauen ist im besten Fall eine, die immer gleich bleibt, oder im schlimmsten Fall – den hat die coronabedingte Situation hervorgebracht – eine, die tagtäglich schlechter wird. Sie sind gefangen in einer Armutsfalle, in einer Gewaltspirale, aus der herauszukommen sie alleine häufig gar nicht mehr die Kraft haben. Man kann sagen, dass vieles durch die Pandemie nicht neu, sondern nur deutlicher sichtbar geworden ist.

Der heutige Tag ist ein guter Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme der Stellung von Frauen weltweit und auch in Österreich. Eine kleine Überraschung vorweg: Es sieht nicht gerade rosig aus, sondern eher dunkelrot. Die WHO schätzt, dass jede dritte Frau auf der Welt zumindest einmal in ihrem Leben Opfer sexueller oder psychischer Gewalt sein wird. Neuere Studien zeigen mittlerweile, dass sich die Situation aufgrund von Covid weiter massiv verschlechtert hat. Auch ohne Pandemie wären die Aussichten aber sehr trüb. In Lateinamerika beklagen Menschenrechtsorganisationen eine regelrechte Schat­tenpandemie an Femiziden, also der Ermordung von Frauen und Mädchen aus keinem anderen Grund als ihrem Geschlecht. Oder nehmen wir Nigeria: Die Entführung und Versklavung von Schulmädchen durch Boko Haram ist dort derart an der Tagesordnung, dass gar nicht mehr ausreichend darüber berichtet wird. Oder: Uigurische Frauen sind in China weiterhin Zwangssterilisationen und Vergewaltigungen ausgesetzt.

Um die festliche Stimmung heute nicht so ganz zu trüben, ist immerhin ein positiver Aspekt zu erwähnen: In Saudi-Arabien dürfen Frauen immerhin schon seit vier Jahren den Führerschein machen. Gleichzeitig hat sich allerdings in manchen Regionen der Menschenhandel mit Frauen, die in die Sklaverei verkauft werden, in den letzten zwölf Monaten verdreifacht.

Da Buchtipps hier im Parlament en vogue sind, habe ich heute auch einen für alle, die in dieser Materie noch nicht wirklich zu Hause sind oder keine Vorstellung davon haben, dass Sklaverei auch in Europa stattfindet. „Sklavin – Gefangen Geflohen Verfolgt“ ist ein authentischer Bericht von einer Sklavin, deren Reise direkt in London, im Hause eines Botschafters, geendet hat.

Am Weltfrauentag muss man unter den momentanen Vorzeichen über bloße Symbol­politik und Lippenbekenntnisse hinausgehen. In Österreich nimmt die Gewalt hinter verschlossenen Türen dramatisch zu; die betroffenen Frauen sind mit ihren Peinigern isoliert. Ja, das ist ein trauriges Weltbild, das wir alle hier im Hohen Haus tagtäglich und nicht nur an einem Tag im Jahr zum Besseren wenden sollten. Eines sollte uns dabei bewusst sein: Wir hier herinnen im Hohen Haus haben die Macht, den Frauen, die an die Grenzen des von ihnen Machbaren geraten sind, zu unterstützen, sie nach bestem Wissen und Gewissen in ihrer Angst oder in ihrer Armut nicht alleinzulassen und ihnen Respekt für ihre Leistung eben gerade auch im letzten Jahr zu zollen.

Weltfrauentag: Jeder mag dazu stehen, wie er gerne möchte. Für mich ist es kein Tag zum Feiern. Feiern werde ich hingegen jeden Tag, an dem sich für die Frauen wirklich nachhaltig etwas zum Besten verändert. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

15.04

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Herr Abgeordneter Martin Engelberg zu Wort ge­mel­det. – Bitte.