9.33

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne mehr Ernst und Vernunft in diese aufgeheizte Stimmung bringen. Die Lage in Österreich ist, was Corona betrifft, eine ernste – ich glaube, das können wir alle nicht leugnen –, und zwar nicht nur, wenn wir auf die ansteigende Zahl der Neuinfektionen schauen, sondern vor allem dann, wenn wir uns die Situation auf den Intensivstationen anschauen.

Im Gegensatz zu November ist die Situation dort nämlich eine andere: Die Patienten und Patientinnen werden immer jünger, sie erkranken immer schwerer. Der Krankheitsver­lauf entwickelt sich rascher und sie müssen viel früher intensivmedizinisch versorgt wer­den und dann leider auf diesen Stationen oft auch wochenlang liegen.

Ich möchte diese Gelegenheit auch dazu nützen, nicht nur unserer Zweiten Nationalrats­präsidentin Doris Bures an dieser Stelle gute Besserung zu wünschen, sondern auch, gerade weil es eine Aktuelle Stunde der FPÖ ist, dem oberösterreichischen Landespar­teiobmann Manfred Haimbuchner, der ja sehr schwer erkrankt ist und auf der Intensivsta­tion liegt. (Allgemeiner Beifall.)

Alleine diese beiden Fälle, die wir gut kennen, zeigen – neben Tausenden anderen – eines: Dieses Virus kennt keine Grenzen. Es kennt keine Altersgrenzen, es kennt keine Parteigrenzen, es kennt keine Bundeslandgrenzen. Nicht nur ich, sondern viele Exper­tinnen und Experten dieses Landes haben seit Wochen davor gewarnt. Wir haben vor den verfrühten Öffnungen Anfang Februar gewarnt, und ich wünschte, es wäre anders gekommen, die Entwicklung der steigenden Zahlen aber bestätigt diese Warnungen.

Es war uns damals klar – und ich glaube, es war auch Ihnen klar, Herr Bundeskanzler –, dass es so kommen wird, wenn man bei zu hohen Zahlen und zu niedriger Impfrate öffnet. Auch jetzt ist es klar. Es gab in den letzten Tagen klare Hilferufe der Ärztinnen und Ärzte. Sie sagen, dass in spätestens zwei bis drei Wochen die Intensivstationen an einem kritischen Punkt ankommen werden. Wenn nicht gegengesteuert wird, dann heißt das nach diesen drei Wochen: Minderversorgung. Minderversorgung heißt, dass nicht nur Covid-Patientinnen und -patienten nicht mehr adäquat versorgt werden können, wenn sie schwer erkranken, sondern alle, jeder und jede in Österreich.

In Österreich sind in den letzten zwölf Monaten auch über 9 000 Menschen an Covid verstorben; alleine in den letzten sieben Tagen waren es 133 Menschen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kickl.) Ich denke, die Politik darf diese Zahlen nicht beiseitewischen. Wir dürfen uns an diese Zahlen nicht gewöhnen, nein, wir dürfen uns damit nicht abfinden!

Es ist zentrale Aufgabe einer Bundesregierung, alles dafür zu tun, Todesfälle und schwe­re Erkrankungen, die vermeidbar sind, zu verhindern und zu vermeiden, alles dafür zu tun, den Anstieg der Zahl der Patienten auf den Intensivstationen zu stoppen – weil es laut den Experten und den Ärzten, die Sie schon erwähnt haben, Herr Bundeskanzler, jetzt eine rasche Trendumkehr in Österreich braucht. Wenn ich mir allerdings das Er­gebnis Ihres Coronagipfels am Montag anschaue, dann sehe ich, dass dort keine Ent­scheidung getroffen wurde. Es ist eigentlich ein Nichtergebnis, das am Montag bei Ihrem Gipfel herausgekommen ist. Es ist keine Entscheidung getroffen worden, um diese notwendige Trendumkehr herbeizuführen. Genau dieses Nichtentscheiden, dieses Nicht­handeln ist Ausdruck von Planlosigkeit, ist Ausdruck einer Hilflosigkeit und Zeichen eines Autoritätsverlustes – und das mitten in einer Jahrhundertkrise. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist auch kein Wunder, dass die Bevölkerung jetzt nicht mehr so mitgeht. Die Bevöl­kerung geht nicht mit, weil sie nicht weiß, wohin sie mitgehen soll – keine Orientierung, kein Plan, kein Ziel. Dabei bräuchte es jetzt in dieser wichtigen Phase keine Regierung, die coronamüde ist, keine Regierung, die Verantwortung abschiebt, wenn es eng wird. Es bräuchte eine Bundesregierung, die das Ruder fest in der Hand hat, die den Mut hat, das zu tun, was für unser Land jetzt notwendig ist. Ich bin überzeugt: Würde die Re­gierung den Mut zur Ehrlichkeit haben, würde sie diese Entschlossenheit an den Tag legen, würde sie ein klares Ziel haben, dann wäre auf diesen entscheidenden letzten Metern eine gemeinsame Kraftanstrengung im Kampf gegen Corona möglich. Es geht um nichts anderes als den Schutz Österreichs. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

9.39

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.