12.46

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Wertes Hohes Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Seit mehr als einem Jahr befinden sich Eltern und Kinder in einem Ausnahmezustand. Vom viel zitierten „Licht am Ende des Tunnels“ ist aufgrund des Coronamissmanagements und des Impfdesasters noch lange nichts zu sehen. Jede weitere Pressekonferenz der Regierung wird zu einer Zitterpartie für Eltern und Kinder, weil sie nicht wissen: Werden die Ferien verlängert? Wird wieder auf Distancelearning umgestellt? Werden die Schulen geschlossen? Was mache ich mit meinem Kind, wenn ich arbeiten muss?

In den Medien kursiert heute überall die Nachricht, dass die Ferien verlängert werden sollen beziehungsweise danach auf Distancelearning umgestellt werden soll. Ich habe dazu vor ein paar Minuten mit einer Direktorin telefoniert: Also in den Schulen ist bis jetzt noch keine Information diesbezüglich angekommen. Deswegen ersuche ich Sie, Herr Minister, heute, hier und jetzt: Können Sie dazu bitte Stellung nehmen und den Zusehe­rinnen und Zusehern und auch uns im Hohen Haus sagen, wie es jetzt weitergeht? (Bei­fall bei der SPÖ. – Zwischenbemerkung von Bundesminister Faßmann.)

Diese Nichtinformation führt zu einer großen Unsicherheit, und die psychische Belastung ist, wie wir schon gehört haben, für Kinder enorm groß und steigt immer weiter an. Es gibt keine Therapieplätze, sie sind auf Monate hinaus vergeben, ausgebucht, besonders die bezahlten. Von denen, die nicht von öffentlicher Hand finanziert werden, ist gar nicht die Rede, denn diese können sich die Eltern gar nicht leisten. Die dramatischen Folgen sind eine auseinanderklaffende Bildungsschere, die immer größer wird, und Bildungser­folge, die ausbleiben, sogar bei guten Schülerinnen und Schülern – und das kann man messen.

Wenn es das Infektionsgeschehen also zulässt und begleitend Schutzmaßnahmen ge­setzt werden, muss eine Rückkehr zum täglichen Unterricht das Ziel sein, denn die Eltern sind am Limit. Seit einem Jahr sind die Kinder mehr zu Hause als im Unterricht, aber – bei allem Respekt – einen Lehrer kann man nicht ersetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Künsberg Sarre.)

Es braucht dringend eine Entlastung für Eltern, deren Kinder im Distancelearning sind, einen Rechtsanspruch auf bezahlte Sonderbetreuungszeit. Der im Dezember beschlos­sene Rechtsanspruch war zwar richtig und gut, er greift aber in der Praxis nicht, wenn die Schulen eine Betreuung anbieten. Daher muss die gesetzliche Klarstellung dringend angewendet werden. Eine Umstellung auf Distancelearning und Schichtbetrieb ist auch eine behördliche Teilschließung, daher braucht es diese Klarstellung. Ich bringe deswe­gen folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Corona-Stress von Eltern stoppen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert dem Nationalrat ehestmöglich eine No­velle des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes zu zuleiten, in der klar gestellt wird, dass Schulen auch bei Weiterbestehen einer Betreuungsmöglichkeit in der Schule, als behördlich geschlossen im Sinne des § 18b AVRAG gelten und Eltern damit auch in diesem Falle einen Rechtsanspruch auf bezahlte Sonderbetreuungszeit haben.“

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Ich bitte um breite Zustimmung, damit sich die Eltern in diesem Land ernst genommen fühlen, um ihnen zu helfen, durch die Krise zu kommen. Wenn ÖVP und Grüne da nicht mitstimmen, dann ist das eine klare Botschaft an die Eltern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Sonja Hammerschmid, Gabriele Heinisch-Ho­sek, Petra Wimmer, Genossinnen und Genossen

betreffend: Corona-Stress von Eltern stoppen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Top 7 Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1313/A(E) der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg Sarre, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Unterstützungsmaßnahmen für Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich psychischer Probleme von Schülerinnen und Schülern (750 d.B.)

Seit inzwischen mehr als einem Jahr befinden sich Eltern mit ihren Kindern in einem absoluten Ausnahmezustand. Die Aufgaben und Herausforderungen für die Eltern wer­den täglich mehr, statt weniger. Vom vielzitierten „Licht am Ende des Tunnels“ ist Öster­reich, mit seinem Impfdesaster und der verfehlten Corona-Politik der Bundesregierung, meilenweit entfernt. Jeder Regierungsgipfel stellt sich für Eltern und Kinder als eine weitere Zitterpartie dar: werden Schulen wieder geschlossen, Ferien verlängert, wieder komplett auf Distanzunterricht umgestellt?

Das alles, obwohl beinahe wöchentlich neue Horrorzahlen über die steigenden psychi­schen Belastungen von Kindern und Jugendlichen erscheinen. Eine Studie der Donau-Universität Krems in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien und unterstützt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, hat beispielsweise die psychische Gesundheit von rund 3.000 SchülerInnen untersucht. Die Ergebnisse sind alarmierend: 55 Prozent leiden unter einer depressiven Symptomatik, die Hälfte unter Ängsten, ein Viertel unter Schlafstörung und 16 Prozent haben suizidale Gedan­ken. Die Häufigkeit von depressiven Symptomen, Angstsymptomen, aber auch Schlaf­störungen hat sich mittlerweile verfünf- bis verzehnfacht. Tendenz steigend.1 Nicht nur Berichte von Psychologinnen und Psychologen von überfüllten Kinder- und Jugendpsy­chiatrien, samt Triage-Situationen vor Ort sollten alle Alarmglocken schrillen lassen. Ex­pertInnen warnen längst auch vor den dramatischen negativen Auswirkungen auf die Bildungserfolge und der auseinanderklaffenden Bildungsschere.

Nicht nur die Kinder, auch die Eltern sind am Limit. Seit mehr als einem Jahr sind Kinder mehr zu Hause, als in der Schule im Unterricht. Derzeit gibt es nur an Volksschulen einen fünf tägigen Präsenzunterricht, alle anderen SchülerInnen haben Schichtunter­richt: zwei Tage Präsenzunterricht, zwei Tage Distanzunterricht und am Freitag Dis­tance-Learning. Für Eltern bedeutet das also, dass sie sich für drei von fünf Werktagen überlegen müssen, wie sie ihre Kinder beim Heimunterricht betreuen und unterstützen können. Der im Dezember 2020 verankerte Rechtsanspruch auf Sonderbetreuung war zwar wichtig, greift in der Praxis allerdings meist nur dann, wenn Schulen komplett ge­schlossen sind. Der Effekt davon: mittlerweile schickt ein Großteil der Eltern, die Kinder mit Betreuungsbedarf, ohnehin an die Schulen. Der einzige Unterschied zum Normalbe­trieb ist, dass die Schule zwar Betreuung, aber keinen Unterricht bietet.

Wenn es das Infektionsgeschehen zulässt und begleitend Schutzmaßnahmen gesetzt werden, muss eine Rückkehr zum täglichen Schulbetrieb, wie es bereits an den Volks­schulen der Fall ist, das erklärte Ziel sein. Das beste Schutzkonzept sind Impfungen. Mit einer flächendeckenden, raschen Impfung von LehrerInnen und Kindergartenpädago­gInnen begleitet von regelmäßigen Testungen muss das rasch gelingen.

Bis dahin braucht es aber eine dringende Entlastung und bessere Unterstützung der Eltern für die Tage, an denen die Kinder im Distanzunterricht sind. Auch in diesen Fällen brauchen Eltern einen Rechtsanspruch auf bezahlte Sonderbetreuungszeit.

In den Erläuterungen zum 1. COVID-19 Gesetz (BGBl. I Nr. 12/2020) - mit dem erstmalig die Sonderbetreuungszeit eingeführt wurde - wurde ausgeführt, dass die Sonderbetreu­ungszeit dann vereinbart werden kann, wenn Schulen oder andere Kinderbetreuungs­einrichtungen auf Grund behördlicher Maßnahmen teilweise oder vollständig geschlos­sen werden, wobei diese Einrichtungen eine Betreuung weiterhin anbieten. Daraus geht klar hervor, dass beispielsweise auch die Umstellung auf Distance-Learning und Schicht­betrieb eine teilweise behördliche Schließung der Schulen darstellt, weil das Anbieten einer Betreuung durch die Schule einer Schließung nicht schadet.

Im Sinne einer Rechtssicherheit für Familien, ist es notwendig hier eine gesetzliche Klar­stellung vorzunehmen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit wird aufgefordert dem Nationalrat ehestmöglich eine No­velle des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes zu zuleiten, in der klar gestellt wird, dass Schulen auch bei Weiterbestehen einer Betreuungsmöglichkeit in der Schule, als behördlich geschlossen im Sinne des § 18b AVRAG gelten und Eltern damit auch in diesem Falle einen Rechtsanspruch auf bezahlte Sonderbetreuungszeit haben.“

1              https://www.donau-uni.ac.at/de/aktuelles/news/2021/16-prozent-der-schuelerinnen-haben-suizidale-gedanken.html

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