13.55

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und liebe Zuseher! Erstens: Natürlich sind wir sehr für diese Nationale Strategie gegen Antisemitismus. Warum? – Weil wir wissen, dass es ihn nach wie vor gibt. Die Ein­stellung, hören wir, ist da und dort besser geworden, die Vorfälle hingegen nehmen zu, und wie ich heute schon einmal gesagt habe: Selbst wenn heute etwas besser geworden ist, wissen wir nicht, wie es morgen ist.

Da hast du völlig recht, Kollegin Blimlinger, das ist ein wunderbares Buch, das eben erst herausgekommen ist: „Jude ist kein Schimpfwort“ von Alexia Weiss (das genannte Buch in die Höhe haltend). Es ist deswegen so interessant, weil wir da den Jüdinnen und Juden, die in Österreich leben, zuhören können, was sie hier erleben. Manche von jenen, die hier sprechen, sind auch zugewandert.

Schlomo Hofmeister, aus München zugewandert, Gemeinderabbiner von Wien und Oberrabbiner in einigen Bundesländern, berichtet schon von verbalen Attacken. Er sieht mehr Antisemitismus bei der jüngeren Generation und eine riesige Unwissenheit über das Judentum, und er sagt auch, er hört manchmal noch die alten Klischees, nämlich: Warum habt ihr unseren Herrn Jesus Christus gekreuzigt? – Wir wissen, es waren die Römer, es waren nicht die Juden, das aber ist diese Wurzel des christlichen Antisemi­tismus, die es leider gibt. Ja, es gibt sie noch, und wir müssen auch dagegen ankämpfen.

In dem Buch wird auch sehr schön die Geschichte berichtet, eine zum Teil schreckliche Geschichte: Es gab zwei ganz, ganz große Judenvertreibungen aus Wien, die eine war 1420, die zweite 1669. 1420 hat man gesagt, die Juden hätten Hostien geschändet, 1669 war die zweite Vertreibung, beide Male durch Habsburger Kaiser, 1669 durch Leopold I., nach dem die Leopoldstadt benannt ist, im Volksmund früher auch als Mazzesinsel be­zeichnet. Da sieht man auch, wie verquer die österreichische Geschichte zum Teil ist.

Und noch etwas sagt Schlomo Hofmeister, nämlich: Der muslimische, der christliche Antisemitismus seien, um es pauschalisierend zu sagen, belehrbar, der von rechts nicht. Ich glaube auch, dass viele Menschen, die zu uns kommen, historisch keine Ahnung haben – die müssen wir aufklären. Und was den rechtsextremen Antisemitismus betrifft, da gibt es Gott sei Dank ein Strafrecht, und das muss angewendet werden, man muss den Leuten sagen, da gibt es keine Toleranz, zero tolerance. Jeder, der glaubt, er kann Menschen attackieren, Gebäude beschädigen et cetera, muss entsprechend bestraft werden.

Da komme ich zu einem Zweiten: Chanan Babacsayv, in Jerusalem geboren und später nach Wien gekommen, erzählt, er hat Kinder in der Schule, und diese werden dort zum Teil attackiert. Er hat seinem Sohn gesagt: Da musst du zum Klassensprecher gehen, zum Schulsprecher gehen, zum Direktor gehen. Das ist dann passiert, der Direktor hat alle zusammengerufen, und seine Erfahrung ist gewesen, dass man den Kindern erklärt hat, worum es geht, und dass dann sehr wohl die Aufklärung, die Erklärung geholfen hat.

Susanne Trauneck kommt in dem Buch vor, sie ist jetzt die Leiterin des Jewish Welcome Service Vienna, das Leon Zelman gegründet hat – auch ein sehr wichtiger Beitrag von ihr, denn Leon Zelman hat damit begonnen, sie setzt seine Arbeit jetzt fort. Es gibt ja leider nur mehr ganz wenige Überlebende, aber auch deren Familien kommen, und das ist eine Form von Aussöhnung, die ich für notwendig halte, die aber wie gesagt nur möglich ist, wenn wir uns offen mit der Geschichte beschäftigen und wenn wir wissen, was passiert ist.

Zum Schluss vielleicht noch ein ganz wichtiger Punkt: Da und dort sind auch in soge­nannten bürgerlichen Kreisen blöde, abwertende Bemerkungen zu hören. Jeder von uns ist aufgerufen, zu sagen: Stopp, nein, das lassen wir nicht zu!

Ich habe heute schon Stefan Zweig zitiert, der von einem Leben um 1900, 1910 erzählt, als Jüdinnen und Juden in Österreich gelebt und in Wien einen ganz, ganz wesentlichen Beitrag zur Kultur, zur Wissenschaft und in anderen Bereichen geleistet haben – und wie schnell das dann gekippt ist und die Freunde von gestern diejenigen waren, die sie am nächsten Tag erniedrigt haben. Ich glaube, das dürfen wir auch nie vergessen.

Zusammenfassend: Vielen Dank für die Initiative! Reden wir darüber! Stehen wir gemein­sam auf! Antisemitismus hat in diesem Land nichts verloren; er verstößt gegen unse­re Werte, er verstößt gegen unser Land, und deswegen müssen wir gemeinsam dage­gen auftreten. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Smolle und Steinacker.)

14.00

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Mag. Romana Deckenbacher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.