17.36

Abgeordnete Mag. Dr. Petra Oberrauner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuseher und Zuseherinnen von zu Hause aus! Ich möchte Ihnen als Erstes ausrichten, geschätzte Kolleginnen und Kollegen aus den türkisen Reihen: Eine Pandemie hat zwar mit Stil nichts zu tun, ich würde mir aber schon wünschen, dass der Stil in diesem Haus jener bleibt, den wir am Anfang gehabt haben. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wurm. – Ruf bei der ÖVP: Das sagen Sie, ...!) – Das sage ich, ja, ganz genau (Zwischenruf des Abg. Zarits), und ich werde meine Redezeit jetzt den Menschen widmen und nicht Ihren Zurufen. (Abg. Za­rits: Danke, ...!)

Wenn wir in einer Pandemie sind – und das ist eine Krise und kein Projekt, das wir um­setzen müssen –, dann ist die erste Aufgabe der Politik, in der Pandemie – der größten der letzten 100 Jahre, wie Sie sagen – Rahmenbedingungen zu schaffen und Maßnah­men zu setzen, die den Menschen Sicherheit, Orientierung, Perspektive, Vertrauen und Zuversicht geben. Wenn Sie draußen unterwegs sind, dann müssen Sie feststellen, dass die Menschen Angst haben – sie haben Angst, dass sie ihre Gesundheit verlieren, sie haben Angst, dass sie ihren Job verlieren; die Betriebe haben Angst, dass sie insolvent werden; die Mütter und Väter haben Angst um ihre Kinder. Gesamt gesehen haben alle Angst, dass irgendetwas passieren könnte, sodass ihre Existenz berührt ist, und die Bil­dungschancen sind aufgrund der großen Restriktionen, die notwendig sind, auf ein Mi­nimum reduziert.

Normalität im Leben der Menschen ist ein Luxus geworden, und wir reden hier im Haus darüber, wer recht hat und wer nicht recht hat und was die Opposition sich erlaubt, mitzudenken! Meine sehr geehrten und geschätzten Kolleginnen und Kollegen, es geht darum, dass wir alle  und zwar ausnahmslos alle, egal ob man an der Macht ist oder nicht  das Wohlbefinden der Menschen und die Lösungen dieser Pandemie im Auge behalten. Wenn jemand mehr sieht als zwei Augen, die immer das Gleiche sehen, dann ist das nicht notgedrungen Kritik. Es ist vielleicht ein konstruktiver Beitrag, um zu einer Lösung zu kommen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hanger: Das passt ja eh!)

Wir haben gelernt, dass die einzige Lösung, die wir im Moment haben – und da sind wir dankbar; auch weil wir immer in Forschung und Entwicklung investiert haben –, Impfungen sind. Es geht auch nicht darum, ob ich einen Impfplan habe, es geht darum, ob ich einen Umsetzungsplan habe. Ich möchte es vielleicht vereinfachen, damit Ihnen das klar ist: Wenn in einer Stadt ein großes Haus brennt und der Bürgermeister weiß, dass da so und so viele Menschen drinnen sind, dann kann er nicht so eine Performance hinlegen, er kann nicht sagen: Wir müssen uns beraten und dann müssen wir schauen, ob wir Wasser kriegen, und vielleicht haben wir auch jemanden, der das umsetzt, die Leute sollen ruhig warten, denn wir werden sie schon retten – wenn sie nicht gestorben sind! – Das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen einen Umsetzungsplan haben, wir müssen jeden Cent und jeden Euro und jede Minute unserer Aufmerksamkeit der Lösung dieser Pandemie zur Verfügung stel­len. Es geht nicht um Streiten, es geht nicht um andere Projekte, es geht um ein Konzept, eine Umsetzung zur Bekämpfung dieser Pandemie in Österreich. Und ich muss schon sagen: Wenn ich daran denke, dass Israel 1,3 Milliarden in Impfstoff für die Bevölkerung steckt, diesen auch verimpft und den Menschen schon heute ein freies Leben zur Verfü­gung stellt, das ihnen zusteht, dann frage ich mich, warum wir über einen Deckel von 200 Millionen beziehungsweise 388 Millionen Euro streiten.

Eine Woche Lockdown kostet uns 2 Milliarden Euro, und wie viele Lockdowns wir gehabt haben, das wissen wir alle! Da brauchen wir nicht gut rechnen zu können, um zu wissen, wie viel Geld wir beim Fenster hinausgeschmissen haben, das den Menschen und den Zahlen nichts gebracht hat.

Wir sind in der gleichen Situation wie im November. Was hat es gebracht? – Gar nichts. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!) Von den Menschen wird Eigenverantwortung gefordert. Es wird gefordert, dass sie ihre Sozialkontakte einschränken, dass sie brav zu Hause bleiben, dass sie sich nicht über Arbeitslosigkeit beschweren. Kurzarbeit ist die Lösung aller Dinge; wir haben einen Wettbewerb zwischen Arbeitslosen und Leuten, die mit null Arbeitszeit in Kurzarbeit sind. – Das ist keine korrekte Umsetzung einer Strategie in einer Notlage.

Wir sind in einer Notlage. Wir müssen dieser Notlage geschlossen begegnen und wir müssen vor allem zusammenstehen, auch andere Ideen sowie andere Gedankenansät­ze goutieren und vielleicht auch in einen Konsultationsprozess übergehen.

Es gibt ja auch zum Beispiel in einer normalen Gemeinde, die für ihre Bevölkerung etwas übrig hat, einen Krisenstab. Der besteht aber nicht nur aus dem Bürgermeister und der stärksten Partei, sondern der besteht aus allen, die etwas beitragen können. Ich verstehe nicht, woher Ihr Hochmut, Ihr Übermut, Ihre Besserwisserei kommen. Wir alle wissen genau gleich viel, und die einzige Chance, die wir haben, ist eine gute Umsetzung – jeden Tag zu jedem Zeitpunkt für jeden Menschen!

Die Menschen sind alle bei der Gesundheitskasse registriert, und sie müssen wissen, wann sie drankommen und ob es eine Möglichkeit gibt, früher dranzukommen, weil et­was übrig bleibt. Die Leute schmeißen die Sachen, die übrig bleiben, weg, weil sie Angst haben, bestraft zu werden, weil das für eine bestimmte Altersgruppe gedacht ist. Wenn eine Dose offen, noch Kontingent zum Verimpfen da ist und sich Menschen zur Verfü­gung stellen, die erreicht werden können, ja, warum nicht? – Das sind die Details, die wichtig sind. (Abg. Hanger: Ich bin ganz überrascht: Die SPÖ kann konstruktive Rede­beiträge!) – Aber, Herr Hanger, ich bin über Sie auch überrascht, dass Sie die letzten Grundlagen Ihrer Erziehung vergessen, wenn Sie mit einer Kollegin von mir reden. (Bei­fall bei SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.) Ich rede mit Ihnen als Mann nicht so und ich hätte viel zu sagen. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Ich möchte wirklich sagen, wenn sich der Herr Bundeskanzler da einmischt und etwas zur Chefsache macht, war das früher manchmal sehr konstruktiv, aber in letzter Zeit, das müssen Sie selber zugeben, geht die Performance mit der EU (Abg. Hanger: Sie können das blitzschnell ändern in ...!) – ich habe sehr lange für die EU gearbeitet und ich kann Ihnen das sagen – gar nicht. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger.) Es gibt die Diplomatie. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Heinisch-Hosek.) Wenn der Herr Bundeskanzler es nicht kann, dann soll er sich beraten lassen. (Zwi­schenruf des Abg. Angerer.) Empathie, Umsetzung, Krisenmanagement und gute Politik kann er nicht, es tut mir leid. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

17.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte.