18.05

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ge­schätzter Herr Präsident! Bei der Rede von Herrn Dr. Saxinger, lieber Herr Kollege, braucht es keine Oppositionskritik mehr, denn das, was du jetzt gerade über Sebastian Kurz erzählt hast, ist mehr als grenzwertig. Wenn wirklich stimmt, was du erzählt hast, dann frage ich mich wirklich, ob Sebastian Kurz in dieser Funktion überhaupt noch richtig aufgehoben ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Was du gerade gesagt hast, ist, dass er einerseits „das Impfen zur Chefsache gemacht“ hat, dann aber durch Zufall bei einer Flugreise draufgekommen ist, dass hinten und vorne alles nicht funktioniert. Er hat zwar seinen eigenen Kabinettschef zu einem Impf­stoffkoordinator gemacht, der bei jeder Sitzung dabei war, war aber dann immer per­sönlich uninformiert. Es hat neun Ministerratssitzungen gegeben, wobei ja, glaube ich, der Bundeskanzler auch irgendwie im Ministerrat dabei ist. Er hat aber nichts davon mitbekommen, dass es bei der Beschaffung anscheinend hinten und vorne nicht funk­tioniert. Er hat noch am Krankenbett Geschichten erzählt, dass er sich kämpfend für Österreich einsetzt und Impfstoff beschafft, ohne Informationen zu haben, weil er ja un­wissend ist. Das passt doch hinten und vorne alles nicht zusammen! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Ich finde das deswegen so unwürdig, weil wir, glaube ich, doch alle auch die Schicksale von Menschen erlebt haben – das wird ja nicht nur die Gesundheitssprecher treffen, sondern uns alle –, wenn uns Leute seit Monaten verzweifelt anrufen und nur die Frage stellen: Wann wird denn meine Mama geimpft? Wann wird denn meine Frau geimpft? Wie geht es in Österreich mit der Impfung weiter?

Das Chaos in Österreich hat nur einen Namen, und der ist Sebastian Kurz. Wenn das Chefsache ist, dann wird Sebastian Kurz den Menschen doch auch eine Antwort geben müssen. Das sind doch Menschen wie der 83-jährige Mann, der sich Sorgen um seine Frau macht, die mit 78 vielleicht auch nicht mehr ganz gesund ist. Und er fragt: Wann wird meine Frau geimpft? (Abg. Hanger: Nimm doch bitte einmal Zahlen zur Kenntnis!)

Es ist so unwürdig! Wir diskutieren den ganzen Tag in Österreich und sagen: Österreich ist Vorreiter, wir sind unter den Top Ten, wie super und Weltklasse alles funktioniert! Das ist so beschämend! Ihr habt im Krisenmanagement deswegen so versagt, weil ihr glaubt, es ist Marketing, es ist ein Wettbewerb. Wir sind in ganz, ganz vielen Bereichen Schluss­licht. (Abg. Hanger: Hör auf! Nimm die Zahlen zur Kenntnis!) Dabei geht es um Men­schenleben! Da geht es um Menschenleben und nicht um eine PR-Partie. Sebastian Kurz hat 68 Pressesprecher! 68 Pressesprecher! Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, ein bisschen weniger mit Pressesprechern zu machen und einfach einmal Fakten reden zu lassen. Hört doch den Menschen zu, die echt verzweifelt sind! Nicht den ganzen Tag Gschichtln drucken und sagen: Wir sind die Allerbesten beim Impfen! (Abg. Hanger: Du nimmst die Zahlen nicht zur Kenntnis! Realitätsverweigerung!)

Die heutigen Zahlen: In Dänemark werden bis Ende Juni 80 Prozent geimpft sein, in Malta werden 92 Prozent geimpft sein – und das ach so gute Österreich, weil Sebastian Kurz das ja zur Chefsache gemacht hat: Österreich, Lettland, die Slowakei und Tsche­chien: 50 Prozent! (Abg. Hanger: Das stimmt ja nicht!) 50 Prozent! Das ist der Unter­schied.

Heute sagt uns Minister Anschober, bis Herbst werden wir das erledigt haben, gestern hat uns Sebastian Kurz gesagt, bis Sommer haben wir das erledigt. Ja glaubt ihr wirklich, dass das Vertrauen schafft? Das ist doch kein Spiel! Da geht es um die Hoffnung von Menschen, die sich erwarten, dass sie endlich eine Impfung bekommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hanger und Zarits.)

Vielleicht noch ein Punkt – ich freue mich, dass der Generalsekretär der ÖVP hier ist –, Sebastian Kurz hat in dieser Krise nämlich eine Sache gesagt – es hat ja im Dezember bereits den Hinweis gegeben, dass andere Staaten das offensichtlich besser machen; alle Oppositionsparteien haben gefragt: Warum schaffen denn andere Staaten etwas bei der Impfstoffbeschaffung, und Österreich schafft es nicht? –, am 1. Jänner hat Sebastian Kurz in der „Kronen Zeitung“ gesagt: „Mehr geht nicht“. Ich glaube, das wäre ein Super­slogan, lieber Axel Melchior. Stell dir Sebastian Kurz vor, neben ihm ein Impfstoff und neben ihm „Die neue Volkspartei - mehr geht nicht!“ „Mehr geht nicht“! Dieses Zitat ist wirklich das, was Sebastian Kurz hier in Österreich beschreibt: „Mehr geht nicht“! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

Er hat uns damals noch erzählt, wie bestens organisiert der Beschaffungsprozess der Europäischen Union sei. So, und jetzt, da wir alle in Österreich merken – mir kommt ja vor, dass es alle in Österreich mit Ausnahme der ÖVP-Abgeordneten wissen –, dass es nicht funktioniert, werden Gschichtln druckt und irgendwelche Märchen erzählt. Jetzt, da man draufkommt, es funktioniert nicht, sind wieder einmal alle anderen schuld. Da putzt er sich bei den Beamten ab, da ist er nicht informiert gewesen. Es ist zwar alles in der Zeitung gestanden, es hat Ministerratsvorträge gegeben, alle waren informiert, nur Se­bastian Kurz hat nicht mitbekommen, was in seiner eigenen Regierung passiert.

Irgendwann muss sich Sebastian Kurz schon die Frage stellen: Bin ich Bundeskanzler, habe ich die Kompetenz und bin der große Manager, der alles im Griff hat, oder bin ich im Bundeskanzleramt nur der Hausmeister, der hinten und vorne uninformiert ist und nie im Leben etwas mitbekommt? (Ruf bei der ÖVP: He!) Diese Frage wird die ÖVP irgend­wann einmal beantworten müssen. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Es geht um Menschenleben, und die Menschen sind wirklich verzweifelt, deswegen bitte ich noch einmal: Versuchen wir jetzt, nicht Märchen zu erzählen und Gschichtln zu dru­cken! Erzählen Sie nicht, wie super Sebastian Kurz ist – ob top ten, top five oder top fifteen, das ist egal, es ist eh jeden Tag etwas anderes –, sondern machen Sie einfach Ihre Arbeit!

Gehen wir an die Arbeit! – Und, liebe ÖVP: Macht das, wofür wir alle bezahlt werden: Sorgt dafür, dass die Menschen endlich geimpft werden, endlich einen Impfstoff bekom­men (Abg. Haubner: Langsam sprechen!), das wäre eine Aufgabe! Lieber Kollege Haub­ner, da könntest auch du deinen Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker. – Abg. Hanger: Aber zumindest den Kopf ...!)

18.10

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Michel Reimon. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.