18.34

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Wir stimmen heute auch über einen Antrag ab, den ich im Familienausschuss eingebracht habe, und zwar mit der konkreten For­derung, dass der Familienhärteausgleich nicht nur für einen Zeitraum von drei Monaten pro Antragsteller und Antragstellerin eingebracht werden kann, sondern dass eine Unter­stützungsleistung für einen längeren Zeitraum wie beispielsweise sechs oder neun Mo­nate angefordert werden kann. Die Ablehnung – das möchte ich nun konkreter ausfüh­ren – vonseiten der ÖVP wurde damit begründet, dass drei Monate vollkommen ausrei­chend sind, weil es ja durch all die anderen Unterstützungsleistungen, die man sich in den letzten Monaten in der Bundesregierung ausgedacht hat, gewährleistet ist, dass die Menschen keinen realen Einkommensverlust, also keinen wirtschaftlichen Nachteil durch die Krise haben. Auf meine mehrmaligen Einwände hin, dass es da wohl eine Sinnestäuschung geben muss, hat man den Antrag leider trotzdem abgelehnt.

Ich habe es mir deswegen selbst zur Aufgabe gemacht, Betroffene, mit denen ich in den letzten Monaten Kontakt hatte, zu bitten, mir zu schreiben, ob sie nach wie vor wirtschaft­liche Nachteile durch die Krise haben und wie es ihnen im Konkreten geht. Ich lese selten Nachrichten vor, die ich bekomme, aber ich möchte ein paar ganz konkrete Beispiele bringen. Banalerweise ist es tatsächlich so: Hätte Frau Ministerin Raab in einem Face­book-Posting danach gefragt, welche Verbesserungsvorschläge es vonseiten der Bür­gerinnen und Bürger gäbe, wären das bessere Vorschläge als das, was die Regierung zusammengebracht hat. Das muss man ganz klar sagen.

Worum geht es inhaltlich? Auf der einen Seite geht es zum Beispiel um eine Familie aus Graz, beide Elternteile sind knapp über 50, die Kinder sind 19 und 22, sie haben ganz normale Tätigkeiten, er ist bis zum Ausbruch der Pandemie Kellner und Sommelier in der Gastronomie gewesen, sie ist Sekretärin, sie haben vor der Krise gemeinsam 4 100 Euro netto zur Verfügung gehabt, mit Familienbeihilfe und allem Drum und Dran – derzeit sind es 2 600 Euro. Die Töchter studieren übrigens beide Jus in Graz. Wenn sie alle Fixkosten abziehen, hat diese vierköpfige Familie im Monat derzeit knapp 500 Euro für Lebensmittel – zu viert, das entspricht 125 Euro pro Woche für die Ernährung der vierköpfigen Familie. Nun kann sich jeder einmal ausrechnen, wie gut das funktioniert, insbesondere, wenn man an zwei Wohnorten lebt.

Frau Kollegin Kugler war die Abgeordnete, die argumentiert hat, dass sich das für die Familien ohne große Einschränkungen ausgeht. Diese Familie hat am Ende des Monats kein Geld mehr, um von dem, was man verdient hat, auch tatsächlich Lebensmittel kau­fen zu können – und sie gehören zum Mittelstand, das sind nicht die Armutsbetroffenen, die in der Mindestsicherung sind und auch unsere Unterstützung brauchen, das sind die Menschen, die seit Jahrzehnten für die Republik gearbeitet haben, die mit ihrem Steu­ergeld das Land aufgebaut haben und die nun im Regen stehen gelassen werden.

Ich fand des Weiteren übrigens ganz häufig die Situation, dass der Mann in der Familie davor in der Gastronomie gearbeitet hat, meistens als Kellner, das heißt, der Trinkgeld­bereich ist ohnehin ganz weggefallen, weil es den Trinkgeldersatz ja nur für die Men­schen in Kurzarbeit gibt – alle, die in der Arbeitslosigkeit waren, haben diesen Zuschuss nicht bekommen. Wenn jemand vorher in der Gastronomie war und die Frau in Karenz ist, kann er sich gratulieren: Dann hat er nämlich 55 Prozent des Einkommens von vor­her, hat nicht das Trinkgeld, das er vorher gehabt hat, und das zweite Einkommen ist auch weggefallen. Natürlich hat eine Familie, die gerade in der Familiengründung ist, vielleicht nicht vorhersehen können, dass das Coronavirus ausbricht.

Auch ein Riesenthema ist, dass es oft mehrere Kinder im Haushalt gibt. Ich habe da das Beispiel einer Familie, die drei Kinder im Haus hat, der jedes Monat 500 Euro fehlen. Sie hat drei Monate lang über den Familienhärteausgleich tatsächlich Unterstützung bekom­men, danach war es aus. Nichts von dem, was sich die Regierung bis jetzt überlegt hat, hilft dieser Familie ganz konkret.

Eine wirklich wahnsinnig schlaue Lösung war, dass man in die Richtlinien ein Stichdatum hineingeschrieben hat, das ist nämlich das Problem der nächsten Familie: Es war so, dass man beim ersten Lockdown gesagt hat: Alle Personen, die vor dem 28. Februar arbeitslos waren, haben beim Familienhärteausgleich keinen Anspruch. Das war aus Sicht des ersten Lockdowns total klug, weil man verhindern wollte, dass sich Arbeitslose quasi noch einen zusätzlichen Ausgleich holen, und deshalb festgelegt hat, dass man nur diejenigen einschließt, die wirklich durch die Krise betroffen waren. Das macht aber nun keinen Sinn für die eben erwähnte Familie: Da haben die Eltern nämlich nach dem ersten und vor dem zweiten Lockdown einen Job gefunden, diesen aber aufgrund der Schließungen im November wieder verloren, können aber wegen der Richtlinie, die es derzeit gibt, keinen Familienhärteausgleich beantragen.

Das Problem ist, dass es nicht erst den zweiten, sondern den dritten Lockdown gibt und die Gastronomie ja seit November generell geschlossen ist. Das bedeutet, da ist es durch eine fehlerhaft ausgeführte Richtlinie nicht möglich, dass Menschen, die im Mo­ment Unterstützung bräuchten, diese auch bekommen – und die Kritik, die wir auch im Familienausschuss angebracht haben, ist da leider nicht gehört worden.

Ein weiteres Thema  ich darf einen kurzen Ausflug in die Selbstständigkeit machen –: Die Selbstständigen sind jene, die besonders schlimm betroffen sind. Eine Alleinerzie­herin zum Beispiel hat im letzten Jahr zweimal 500 Euro bekommen, einmal den nor­malen Härteausgleich der Wirtschaftskammer und den Comebackbonus, jeweils 500 Eu­ro. Sie ist wegen eines Mietrückstands aus ihrer Wohnung geworfen worden, musste ihr Auto verpfänden und hat sich nun Geld ausleihen müssen, damit sie das Heizöl kaufen kann. Das ist übrigens auch ein Beispiel dafür, dass die Regierung, wie sie sagt, allen ausreichend geholfen hat. Man kann gratulieren, wenn das die Hilfe ist, von der Sie sa­gen, sie sei ausreichend. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe ein weiteres Beispiel: eine vierköpfige Familie in Oberösterreich, der vonseiten der oberösterreichischen Landesregierung der Antrag auf Familienhärteausgleich gar nicht beantwortet worden ist. Ein weiteres Beispiel ist aus der Gastronomie, es betrifft wiederum eine vierköpfige Familie, die Frau ist in Karenz, es fehlen 400 Euro im Monat, die niemand ausgleicht, und die ÖVP ist der Meinung, die Familie habe keinen wirtschaft­lichen Schaden erlitten, sie komme gut über die Runden. Ganz wichtig ist: Das Ersparte ist überall schon aufgebraucht, es ist bereits im ersten Jahr aufgebraucht worden. Nicht jede Familie hat 30 000, 40 000, 50 000 Euro auf dem Sparbuch, wie es vielleicht in manchen ÖVP-Kreisen üblich ist. Die Leute haben im ersten Jahr der Krise ihr Geld ausgegeben und im zweiten Jahr haben sie keines mehr, das heißt, sie machen Schul­den, weil die Politik die Familienpolitik in diesem konkreten Fall, aber auch die Sozial­politik  der Bundesregierung nicht funktioniert.

Wir haben im Besonderen auch die Situation, dass beispielsweise Personen, die vorher einen tollen Job in der Gastronomie hatten jetzt eine Einstellungsgarantie haben, dort auch wieder anfangen könnten –, auf diesen Job warten und ihnen immer wieder neu angekündigt wird, dass man wieder starten könne, dann verzögert es sich um weitere zwei Wochen, um vier Wochen, um sechs Wochen.

Die Frau, die derzeit noch in Karenz ist, kann zwar früher in den Einzelhandel zurückge­hen, wir wissen aber, im Einzelhandel verdient man derartig wenig – das ist natürlich ein strukturelles Problem –, dass man davon niemals eine Familie ernähren kann. Wenn der eine auf den guten Job wartet, der für die Familie wichtig ist, um die Schulden zurück­zahlen zu können, die andere, wenn sie früher in ihren Job zurückkehrt, nicht ausrei­chend verdient, hat der Familienhärteausgleich trotzdem keine Antwort darauf, weil die ÖVP leider der Meinung ist, es klappe. Diese Familie hat übrigens das Problem, dass sie quasi noch genug Geld hat, um für ihre Kinder einkaufen zu können, aber es reicht weder für Schuhe und Kleidung noch für Shampoo für die Eltern.

Bei Alleinerziehenden haben wir die Situation, dass Frauen, meistens sind es Frauen, mehr als drei Monate in Kurzarbeit sind. Da kann es sein, dass diese 15 Prozent, die abgezogen werden was aus unserer Perspektive nicht nach allzu viel ausschaut, bei dieser Dame sind es im Monat 300 Euro, die sie weniger bekommt –, bei Alleinerziehen­den, die genau rechnen müssen, dazu beitragen, dass es sich bei ihnen, bei gleichblei­benden Fixkosten von 100 Prozent, nicht mehr ausgeht, dass sie entstehende Sonder­kosten – das ist bei kleinen Kindern in irgendeiner Form fast jedes Monat der Fall – bedienen können.

Ich hätte noch zwei Beispiele, dann komme ich zu einem abschließenden Punkt, aber es berührt mich auch tatsächlich: Mir haben viele Familien geschrieben, dass sie das Problem haben, dass sie gleichzeitig in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit geraten sind, es finanziell knapp geworden ist und durch das Homeschooling zusätzliche Kosten für Laptop, I-Pad oder irgendetwas, mit dem man am Unterricht teilnehmen kann, entstan­den sind. Es entstehen zusätzliche Materialkosten. Die Einmalzahlungen waren immer darauf ausgerichtet, dass man für drei, vier, fünf Monate durchkommt. Inzwischen befin­den wir uns aber bereits ein ganzes Jahr in einem Ausnahmezustand. Das ist für Fa­milien, die bereits vorher am Limit gewirtschaftet haben, weil sie nicht ausreichend Ein­kommen hatten, nach einem Jahr nicht mehr zu stemmen, und es gibt insbesondere vonseiten der ÖVP  von dieser Seite war das Argument stark vertreten, es gebe für diese Familien keine wirtschaftlichen Einschränkungen  keine Maßnahmen, die diesen Familien helfen.

Abschließen möchte ich mit einem Punkt, der oft nicht verstanden wird. In einer Familie ist der Mann Lastwagenfahrer, die Frau ist Restaurantfachfrau und hat ursprünglich zwei Jobs gehabt, mit denen sie zusammengerechnet gut verdient hat. Sie hat in zwei Hotels gearbeitet, diese beiden Jobs sind weggefallen. Der Mann fährt jetzt immer noch mit dem Lkw, mit diesem Einkommen kann man aber einfach keine Familie ernähren. Das sind Menschen – das möchte ich jetzt schon auch ganz klar sagen –, die in den letzten zehn, 20, 30 Jahren unglaublich hart gearbeitet und immer Steuern gezahlt ha­ben, die sich immer darauf verlassen haben, dass, wenn wirklich einmal etwas in die Hose geht, die Republik für sie auch geradesteht. Dann kommt die ÖVP und behauptet, dass es ihnen nach einem Jahr Pandemie eh immer noch gut genug gehe, dass sie das alleine stemmen können.

Genau das hätte mein Antrag, der heute abgelehnt werden wird, gelöst. Der Antrag hätte vorgesehen, dass es eine Bedarfsprüfung gibt, nämlich ob jemand einer besonderen Härte ausgesetzt ist, die über drei Monate hinausgeht, und deswegen Unterstützung bekommen soll. Das kann man nicht mit der Gießkanne machen, da haben Sie voll­kommen recht, da würde man wahnsinnig viel Geld falsch ausgeben. Es gibt aber Tau­sende Familien, die sich derzeit auf Sie verlassen und deswegen verlassen sind.

Aus diesem Grund komme ich zum abschließenden Punkt, zum Familienpaket. Es gibt einige positive Punkte, die wir in Rahmen einer getrennten Abstimmung unterstützen werden, das ist die Aufstockung des Coronafamilienhärteausgleichs und es ist auch das Covid-19-Gesetz-Armut. Da unterstützen wir jene Betroffenen, die schon vorher am Limit waren und jetzt gar nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll.

All jene, die vorher dem Mittelstand angehörten und gesagt haben, sie werden schauen, wie es sich ausgeht und jetzt nicht mehr dazu in der Lage sind, lassen wir damit links liegen. Deswegen unterstützen wir die Sonderfamilienbeihilfe, die vonseiten der Regie­rung vorgeschlagen wird, nicht, denn da geben Sie 102 Millionen Euro aus, ohne dass überhaupt in irgendeiner Form geklärt ist, ob diejenigen, die das Geld bekommen, es brauchen.

Wir NEOS sind der Meinung, all denjenigen, die jetzt Härten ausgesetzt sind, müssen wir jetzt helfen. Bei denjenigen, die das Privileg haben, keiner Härte ausgesetzt zu sein, vertrauen wir darauf, dass sie es selbst schaffen. Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

18.45

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Rosa Ecker. – Bitte, Frau Abgeordnete.