22.09

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Kollege Pöttin­ger, oft ist es so, dass man die Dinge so interpretiert, wie man sie gerne sehen möchte. Die Vorgabe des EuGH-Urteils sah in keiner Weise vor, den freien Beruf des Ziviltechni­kers de facto abzuschaffen, sondern eine Zugangsmöglichkeit zum freien Beruf des Ziviltechnikers zu ermöglichen. Die Abschaffung des freien Berufs des Ziviltechnikers war definitiv nicht die Forderung des EuGH.

Sie machen das aber mit diesem Gesetz, und die Interessenvertretung hat sich zur Wehr gesetzt, vor allem die Interessenvertretung für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Herrn Dipl.-Ing. Kern. Zu welchen Maßnahmen dann diese Regierung greift und wo­zu sie auch fähig ist, um gegen eine Ziviltechnikerkammer vorzugehen, ist schon sehr bedenklich. Das ist demokratiepolitisch höchst bedenklich.

Man muss wissen, das Wirtschaftsministerium ist die zuständige Aufsichtsbehörde für die Ziviltechnikerkammer, und im Wirtschaftsministerium sitzen Beamte und schreiben E-Mails, und eines dieser E-Mails liegt uns vor. Also ich gehe davon aus, dass da ein gewisser – ich nenne jetzt den Namen nicht – Beamter dem lieben Toni – und der liebe Toni ist anscheinend der Chef dieser Abteilung – schreibt, nachdem sich Herr Kern als Vertreter seiner Zunft dagegen zur Wehr gesetzt hat, dass man den freien Beruf des Ziviltechnikers abschaffen möchte. Ich zitiere: Eigentlich haben wir ja die Kompetenz, Organe, die ihre Zuständigkeit überschreiten, zu entheben. Kern abberufen würde eini­ges erleichtern. – Zitatende.

Also so weit gehen Beamte im Wirtschaftsministerium, dass sie schreiben: Du, warum entheben wir den nicht einfach seines Amtes? Das Recht haben wir laut § 93 Ziviltechni­kergesetz, Aufsichtsbehörde Wirtschaftskammer. Jetzt ist nur der dumme Zufall, dass wir dieses E-Mail haben und somit offenkundig ist, wie Beamte und wie Sie offensichtlich mit den Ziviltechnikern, mit diesem freien Beruf, in Österreich umgehen. Ein unliebsamer Interessenvertreter soll von Amts wegen enthoben werden.

Was ist der Ziviltechniker? – Der Ziviltechniker ist für uns der technische Notar. Der Zivil­techniker ist unabhängig. Mit seinem Bundessiegel bürgt er dafür, dass das, was er in einem Gutachten feststellt, unabhängig ist. Und das wollen Sie ihm mit diesem Gesetz nehmen – das nehmen Sie ihm mit diesem Gesetz! (Abg. Kassegger: Das ist skandalös!)

Ich werde Ihnen auch erklären, wie Sie ihm das nehmen – und ich gehe noch einen Schritt weiter –, nämlich: mit der Beteiligung von 50 Prozent an der von Ihnen genannten interdisziplinären Gesellschaft, die sich wiederum an einer Ziviltechnikergesellschaft be­teiligen kann, besteht natürlich die Möglichkeit. Aber jetzt stelle ich die Frage: Warum überhaupt 50 Prozent? Damit gibt es eine Pattsituation. Es muss gewährleistet sein, dass der Ziviltechniker, der reine Ziviltechniker, die Mehrheit behält, und nicht, dass sich irgendein Bauunternehmen oder eine andere Interessenvertretung mit 50 Prozent am unabhängigen Ziviltechniker beteiligen kann.

Was Sie der interdisziplinären Gesellschaft auch noch geben möchten, ist die Möglich­keit, das Siegel zu verwenden, und damit ist das Siegel auch nicht mehr an die Person, an den Ziviltechniker an sich, gebunden, sondern an diese interdisziplinäre Gesellschaft, die dann von irgendeinem Bauunternehmer beherrscht werden kann, sage ich jetzt einmal, und damit ist die Unabhängigkeit weg. Genau das ist es, und genau das wollen Sie tun und dafür waren Sie auch bereit, über die Aufsicht, über das Wirtschaftsminis­terium, einen Vertreter seiner Zunft von Amts wegen zu entheben. Das ist Faktum.

Deshalb werde ich folgenden Abänderungsantrag einbringen, noch in Erweiterung des­sen, was Kollege Matznetter gemacht hat:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (686 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ziviltechnikergesetz 2019 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichts (715 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„1. In Z 10 wird in § 29 Abs. 1 die Wortfolge ,mindestens 50‘ durch die Wortfolge ,mehr als 50‘ ersetzt.

2. In Z 14 wird in § 37a Abs. 3 die Wortfolge ,Mindestens 50‘ durch die Wortfolge ,Mehr als 50‘ ersetzt.

3. In Z 14 lautet § 37f samt Überschrift wie folgt:

,Anwendung der Bestimmungen des 1. und 2. Abschnitts

§ 37f. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 und 5, § 10, § 13 Abs. 2 hinsichtlich der Ver­legung des Sitzes, § 14, § 16 Abs. 1 Z 1, Z 4 und Z 5 und Abs. 2, 3, 4 und 10, § 24, § 25, § 28 hinsichtlich der Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis sowie § 29 Abs. 2, 3, 4 und 6 sind auf interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern anzu­wenden.‘“

*****

Das heißt nichts anderes als: Das Siegel bleibt beim Ziviltechniker, und die Ziviltechni­kergesellschaft und der Ziviltechniker müssen zu mehr als 50 Prozent Eigentümer einer Gesellschaft sein. Das wäre dann die Absicherung dieses freien Berufes, alles andere ist eine Aufhebung des freien Berufes.

Tagesordnungspunkt 22, der jetzt auch mitverhandelt wird, beinhaltet ein Gesetz, das Sie vielleicht zur Anwendung bringen sollten, Herr Pöttinger, nämlich das Bundesgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung, und da steht: „Der Punkt 1.a.16. ,Sonstiges‘ ermöglicht es, anderweitige bzw.“ – beziehungsweise – „ergänzende Gründe des Allgemeininteresses zu berücksichtigen, wie etwa Schutz des Vermögens, [...] Qua­lität der freiberuflichen Dienstleistungen, Erhalt der Baukultur, ökologisches Bauen etc“ – et cetera.

Also vielleicht sollten Sie Ihr eigenes Gesetz bei dem Gesetz, dass Sie jetzt vorher be­schließen wollen, anwenden, die Verhältnismäßigkeit prüfen und dann unserem Antrag und dem Antrag von Herrn Matznetter zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Matznetter.)

22.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Erwin Angerer, Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

zur Regierungsvorlage (686 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zi­viltechnikergesetz 2019 geändert wird, in der Fassung des Ausschussberichts (715 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

„1. In Z 10 wird in § 29 Abs. 1 die Wortfolge „mindestens 50“ durch die Wortfolge „mehr als 50“ ersetzt.

2. In Z 14 wird in § 37a Abs. 3 die Wortfolge „Mindestens 50“ durch die Wortfolge „Mehr als 50“ ersetzt.

3. In Z 14 lautet § 37f samt Überschrift wie folgt:

„Anwendung der Bestimmungen des 1. und 2. Abschnitts

§ 37f. Die Bestimmungen des § 3 Abs. 4 und 5, § 10, § 13 Abs. 2 hinsichtlich der Ver­legung des Sitzes, § 14, § 16 Abs. 1 Z 1, Z 4 und Z 5 und Abs. 2, 3, 4 und 10, § 24, § 25, § 28 hinsichtlich der Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis sowie § 29 Abs. 2, 3, 4 und 6 sind auf interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern anzuwen­den.““

Begründung

Die aufgrund eines EuGH-Urteil notwendige Anpassung des Ziviltechnikergeset­zes 2019 wird aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten durch die gegenständliche Re­gierungsvorlage übererfüllt.

Durch diese Übererfüllung wird massiv in das Berufsrecht der Ziviltechniker eingegriffen, mit finanziellen Folgen für öffentliche Auftraggeber, Bund, Länder und Gemeinden.

Es ist zu befürchten, dass die geplanten Änderungen im Ziviltechnikergesetz unter an­derem zu Interessenkonflikten zwischen der Einhaltung von berufsrechtlichen Vorschrif­ten der Ziviltechniker einerseits und Gewinnstreben von Kapitalgebern andererseits füh­ren werden.

Die Erhaltung der Unabhängigkeit der Ziviltechniker muss jedenfalls im ureigenen Inter­esse der Republik Österreich liegen. Diese Unabhängigkeit ist mit der Ermöglichung ei­ner Beteiligung von Berufsfremden an Ziviltechnikergesellschaften bzw. an interdiszipli­nären Gesellschaften mit Ziviltechnikern mit bis zu 50 % durch diese Gesetzesnovelle jedoch massiv gefährdet.

Daher werden mit den Z 1 und 2 des gegenständlichen Antrages die entsprechenden Gesetzesbestimmungen dahingehend geändert, dass an Ziviltechnikergesellschaften bzw. an interdisziplinären Gesellschaften Ziviltechniker mit mehr als 50 % beteiligt sein müssen.

Darüber hinaus ist es für den Erhalt der Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit sowie Ob­jektivität der Ziviltechniker ganz entscheidend und dringend erforderlich, dass die Siegel­führung bzw. die Urkundentätigkeit gemäß § 3 Abs. 3 ausschließlich den Ziviltechniker­gesellschaften vorbehalten wird.

Aus diesem Grund soll mit der Z 3 des gegenständlichen Antrages die Anwendung der §§ 3 Abs. 3 sowie 13 Abs. 2 hinsichtlich der Genehmigung des neuen Siegels für interdis­ziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern ausgeschlossen werden.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Götze. – Bitte.