13.26

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Ja, betreffend das gegenständ­liche Volksbegehren, das wir im Ausschuss intensiv behandelt haben und wozu es regen Kontakt auch mit den Initiatoren gegeben hat, möchte ich mich noch einmal an dieser Stelle auch bei den Initiatoren bedanken.

Volksbegehren sind ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Es ist immer zu begrüßen, wenn sich Bürger an diesen demokratischen Möglichkeiten beteiligen. Wir sind Freunde der direkten Demokratie und haben uns auch wirklich bemüht, die Behand­lung dieses Volksbegehrens ordentlich zu begleiten und zu unterstützen.

Ich verstehe sehr wohl die Intention dieses Volksbegehrens, ich zweifle aber stark an der Umsetzbarkeit dieses Volksbegehrens und an der Realisierung der Idee, die dahin­tersteht. Es haben uns in Wahrheit im Innenausschuss auch die Experten, die wir dazu gehört haben – die EU-Experten, aber auch die Rechtsexperten –, eindrucksvoll dar­gelegt, warum das in der Praxis nicht realisierbar sein wird.

Dass das Thema Asyl natürlich ein wichtiges Thema ist, das wissen wir. Wir wissen ja – die Einschätzungen des Innenministeriums haben wir erst kürzlich wieder im Innen­ausschuss gehört –, dass sich in der Balkanregion bis zu 100 000 illegale Migranten befinden. Wir wissen, dass die Situation betreffend EU-Türkei-Flüchtlingsdeal sehr fragil ist und Erdoǧan da immer ein Druckmittel hat. Er hat auch Europa schon vor Augen geführt, wie er dieses Druckmittel einsetzen kann und wird, wenn er seine Forderungen und die Milliardenzahlungen, die damit verbunden sind, nicht ordentlich erfüllt sieht.

Obwohl es im März des Vorjahres, als die Coronakrise ausgebrochen ist, die Ankün­digung, die Aussage des Innenministers gegeben hat, dass wir in Österreich eine De-facto-Nullzuwanderung haben und ohne Gesundheitszeugnis niemand hereinkomme, hat die Wahrheit, wie wir mittlerweile wissen, leider so ausgesehen, dass es eine mas­sive Steigerung gibt, dass es im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 plus 10 Prozent an Asylanträgen gegeben hat, aber die anderen, traditionell zuwanderungsfreundlichen Länder in der Europäischen Union wie die Bundesrepublik Deutschland und auch Schweden sogar teils eklatante Rückgänge in diesem Bereich verzeichnen.

Positiv zu erwähnen ist, wie wir erst kürzlich im betreffenden Bericht gelesen haben, dass der Polizei wirklich gute Erfolge im Kampf gegen das Schlepperunwesen gelungen sind, aber man muss schon auch sagen – und das ist jetzt auch ein wichtiger Punkt –: Zur Situation am Balkan und zur Situation EU/Türkei im Asylbereich kommt dieses neue Migrations- und Asylpaket der Europäischen Union dazu, das ja jetzt in Brüssel verhandelt wird. Das schaut für Österreich in mehreren Punkten nicht sehr gut aus – ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen, ich glaube, Kollege Kassegger wird das noch ein bissl genauer ausführen –, denn da sind mehrere Punkte enthalten, die für uns hoch­dramatisch und zum Nachteil Österreichs in der gesamten Asyl- und Migrationsfrage sind.

Das ist zum Beispiel dieser verbindliche Solidaritätsmechanismus, der nichts anderes als eine Zwangsverteilung von illegalen Migranten auf die gesamte Europäische Union bedeutet, betrifft aber auch den Bereich der Souveränität über unseren nationalen Grenzschutz und die Souveränität im Asyl- und Fremdenwesen insgesamt. Was da geplant ist, ist sehr, sehr bedenklich, vor allem im Hinblick darauf, dass der EU-Außen­grenzschutz ja noch immer nicht ordentlich funktioniert. Im Innenausschuss, aber auch im EU-Hauptausschuss haben Sie, Herr Innenminister, auch kritische Positionen zu diesen Punkten eingenommen.

Wir würden uns erwarten, dass wir auch parlamentarisch hier festmachen, dass Öster­reich mit der offiziellen Position in Brüssel auftritt, dass wir diese Punkte so nicht akzep­tieren können und nicht wollen.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ablehnung der EU-Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert,

- sich auf Europäischer Ebene gegen den gegenständlichen Vorschlag einer Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl auszusprechen,

- sich gegen jegliche Art von zwangsverpflichtender Aufnahme irregulärer Migranten im Zuge der Verhandlungen über das Neue Migrations- und Asylpakets einzusetzen und

- für die Beibehaltung der nationalen Souveränität und Zuständigkeit in Fragen des Grenzschutzes und Asyl- und Fremdenwesens einzutreten.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, sich bei den Verhandlungen über das neue Migrations- und Asylpaket für

- eine gemeinsame Lösung hinsichtlich eines starken und lückenlosen Außengrenz­schutzes,

- eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention, dass Asyl und internationaler Schutz für tatsächlich nachweisbar verfolgte Personen nur als Schutz auf Zeit zu verstehen ist und

- eine Einrichtung von Hotspots zur Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb des europäischen Territoriums einzusetzen.“

*****

Vor allem an die ÖVP richte ich den Appell: Wenn Sie es mit einer harten Asyl- und Zuwanderungspolitik, wie Sie es ja immer wieder nach außen versprechen und vor Wah­len versprechen, ernst meinen, haben Sie aus meiner Sicht gar keine andere Möglich­keit, als diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.31

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Amesbauer und weiterer Abgeordneter

betreffend Ablehnung der EU-Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 4, Bericht des Aus­schusses für innere Angelegenheiten über das Volksbegehren (345d.B.) "Asyl europa­gerecht umsetzen" (636d.B.) in der 93. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 26. März 2021

Die Europäische Kommission hat mit großer Verzögerung am 23.09.2020 ihr neues Migrations- und Asylpaket (COM(2020) 609) vorgelegt. Der insgesamt zehn Dokumente umfassende Plan der Kommission stieß bereits Anfang Oktober im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) auf ernsthafte Bedenken zahlreicher Mitgliedsstaaten. Insbesondere dass darin keine entschlossene Haltung gegenüber irregulär Einreisenden formuliert wurde, muss in Anbetracht der katastrophalen Migra­tionskrise 2015 für Verwunderung sorgen. Einige Abgeordnete vermissten zudem den Ansatz, dass die Zusammenarbeit mit Drittstaaten die Einrichtung von Hotspots zur Be­arbeitung von Asylanträgen außerhalb des europäischen Territoriums miteinschließen sollte. Stattdessen sind EU-Grenzverfahren geplant, deren genaue Errichtung und Betreibung weiterhin unklar bleiben und für einen Massenandrang sorgen könnte. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Umstand, dass anstatt konsequent gegen Schmuggler vorzugehen, Bootsflüchtlinge per „Search and Rescue“ automatisch nach Europa geholt werden sollen – in Anbetracht der zahlreichen ertrunkenen Asylsuchenden und des bekannten Pull-Faktors der Seenotrettung auf europäisches Territorium eine unver­ständ­liche Entscheidung.

Die gegenständliche Verordnung der Europäischen Kommission sieht nun ein Krisen­instrument vor, das im Falle einer außergewöhnlichen Situation, wie einem Massen­zustrom von irregulär in einem Mitgliedsstaat eintreffenden Drittstaatsangehörigen, ver­pflichtende Anwendung finden solle. Dieser sieht vor, dass in einer solchen „Krisen­situation“ der Anwendungsbereich von Übernahmen von Personen („verbindlicher Solidaritäts­mechanismus“) ausgeweitet werden und die Frist für die sogenannten Rück­kehrpatenschaften von acht Monaten auf vier Monate gekürzt werde solle, wodurch der unterstützende Mitgliedstaat den irregulären Migranten verpflichtend übernehmen müsste, sollte der betreffende Mitgliedstaat die Rückführung innerhalb dieser Zeit nicht abge­schlossen haben.

Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, wenn als ein Knackpunkt bei den Ver­handlungen auf EU-Ebene die Rolle der Drittstaaten gesehen wird. Eine engere Ko­operation und Zusammenarbeit der Union mit Herkunftsländern ist freilich begrüßens­wert. Es bleibt jedoch fraglich, wie viele und ob diese sich bereit zeigen werden, aus ihren Ländern stammende abgelehnte Migranten wieder zurückzunehmen. Offen bleibt darüber hinaus die Frage, was mit irregulären Migranten passieren soll, welche keine Staatsangehörigkeit bei ihrer Ankunft angeben.

Ob und wann ein Massenzustrom von irregulären Migranten ferner „bewirken würde, dass das Asyl-, Aufnahme- oder Rückführungssystem eines Mitgliedstaates nicht mehr funktionsfähig wäre“, liegt laut der gegenständlichen Verordnung (nach Antrag eines betroffenen Staates) in der alleinigen Entscheidung der Kommission. Ebenso obliegt es allein der Kommission die Anzahl der aufzunehmenden Migranten für alle EU-Länder zu bestimmen. Die einzelnen Mitgliedstaaten hätten hierbei weder Mitsprache- noch Ein­spruchsrecht. Das ist insbesondere problematisch, da für eine solche Überlastung der Asylsysteme der Mitgliedsländer jeweils keine evaluierten Zahlen und damit für das Vorliegen der Voraussetzungen einer solchen Krisensituation keine kalkulierbaren Be­din­gungen existieren.

Der Migrationsdruck durch Ankünfte im Mittelmeer ist nach wie vor hoch: Zuletzt stiegen die Ankünfte von 1.315 (April 2020) auf 12.500 Ankünfte im Oktober. Erst im September des Vorjahres verzeichnete die UNHCR 19.748 Migrantenankünfte im Mittelmeer, jene in Spanien haben sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.

Insgesamt sind nach Angaben des BKA IV/6 vom 20.11.2020 zwar die Ankünfte von Migranten aus Drittstaaten im Mittelmeerraum im Jahr 2020 gegenüber 2019 um 23% gesunken, 2019 lag dieser Wert bei -6% gegenüber dem Jahr 2018. Dennoch bestand und besteht eine Situation der Überlastung auf den griechischen Inseln, dessen Hotspots trotz eines Rückgangs von Anlandungen weiterhin überfüllt sind. Dabei muss bedacht werden, dass die ÖMMR (TR->EL) Ankünfte insgesamt seit 2015 bereits von 885.386 auf 73.626 Ankünfte im Jahr 2019 gesunken sind. Diese Zahlen zeigen, dass eine Situation von höherem Migrationsdruck auf ein Mitgliedsland nicht zwangsläufig von dem vorliegen einer humanitären Katastrophe durch etwaige Kriegshandlungen in einem Drittstaat abhängig sind und damit nicht singulär, sondern jederzeit auftreten können. Dies würde schließlich bedeuten, dass die begründete Gefahr besteht, dass sich ein verbindlicher Solidaritätsmechanismus im Falle großen Migrationsdrucks oder einer Krisensituation durchaus als Dauerzustand einrichten könnte.

Alles in allem zeigt sich also, dass der gegenständliche Vorschlag für eine Verordnung nicht nur viele Fragen offen lässt, sondern auch in vielen Punkten unzureichende und nicht praktikable Lösungen anzubieten weiß, welche zum erheblichen Nachteil der Mitgliedsstaaten gereichen könnte. Schließlich wird durch die geplante Frist für Rück­kehrpatenschaften eine verpflichtende Aufnahme von illegalen Migranten durch die Hintertür eingeführt, da keineswegs gesichert ist, dass Drittstaaten ihre Angehörigen wieder zurücknehmen. Das ist im Sinne der europäischen Solidargemeinschaft abzu­lehnen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Inneres wird aufgefordert,

           sich auf Europäischer Ebene gegen den gegenständlichen Vorschlag einer Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt im Bereich Migration und Asyl auszusprechen,

           sich gegen jegliche Art von zwangsverpflichtender Aufnahme irregulärer Migran­ten im Zuge der Verhandlungen über das Neue Migrations- und Asylpakets einzusetzen und

           für die Beibehaltung der nationalen Souveränität und Zuständigkeit in Fragen des Grenzschutzes und Asyl- und Fremdenwesens einzutreten.

Darüber hinaus wird der Bundesminister für Inneres aufgefordert, sich bei den Verhandlungen über das neue Migrations- und Asylpaket für

           eine gemeinsame Lösung hinsichtlich eines starken und lückenlosen Außen­grenzschutzes,

           eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien der Genfer Flüchtlingskonvention, dass Asyl und internationaler Schutz für tatsächlich nachweisbar verfolgte Personen nur als Schutz auf Zeit zu verstehen ist und

           eine Einrichtung von Hotspots zur Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb des europäischen Territoriums einzusetzen.“

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Mag. Georg Bürstmayr. – Bitte, Herr Abgeordneter.