9.55

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zusehe­rinnen und Zuseher! Ich habe all meinen Vorrednerinnen und Vorrednern zugehört und wirklich aufmerksam verfolgt, was gesagt worden ist. Wenn man solch einer Debatte vor dem Fernsehgerät zuhört, muss man wohl den Eindruck bekommen, dass Österreich ganz vorne mit dabei ist: Wir sind Umweltmusterland, Klimamusterland, und seit die Grü­nen in der Regierung sind, geht es in die richtige Richtung. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) – Nein, nein, der Applaus ist ein bisschen zu früh, liebe Grüne!

Wenn man dann nämlich im Detail schaut, was denn passiert ist, wo Österreich heute steht, dann stellt man fest: Bis jetzt ist gar nichts passiert. (Ruf bei der ÖVP: Herr Kollege! Das ist ja nicht wahr!) Ich habe einmal geschaut, was die letzten Gesetzesmaßnahmen gewesen sind, die von den Grünen gekommen sind und wirklich eine Veränderung bei den Emissionen und im Umweltschutz gebracht haben. (Zwischenruf des Abg. Brand­weiner.) Abgesehen vom Budget habt ihr jedes einzelne Gesetz, das ihr angekündigt habt, bis jetzt nicht auf den Boden gebracht. (Beifall bei den NEOS. – Neuerlicher Zwi­schenruf des Abg. Brandweiner.)

Das Klimaschutzgesetz war für Juli 2020 – nicht 2021! – angekündigt; das EAG war für das Jahr 2020 angekündigt, wir sind jetzt im Jahr 2021. (Abg. Kassegger: Das war 2019 schon fertig!) All die wesentlichen Schritte, die angekündigt waren, finden auf der glei­chen Kommunikationsebene wie bei Sebastian Kurz statt: Es gibt Pressekonferenz um Pressekonferenz und Ziel um Ziel, die Realität aber lässt sich davon nicht beeindrucken. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Herr.)

Frau Ministerin, wenn ich mir anschaue, was Sie an Projekten bei der Europäischen Union eingebracht haben, dann fehlt mir in der Tonalität schon eines; es geht immer darum: Wir geben jetzt mehr Geld aus, es wird alles billiger. – Es muss doch das Ziel der Politik sein – es ist im Grundverständnis doch egal, welchen ideologischen Hinter­grund man hat , dass wir die großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausfor­derungen begleiten und diese Transformationen auch in die richtige Richtung anstupsen. Umsetzen müssen es dann aber die Menschen in unserem Land und die Wirtschaft in unserem Land. Wovon Sie reden, ist nur, wohinein Sie Geld investieren, aber noch nicht von einer Perspektive, wie sich das danach auch selbst refinanzieren kann.

Da möchte ich jetzt zu einem ganz wesentlichen Punkt kommen, Frau Ministerin Ge­wessler. Einzelne Punkte, die Sie nach Brüssel gemeldet haben, unterstützen wir zur Gänze, das ist nicht das Thema, das wissen Sie. Vieles davon haben wir NEOS auch gefordert. Es ist aber so – so lese ich die Maßnahmen der Grünen –: Die Benchmark, die Sie sich geben, sind nicht Länder, die im Klimaschutz weit vorne sind, wie Großbri­tannien, Dänemark und Schweden, im Übrigen auch die Niederlande, sondern die Benchmark ist immer der ÖVP-Bauernbund. Mit so einer Benchmark kommt man einfach nicht weit.

Wir wissen – da komme ich jetzt zu dem ganz konkreten Punkt, bei dem wir auch wirklich aus der Krise herauswachsen können, bei dem wir Arbeitsplätze schaffen können –, dass in manchen Bereichen, beispielsweise bei Investitionen in erneuerbare Energien, je 1 Euro, den wir an Fördermitteln bei der Investition abgeben, 1,6 Euro in den Bundes­haushalt zurückfließen. (Abg. Kassegger: ... Atomkraftwerke!) Das bedeutet, da haben wir tatsächlich den Effekt, dass wir im nächsten oder übernächsten Jahr vielleicht we­niger hohe Lohnnebenkosten und weniger hohe Steuern auf Arbeit einfordern müssen. Das wäre der Effekt, würden wir da keinen Deckel drauflegen, sondern wirklich in eine Zukunft gehen, in der viele Unternehmen und viele Haushalte zu Energieproduzenten und nicht nur zu Konsumenten werden, in der wir dieses Elend mit den Landesenergie­versorgern auf Landesebene auflösen, in der wir Monopole, die faktisch noch immer bestehen, zerstören und wirklich einen dezentralen Markt schaffen, in dem alle verdie­nen, konsumieren und produzieren können. Dazu bräuchte es wesentlich mehr Geld, wir würden dann aber nicht ein paar Tausend Jobs, sondern 200 000 Jobs schaffen – öster­reichweit, regional und langfristig. (Beifall bei den NEOS.)

Der zweite Punkt ist die klimaschonende Mobilität. Sie sprechen da – das ist ein Missver­ständnis, das man wirklich aufklären muss – immer davon, dass wir Milliarden investie­ren müssen, dass es billig sein muss. Es gibt unendlich viele Studien, die sagen: Es muss nicht billiger sein, sondern es muss bequem und leicht erreichbar sein. Der Mensch steigt dann auf den öffentlichen Verkehr um, wenn er angenehm reisen kann. Wenn nur alles billiger wird und wir das durch Steuern subventionieren, wird es aus der Perspektive der Bevölkerung nicht besser. (Beifall bei den NEOS.)

Auch im Bereich Bauen und Sanieren, einem zweiten großen Bereich, in dem wirklich viele Arbeitsplätze drinnenstecken, ist die Benchmark wiederum nicht international, son­dern wieder die ÖVP. Vielleicht ist es dann nicht der Bauernbund, sondern der Arbeit­nehmerbund oder sonst jemand, im Wesentlichen aber ist es so: Würden wir da nicht deckeln, sondern wirklich überall dort, wo die Bausubstanz saniert werden muss, sanie­ren, und das Schritt für Schritt, dann würden 120 000 neue Jobs entstehen.

Damit kommen wir jetzt zum größten Punkt: Wir reden eigentlich immer nur von den Jobs, die quasi unmittelbar in der Arbeit entstehen, wir reden nicht von den Buchhaltun­gen, von den Rechtsabteilungen, von den vielen anderen Jobs, die dann indirekt ent­stehen. Dafür braucht es ein großes Element, nämlich massive Investitionen in die Bil­dung. Wir reden jetzt von Jobs, die wir schaffen – 350 000, 400 000 Jobs, Green Jobs –, aber die Menschen, die diese Ausbildung haben, gibt es gar nicht. Wenn wir diese Jobs schaffen, müssen wir auch die Ausbildungen dafür schaffen, damit Österreich sich über­haupt in diese Richtung entwickeln kann!

Genau da ist aus meiner Sicht aber noch viel zu wenig passiert. Noch sind Sie Ankün­digungskaiserin, Frau Ministerin Gewessler, noch unterscheiden Sie sich nicht von den Covid-Pressekonferenzen. Wenn Sie Effekte einführen wollen, dann nehmen Sie als Benchmark nicht den Bauernbund, nicht die ÖVP, sondern nehmen Sie sich internatio­nale Beispiele und investieren Sie in die richtigen Felder! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Abschließend, Herr Präsident, möchte ich noch eines sagen: Umwelt- und Klimaschutz ist natürlich nicht eine rein wirtschaftliche Maßnahme. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass in Ländern, in denen so ein Veränderungsprozess erfolgreich stattge­funden hat, die Menschen glücklicher sind, gesünder sind und länger leben. Das alles setzen Sie aufs Spiel, weil Sie auf die ÖVP hören. Die ÖVP verhindert seit Jahrzehnten, dass sich die Bevölkerung in diese Richtung entwickeln kann. Wir NEOS wollen eine gesunde Wirtschaft, eine gesunde Bevölkerung und Innovation in allen Lebenslagen, und die ÖVP verhindert das. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.01

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Plakolm. – Bitte.