12.06

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Sebastian, magst du ein bissel später mit der Eli weiterratschen? (Zwischenruf des Abg. Melchior.) Ich habe deiner Rede so aufmerksam zugehört, es wäre sehr spannend, wenn wir mitein­ander reden könnten. – Okay, bereden wir es nachher. Ich habe nämlich Sebastian Kurz aufmerksam zugehört und habe gedacht, dass er wirklich Interesse hat. Er hat heute so viel von Respekt, Zuhören und ausgestreckter Hand geredet, aber oft sind ja Politiker so, dass sie viel reden, die eigenen Worte dann mit den Taten aber nicht ganz überein­stimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bin heute nämlich draufgekommen, warum Sebastian Kurz fast 60 Pressesprecher angestellt hat: Die Rede war spannend, er hat in der Rede gesagt, man muss in der Politik hinter einem Politiker immer auch den Menschen sehen. Dann hat er gesagt, man muss zuhören und es braucht Respekt. Wir merken gerade, wie respektvoll er zuhört. Er hat gesagt, man muss den Menschen sehen. Da habe ich mir gedacht: Er wird sich wohl nicht am Ende jetzt bei Rudi Anschober für die Hacklschmeißerei der letzten Monate entschuldigen wollen? – Aber nein! Mit der Aussage: Man muss den Menschen sehen!, hat Sebastian Kurz nicht Rudi Anschober gemeint, sondern er hat sich selbst gemeint.

Sebastian Kurz, du hast dich, glaube ich, ein bissel als Opfer gesehen, aber ich darf ganz offen sagen: Sebastian, du bist nicht das Opfer, denn wenn du dich an die letzten Monate zurückerinnerst, war die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen euch bei­den keine faire. Die Krönung war für mich, dass genau in dem Moment, als Rudi Anscho­ber mit einem Kreislaufkollaps im Krankenhaus gelegen ist, die Hacklschmeißerei be­gonnen hat und dass man nachgetreten hat. Jedes Kind lernt im Kindergarten: Wenn jemand am Boden liegt, dann steigt man nicht drauf, sondern streckt die Hand aus und hilft. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist – leider – eigentlich aus meiner Sicht das Tragische: Rudi Anschober war so nobel und hat kein Wort zu dir gesagt. Er hat kein einziges Wort zum Bundeskanzler der Republik gesagt. Das war Strafe genug. Das war ein nobler Zug zum Abschied. Ich bin nicht ganz so nobel, sondern ich möchte auch offen sagen, dass wir aus den Fehlern lernen und uns überlegen müssen, was in den letzten Monaten passiert ist. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Wir haben oft miteinander über die Hacklschmeißerei in Richtung Anschober diskutiert. Der Unterschied war, Rudi Anschober war auch bereit, miteinander zu diskutieren und sich zu entschuldigen, wenn Fehler passiert sind. Sebastian Kurz glaubt aber, dass Krisenmanagement eine Egoshow ist, dass es um PR geht, dass es darum geht, wer der große Krisenmanager ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es doch alle erlebt: Am Beginn der Krise war Sebastian Kurz der große mutige Kapitän, der uns vorausschauend durch diese Krise bringt. Damals war er ganz stark da, in jeder Zeitung ist er mit einem Foto erschienen, bei den Impfterminen ist er da gewe­sen, aber kaum hat es den ersten Gegenwind gegeben, hat der mutige Kapitän Se­bastian Kurz sofort das Ruder aus der Hand gegeben, hat sich unter Deck versteckt und hat alle anderen rudern lassen.

Das ist kein Krisenmanagement für Österreich! Du hast nicht nur Rudi Anschober im Stich gelassen, sondern du hast vor allem Österreich und seine Bevölkerung im Stich gelassen. (Beifall bei der SPÖ.) All die Menschen, die Tag und Nacht in den Pflegehei­men für uns da sind, im Krankenhaus auf den Intensivstationen für uns arbeiten, hätten einen Bundeskanzler gebraucht und nicht dieses: Ich bin da, ich bin schon wieder weg. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) – Ich meine, ich bin Kärntner, ich habe das auch in den Jahren von Haider gut kennengelernt, aber mitten in einer Krise kann doch der Bundes­kanzler nicht sagen: Wenn die Sonne scheint, dann bin ich da, und wenn irgendwann ein Gegenwind kommt, sind alle anderen verantwortlich. – Das ist doch kein Krisenma­nagement! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich bitte dich wirklich, Sebastian, nimm das Ruder in die Hand, hab Mut und mach das, wofür du gewählt worden bist! Der mutige Kapitän sein zu wollen, aber sich immer dann zu verstecken, wenn es Gegenwind gibt, das ist keine Politik für Österreich. (Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Weil heute auch viel von den Grünen gekommen ist, von Sigi Maurer und von Werner Kogler: Ich glaube wirklich, wenn ihr eure Lobhudeleien in Richtung Rudi Anschober ernst gemeint hättet, dann hättet ihr im letzten Monat doch irgendwann den Mut haben und sagen müssen: So gehen wir miteinander nicht um, stopp! Das kann nicht sein, diese Hacklschmeißerei in der Regierung, die Situation ist ernst genug. (Zwischenruf des Abg. Sieber.) Das ist kein fairer Umgang! – Von Sigi Maurer habe ich nichts gehört, und auch von Werner Kogler habe ich in den Monaten, in denen Anschober immer wieder durch die Hacklschmeißerei der ÖVP behindert worden ist, nichts gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Deswegen ist unsere Hand jetzt ausgestreckt. Wir werden versuchen, den neuen Mi­nister Mückstein von Anfang an zu unterstützen. (Zwischenruf des Abg. Hanger.) Da geht es nicht um die politischen Parteien, da geht es um Österreich, und deswegen brin­gen wir heute noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „konkrete Impfter­mine, Antigen-Tests zur Eigenanwendung als Zutrittstests und Long-Covid-Strategie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen,

- dass bundesweit zentral organisiert, innerhalb der nächsten 2 Wochen allen Impfwil­ligen in Österreich ihr konkreter Impftermin mitgeteilt wird,

- dass endlich die Voraussetzungen für die Zulassung von Antigen-Tests zur Eigenan­wendung als Zutrittstests geschaffen werden und

- dass binnen eines Monats eine Long-Covid-Strategie erarbeitet wird.“

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Die SPÖ hat konkrete Vorschläge: Schauen wir, dass es Wohnzimmertests gibt, die auch als Zutrittstests gelten! Schauen wir, dass wir eine Long-Covid-Strategie entwickeln und dass sich endlich alle Menschen in Österreich auskennen und dass ihnen auch ein konkreter Impftermin bekannt gegeben wird!

Was nicht funktioniert, ist, wenn von der EU Impfstoffe beschafft werden, die alle euro­päischen Staaten bekommen, und Sebastian Kurz sagt: Ich war das, ich war es, ich war derjenige, der den Impfstoff beschafft hat!, aber wenn es dann darum geht, dass die Bevölkerung in Österreich konkret erfährt, wann der Impftermin ist, dann sagt Sebastian Kurz: Ich bin ja nur Bundeskanzler, keine Ahnung, wie das funktionieren soll, ich bin dafür nicht zuständig.

Wir kennen also, glaube ich, inzwischen alle das Muster: Wenn etwas im Krisenma­nagement gut funktioniert, dann war es der strahlende Kapitän Sebastian Kurz, und im­mer wenn etwas nicht funktioniert, dann putzt er sich ab, dann sind alle anderen schuld: die Länder, die Gemeinden, die Krankenschwester vor Ort oder die Ärztinnen und Ärzte. – Das ist die Politik von Sebastian Kurz. Das ist leider nicht mutig, das ist genau das Gegenteil.

Ich bitte dich wirklich, Sebastian, denn das war kein fairer Zugang Richtung Rudi An­schober, und du hast heute viel von Menschlichkeit gesprochen: Versuch wirklich, da­rüber nachzudenken, nimm vielleicht das Telefon zur Hand und ruf heute am Abend Rudi Anschober an und sag: Rudi, wo hätte ich dich denn mehr unterstützen können? (Zwi­schenruf des Abg. Melchior.) Rudi, du hast gesagt, du hast dich in der Regierung oft allein gefühlt.

Vielleicht habt ihr eine Möglichkeit, telefonisch einmal unter vier Augen zu reden. Deine Selbstkritik musst du nicht hier im Plenum zur Schau stellen, aber vielleicht bist du auch bereit, Rudi Anschober einmal offen zu fragen, was er in der letzten Zeit erlebt hat und ob ihm die Hacklschmeißerei mitten in der Krise die Arbeit leichter gemacht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Also was du da zusammenredest ...!)

12.13

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kucher, Genossinnen und Genossen

betreffend konkrete Impftermine, Antigen-Tests zur Eigenanwendung als Zutrittstests und Long-Covid-Strategie

eingebracht im Zuge der Debatte zur Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vize­kanzlers gemäß § 19 Abs. 2 GOG-NR anlässlich der Ernennung eines neuen Bundesmi­nisters für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

Bundeskanzler Kurz hat zugesagt, dass durch die vorgezogene Lieferung von 1 Mio. Impf­dosen der Firma BioNtech/Pfiser alle Personen, die sich impfen lassen wollen, bis Juli auch geimpft sein können.

Halten die aktuellen Zusagen, die der Bundeskanzler verkündet hat, sind es nur noch wenige Wochen, in denen Covid-Impfstoff Mangelware ist und in denen nach Priorisie­rungslisten geimpft wird (bzw. werden sollte, viel wurde ja von Anfang an freihändig ver­geben).

Aus diesem Grund muss die Regierung jetzt allen Impfwilligen eine Perspektive geben und durch eine zentrale bundesweite Koordination und Organisation die Möglichkeit schaffen, innerhalb kürzester Zeit endlich einen konkreten Impftermin zu bekommen.

Weiters ist es höchst an der Zeit, dass im Hinblick auf die von der Regierung angekün­digten kommenden Öffnungsschritte, endlich auch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Antigen-Tests zur Eigenanwendung als Zutrittstests zugelassen werden. Wenn wir die Bereitschaft zu mehr Testungen in der Bevölkerung erhöhen wollen, muss diese Möglichkeit, endlich geschaffen werden.

Nicht vergessen werden dürfen aber auch jene rund zehn Prozent der Corona-Infizierten, die auch Monate nach Beginn der Erkrankung noch an teils schweren Folgen von Covid-19 leiden. Es gibt derzeit generell noch ein Informationsdefizit und mangelnde Daten zur Anzahl der Long-Covid-Patienten und ihren jeweiligen Folgeerscheinungen.

Das Krankheitsbild aber ist sehr vielfältig, von neurologischen und psychiatrischen Syn­dromen sowie Problemen an der Lunge oder am Herzen. Ein Drittel der Patienten, die auf Intensivstationen gewesen sind, sind nach einem Jahr nach wie vor nicht fähig sich selbst zu versorgen oder wieder in ihrem Beruf zu arbeiten.

Daher ist es erforderlich umgehend Maßnahmen zu treffen und eine Strategie zur Un­terstützung der Betroffenen und zur Beseitigung dieser Folgeerscheinungen zu erar­beiten. In England sollen beispielsweise bereits bis Ende April flächendeckend 83 Long-Covid-Zentren entstehen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pfle­ge und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend dafür Sorge zu tragen,

•           dass bundesweit zentral organisiert, innerhalb der nächsten 2 Wochen allen       Impfwilligen in Österreich ihr konkreter Impftermin mitgeteilt wird,

•           dass endlich die Voraussetzungen für die Zulassung von Antigen-Tests zur        Eigenanwendung als Zutrittstests geschaffen werden und

•           dass binnen eines Monats eine Long-Covid-Strategie erarbeitet wird.“

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerhard Kaniak. – Bitte.