12.13

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrter Herr Minister Mückstein! Ich darf Sie in meiner Funktion als Obmann des Gesundheitsausschusses als neuer Gesundheitsminister im Hohen Haus begrüßen.

Ich muss sagen, ich habe in Ihre Ernennung ursprünglich sehr große Hoffnungen ge­setzt – Hoffnungen deswegen, weil in den letzten Monaten klar war, dass dem ausge­schiedenen Gesundheitsminister Anschober die Kraft zur Bewältigung dieser Krise ausgegangen ist. Er ist an seinen eigenen hohen Ansprüchen, als verbindendes und vermittelndes Element zu agieren, gescheitert. Er ist an einem Koalitionspartner geschei­tert, der ihm jede negative Nachricht in die Schuhe geschoben und positive Dinge an sich gezogen hat. Er ist aber auch einfach am Krisenmanagement gescheitert.

Sie haben das in Ihrer eigenen Rede heute ganz gut auf den Punkt gebracht: Nach über einem Jahr Bundesminister Anschober sind noch immer etliche Reformen im Gesund­heitsressort ausständig gewesen – Dinge, die man ganz am Beginn der Legislaturpe­riode hätte regeln müssen und die auch die Krisenbewältigung deutlich erleichtert hätten.

Nun, ich habe durch Ihre Ernennung auch deshalb Hoffnung geschöpft, weil Sie als je­mand, der tatsächlich vom Fach ist, eine Expertise mitbringen, die dem ausgeschiede­nen Bundesminister Anschober in der fachlichen Beurteilung gefehlt hat, und auch weil ich die Hoffnung habe, dass Sie als Mediziner im Umgang mit wissenschaftlichen Daten und evidenzbasierten Entscheidungen Erfahrung haben. So müssen Sie in Ihrem Alltag, auch im Umgang mit Ihren Patienten, bei jeder Therapieentscheidung agieren, und so habe ich die Hoffnung gehabt, dass Sie diese wissenschaftliche Erfahrung auch in Ihr Amt als Bundesminister einbringen werden und dass wir es angehen werden, die Maß­nahmen, die die Bundesregierung zur Bewältigung dieser Krise getroffen hat – vor allem auch Ihr Vorgänger im Gesundheitsressort –, zu analysieren und eine Kurskorrektur ein­zuleiten, die für Österreich so dringend notwendig ist.

Man muss gar nicht weit in die Ferne schweifen. Ich habe diese Vorschläge schon mehr­mals eingebracht, und ich würde mich freuen, wenn ich sie Ihnen im Detail näherbringen könnte. Wir haben schon vor Monaten einen ganz klaren Fünfpunkteplan veröffentlicht und in mehreren Pressekonferenzen und Plenarreden erwähnt, der eigentlich klipp und klar besagt, was unsere Vorstellungen sind, wie wir aus diesem Schlamassel wieder herauskommen.

Der erste Schritt wäre einmal die Beendigung des Lockdowns in Österreich. Leider Gottes haben Sie dazu schon Position bezogen; ich vermute aber, bevor Sie sich die Unterlagen und die wissenschaftlichen Daten und die internationalen Studien zu diesem Thema angesehen haben, denn der Lockdown schadet schon längst mehr, als er nützt, besonders in der Form, wie er in Österreich umgesetzt wird. (Beifall bei der FPÖ.)

99,7 Prozent der Bevölkerung werden in Geiselhaft genommen und in ihren Grund- und Freiheitsrechten eingeschränkt, weil 0,3 Prozent der Bevölkerung als aktive Fälle geführt werden, wovon über 80 Prozent asymptomatisch sind und de facto auch kein großes Übertragungsrisiko darstellen. Das ist nicht die Ultima Ratio, als die das Parlament diese Maßnahme beschlossen hat, sondern das ist eine Pervertierung der Ultima Ratio einer Ausgangssperre und einer Freiheitsbeschränkung, die als letzte Konsequenz vorgese­hen war und jetzt seit vielen Monaten als Dauermaßnahme etabliert ist. Das gehört schleunigst abgeschafft! (Beifall bei der FPÖ.)

Der zweite Punkt ist das totale Zahlenchaos, in dem wir uns noch immer befinden. Auch da appelliere ich an Sie als wissenschaftlich ausgebildeten Menschen: Wenn man Ent­scheidungen treffen muss, dann muss man auch ehrliche Zahlen haben. Selbst aus dem Krisenstab ist immer wieder die Kritik laut geworden, dass die Zahlen, die sie bekommen, nicht evident sind, dass sie nicht wahr sind.

Auch der Präsident der Gesellschaft der Intensivmediziner hat kürzlich gesagt, er schaut gar nicht mehr auf das Ages-Dashboard, weil die Zahlen, die dort veröffentlicht werden, schlicht und ergreifend falsch sind.

Wir haben ein Recht darauf, ordentliche Zahlen zu bekommen, die der Realität entspre­chen, und dass Entscheidungen dann auf dieser Basis getroffen werden! Da können Sie in einem ersten Schritt damit anfangen, auch die Definition von aktiven Fällen zu über­arbeiten. Ich habe das in meiner letzten Pressekonferenz auch schon angeführt: Die entspricht nicht den Vorgaben der WHO. Da fehlt ein ganz entscheidendes Element, nämlich die ärztliche Diagnose einer Erkrankung, die ursprünglich auch im Epidemie­gesetz vorgesehen war, dass ein Krankheitsverdächtiger oder Kranker von einem Arzt diagnostiziert wird, bevor man Maßnahmen gegen seine Grund- und Freiheitsrechte trifft und ihn in Quarantäne schickt. Es sind ganz elementare Dinge, die im Umgang mit den Menschen in unserem Land seit Monaten mit Füßen getreten werden. Ich habe die Hoff­nung gehabt, dass Sie als neuer Gesundheitsminister diese Versäumnisse, diese gro­ben Fehler angehen und beenden werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Das setzt sich bei den gesetzlichen Regelungen und Verordnungen fort, das ist heute angesprochen worden – über hundert Verordnungen! Ganz so laissez faire, wie das der Herr Vizekanzler gesagt hat, können wir nicht darüber hinwegsehen, dass da etliche dabei sind – mindestens zehn –, die bereits jetzt vom Verfassungsgerichtshof aufgeho­ben worden sind. Das Ganze ist passiert, weil sich die Bundesregierung vor die Presse hingestellt und Maßnahmen verkündet hat, die noch in keiner Weise gesetzlich ausge­arbeitet waren. Dann wurde das Ministerium verpflichtet, schnell, schnell, schnell Verord­nungen und Gesetze nachzuliefern, und es hat eben keine ordentliche Überprüfung durch den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt gegeben, keine Begutachtung von vielen dieser Gesetze und Verordnungen. Das ist ein gravierender Fehler gewesen, das muss umgehend nachgeholt werden. Das heißt, eine Normenüberprüfung aller Gesetze und Verordnungen ist eine ganz klare Forderung von uns. Auch das haben sich unsere Bürger verdient. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dann haben wir in den vergangenen Monaten ein riesiges Defizit beim tatsächlichen Schutz der Risikogruppen gehabt, und das betrifft jetzt nicht nur die äußerst problemati­sche bis katastrophale Umsetzung des Impfplans, wodurch in manchen Bundesländern nicht einmal die Hälfte des verfügbaren Impfstoffs tatsächlich an die Risikogruppe ge­gangen ist, sondern es geht noch viel weiter zurück: zum Ankauf von schadhaften Mas­ken, dazu, dass es keine klaren Regelungen für Alten- und Pflegeeinrichtungen gab. Wenn man weiß, dass zumindest zum Jahreswechsel knapp die Hälfte aller Todesfälle aus Alten- und Pflegeheimen gekommen ist, dann sieht man, wie viel Leid und wie viele Tote man hätte verhindern können, wenn man nur diese ganz, ganz kleine Bevölke­rungsgruppe effektiv geschützt hätte. Da hat die Bundesregierung versagt, und da er­warte ich mir für die Zukunft auch klare und effektive Maßnahmen, denn die werden von der Bevölkerung auch mitgetragen. (Beifall bei der FPÖ.)

Der letzte Punkt, der aber auch aktueller ist, als man denken würde, ist die Stärkung der Gesundheitsbehörden, aber auch der Behandlungssysteme. Es ist mir – Sie wissen es wahrscheinlich, ich bin auch selbstständiger Apotheker – ein absolutes Rätsel, warum es in Österreich so unendlich lange dauert, bis neue Therapieoptionen gegen Covid-19 auch tatsächlich in den Alltag in den Kliniken und in die Behandlung einfließen. Monate vergehen, bis dann eigentlich die Behandlung schon gar nicht mehr indiziert ist oder bis es schon wieder bessere Therapieformen gibt. Denken Sie nur an das Remdesivir! Vor einem Monat wurde das erst beschlossen. Dabei ist es schon ungefähr seit Oktober, eigentlich sogar noch länger, also seit über einem halben Jahr, als eines der wenigen Mittel, mit denen man zumindest bei schweren Verläufen gut eingreifen kann, in aller Munde.

Beim Budesonid-Inhalator, zu dem jetzt seit drei Wochen über die Oxford-Studie ent­sprechend publiziert wurde, gibt es noch nicht einmal Überlegungen zum Ankauf. Da leiden wir unter der Situation, dass wir in Österreich im Arzneimittelbezug aufgrund un­seres Niedrigpreisniveaus kontingentiert sind, dass wir zusätzliche Arzneimittel mit die­sem Wirkstoff gar nicht bekommen, weil wir zu wenig dafür zahlen, und das Ganze ist gesetzlich geregelt. Auch das wäre etwas, bei dem Sie sofort in eine zentrale Beschaf­fung gehen müssten. Das sind aber nur Teilbereiche.

Zum Thema Arzneimittelversorgung, das auch ein großer Aufgabenbereich für die Zu­kunft für Sie wäre, hätte ich sehr viele konstruktive Anschläge (erheitert) – Anschläge auch, ja, Anschläge auf Sie persönlich, dass wir das besprechen –, Vorschläge vor allem auch.

Ein ganz wesentliches Thema, das ich auch noch ansprechen möchte, auch wenn meine Redezeit eigentlich schon aus ist: Wir haben in dieser Krise gesehen, dass die Stärkung des niedergelassenen Bereichs ein ganz wesentlicher Schlüsselpunkt für das Funktio­nieren der Gesundheitsversorgung in Österreich ist, und es wurde seit Jahren nicht geschafft, dass wir bedarfsorientiert die Ärzte vor allem im niedergelassenen Bereich dorthin bekommen, wo sie benötigt werden, weder die Allgemeinmediziner, noch die Fachärzte.

Die PHC-Lösung ist für manche Bereiche ein konstruktiver Ansatz, doch für viele Bereiche ist sie keine geeignete Lösung. Da brauchen wir eine Aufwertung der Allgemeinmedizin, wir brauchen den Facharzt für Allgemeinmedizin, wir brauchen auch eine Aufwertung der sonstigen Gesundheitsberufe, eine Kompetenzausweitung genauso wie auch eine finanzielle Anerkennung der Tätigkeiten, die sie verrichten. Wir brauchen eine Entlas­tung von der Bürokratie quer durch unser gesamtes Gesundheitswesen, weil wir in büro­kratischen Auflagen und Dokumentationsverpflichtungen untergehen und die Zeit für die Menschen in unserem System fehlt.

Wenn wir es dann auch noch schaffen, die großen Bereiche der Psychischen Erkran­kungen, der Prävention, der Pflege und dann auch noch die Bereiche Soziales und Tier­schutz, die Sie haben, anzugehen, dann werden wir uns einige Termine ausmachen müssen, bei denen wir das besprechen können. Wir haben sehr viel einzubringen! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und viel Erfolg! (Beifall bei der FPÖ.)

12.22

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ralph Schallmeiner. – Bitte.