17.30

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Herr Innenminister! Herr Bundeskanzler (in Richtung des den Sitzungssaal verlassenden Bundeskanzlers Kurz), das ist vielleicht auch für Sie nicht uninteressant, weil es jetzt in Bezug auf das, was wir in einer kurzen Debatte zu besprechen haben – nämlich eine Anfragebeantwortung des Herrn Innenministers, die es verdient, im Rahmen dieser heutigen Sitzung gewürdigt und besprochen zu werden ‑, ein bisschen abenteuerlich wird.

Sehr geehrte Damen und Herren, am 31. Jänner dieses Jahres fand eine Großkundge­bung gegen die Bundesregierung, insbesondere gegen den Coronakurs dieser Bun­desregierung statt. Am Abend dieses 31. Jänner traten Sie, Herr Innenminister, hoch aufgeregt in einer eilig einberufenen Pressekonferenz vor die Fernsehkameras und zeichneten ein düsteres Bild dieser friedlichen Menschen, die zu Zigtausenden ihrem berechtigten Unmut über den Kurs dieser Bundesregierung kundgemacht hatten.

Neben Ihren üblichen und schon gewohnten Beschimpfungen, Verunglimpfungen und pauschalisierenden Abwertungen dieser Bürgerinnen und Bürger haben Sie auch einen sehr bemerkenswerten Satz geäußert, den ich hier auch als Transkription vor mir liegen habe und den ich jetzt zitieren möchte. Ich bitte um Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren, das ist nämlich der Kern dieser ganzen Anfrage.

Nehammer sagte: „Es gab sogar den Versuch, die Parlamentsrampe zu stürmen und zu besetzen, des alten Parlaments. Es erinnert frappant eigentlich daran, dass man solche Bilder in Erinnerung hat von den Vereinigten Staaten von Amerika, als das Kapitol ge­stürmt worden ist, und es war hier immer notwendig, taktisch neu zu entscheiden“, sehr geehrter Herr Innenminister.

Das Ganze wurde dann auch in den Medien übernommen. Ihre Aussage war in der „Zeit im Bild“ zu sehen, ging durch diverse Onlineportale und fand sich natürlich auch in den Printausgaben der einen oder anderen Tageszeitung wieder. Sogar die „Kronen Zeitung“ hat das gebracht (den Ausdruck der entsprechenden Zeitungsseite in die Höhe haltend) und hat zum Beleg Ihrer Aussagen und zur Untermauerung Ihrer Aussagen getitelt be­ziehungsweise die Schlagzeile geschrieben: „Einsatzprotokoll belegt: ,Sturm aufs Parla­ment‘“. Da waren einzelne angebliche Protokollfetzen dieses Einsatzes abgedruckt, die aber auch wiederum nichts aussagen und keinen Hinweis darauf geben, dass sich tat­sächlich so ein Ereignis zugetragen hat. – Wir haben dann in der Anfrage auch das Thema behandelt, wie ein Medium zu diesen Funkprotokollen kommen kann und ob das so üblich ist.

Diese Geschichte ist abenteuerlich, wenn man sich Ihren Vergleich mit den Ereignissen in Washington, D.C., bei denen vier oder fünf Menschen gestorben sind, vor Augen hält. Sie vergleichen das mit dieser Kundgebung, bei der in Wahrheit ja nichts passiert ist, und das werden wir jetzt Schritt für Schritt abarbeiten.

Ich habe Ihnen diese Aussage von Anfang an nicht geglaubt. Es gab berechtigte Zweifel, denn von dieser Großkundgebung damals gab es zig Stunden an Videomaterial im Inter­net. Da wurde natürlich auch von der Polizei mitgefilmt und mitdokumentiert, so wie das ja auch üblich und in Ordnung ist, und da hat es uns schon sehr, sehr gewundert, dass kein einziges diesbezügliches Bild und keine einzige derartige Tatsache zu finden waren.

Sehen wir uns aber Ihre Beantwortung der Anfrage mit dem Titel „abenteuerliche Ne­hammer-Geschichten: die angebliche Erstürmung des Parlaments“, um die es ja geht, an! Wir haben die Überschrift auch gewählt, weil wir uns ziemlich sicher waren, dass da nicht viel dahinter sein kann – eigentlich nichts dahinter sein kann –, und wir wollten dem Ganzen auf den Grund gehen.

Schauen wir uns einmal die Funkprotokolle an! Wir haben zuerst gefragt: „Haben Sie dieses Funk-Protokoll an die ,Kronen Zeitung‘ übermittelt?“, Haben Sie den Auftrag ge­geben?, Hat die Polizei das übermittelt?, und so weiter – ganz detaillierte Fragen, näm­lich die Fragen 1 bis 7. Ihre Antwort: „Ich habe keine Kenntnisse diesbezüglich und habe dazu keine Veranlassungen getroffen.“ Sie haben auch angeführt, dass die Landespoli­zeidirektion Wien diese Funkprotokolle nicht weitergegeben hat.

Dann haben wir gefragt, ob Sie sich erklären können, wie diese Funkprotokolle an die Medien gekommen sind, und Sie haben geantwortet: „Von der Landespolizeidirektion Wien werden keine diesbezüglichen Maßnahmen gesetzt“. Wir wollten nämlich auch wissen, welche Maßnahmen und Nachforschungen, wenn Sie es sich nicht erklären kön­nen, Sie anstellen, wie das passieren kann, und Sie haben, wie schon angeführt, gesagt, es wurden „keine diesbezüglichen Maßnahmen gesetzt. Übermittlungen von Funkproto­kollen an Medien sind weder im Sinne noch entspricht sie den Gepflogenheiten der Me­dienarbeit der Landespolizeidirektion Wien“.

Wir haben auch gefragt, inwieweit auf Basis dieser veröffentlichten echten oder nicht echten – wie auch immer – Funkprotokolle Ihre Behauptung des versuchten Sturms des Parlaments aussagekräftig sein kann und ob Sie dementsprechend die weiteren Teile dieses Funkprotokolls der Anfragebeantwortung beilegen können. Dazu haben Sie uns gesagt: „Aus datenschutzrechtlichen Gründen, auf Grund der Verpflichtung zur Amtsver­schwiegenheit sowie aus sicherheitspolizeilichen“ beziehungsweise „einsatztaktischen Überlegungen muss von einer Beantwortung dieser Frage Abstand genommen werden.“

So, jetzt aber kommen wir zum eigentlichen Skandal Ihrer Aussagen – es ist auch das sehr, sehr hinterfragenswert, wie das an die Medien kommen kann, aber die Geschichte wird ja dadurch nicht wahrer. Wir haben dann auch wissen wollen, ob es „tatsächlich Versuche von Personen“ gab, „auf das Baustellengelände“ zu gelangen. Zu Ihrer Be­hauptung muss man nämlich auch sagen, dass das ja eine Baustelle ist, wo seit drei­einhalb Jahren keine Abgeordneten, keine Mitarbeiter und zu diesem Zeitpunkt, am Sonntagabend, vermutlich auch keine Baustellenarbeiter drinnen sind, die also leer war. Wenn man vorbeifährt – wir kennen das alle –, sieht man: Das ist gesichert, da sind Baucontainer, da ist ein Zaun, da kommt man ohne Werkzeuge nicht so einfach hinein.

Wir haben also gefragt, ob es tatsächlich diesbezügliche Versuche gab, ob es Personen gab, die vielleicht entsprechende Einbruchswerkzeuge mitgeführt hätten, ob es Bild- oder Videomaterial gibt, wie viele Personen versucht haben, einzudringen, zu welcher Uhrzeit der Vorfall passiert ist, ob Personen festgenommen wurden, ob Personen ange­zeigt wurden und so weiter und so fort.

Ihre Antwort auf die Fragen 11 bis 18, die wir sehr detailliert gestellt haben, lautet lapidar: „Mehrere Beamte haben im Demozug vernommen, dass Demonstranten zum Parlament wollten. Kräfte wurden entsprechend verlegt“ – und jetzt kommt’s – „,es kam zu keiner weiteren Eskalation.“ Es ist dort also nichts vorgefallen.

Wir wollten das genauer wissen: Die verdeckten Ermittler, welche mehrfach in der Men­ge mitgehört - - (Bundesminister Nehammer schüttelt den Kopf.) – Ja, Sie schütteln den Kopf! Ich komme gleich zur Antwort, die Sie gegeben haben. Sie haben dann auch Ge­legenheit, das auszuführen und vielleicht ein bisschen zu beleuchten, wie Sie zu dieser Geschichte gekommen sind. Es geht nämlich darum, ob die verdeckten Ermittler, die da mehrfach in der Menge mitgehört haben, quasi gewarnt haben, dass das Ziel das Par­lament sei, und was sie gemacht haben, ob sie Ton-, Bild- oder Videoaufnahmen ge­macht haben, und was dann passiert ist.

Sie haben eigentlich nur Folgendes geantwortet: „Von den den Demonstrationszug be­gleitenden Kriminalbeamten wurde wahrgenommen, dass aus einer Gruppe von De­monstrationsteilnehmern heraus offensichtlich spontan artikuliert wurde, dass die Ram­pen des Parlaments als konkretes Ziel anzustreben wären.“ – Na bumm! (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kickl: ...plan!)

Herr Minister, das könnte auch eine Ortsangabe gewesen sein, indem man sagt: Gehen wir weiter Richtung Parlament! – Unsere Klubräumlichkeiten in der Reichsratsstraße sind hinter dem historischen Parlamentsgebäude. Wenn ich jemandem den Weg zu meinem Büro beschreibe, sage ich auch: Na ja, Richtung Parlament! (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.) Bisher hat aber keiner, der mich besucht hat, versucht, diese Baustelle zu stürmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Dann haben wir weitere Fragen gestellt – um das abzukürzen –, und Sie haben nur mehr Folgendes gesagt: „Mangels Vorliegens einer Straftat oder eines gefährlichen Angriffs“ gab „es keine Grundlage zur Ausforschung dieser Personen“, und es gab auch keine weiteren Vorfälle.

Herr Bundesminister Nehammer, halten wir fest: Es gibt kein Bild- oder Videomaterial, es gibt keine Straftaten, es gibt folglich keine Anzeigen und keine Festnahmen. Es gab keine Menschen auf der Rampe, auf der Baustelle oder im Baustellengelände. Es gab keinen Vorfall. Die Geschichte ist schlicht und ergreifend frei erfunden, Herr Bundesmi­nister! (Beifall bei der FPÖ.)

Da stelle ich mir die Frage: Warum? Warum machen Sie das? Warum dieser untaugliche Vergleich mit dem Kapitol? Auch Herr Sobotka hat ja zu Weihnachten schon einen Brief geschrieben, dass er Angst hat, dass das Parlament gestürmt werden könnte. – Ja, sehnen Sie sich solche Bilder herbei, dass Sie noch härter gegen die Menschen vorge­hen können, dass Sie noch unverhältnismäßiger agieren können? Ja, wollen Sie das? Das passt ja perfekt zu Ihrer Eskalationsstrategie! Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Sie wollen da ein bestimmtes Stimmungsbild erzeugen, Herr Minister, Sie sind auch für einen eklatanten Vertrauensverlust in die Polizei verantwortlich. Ihr obskures neues ÖVP-Parlamentsklubmedium „Zur Sache“ hat quasi darzustellen versucht, dass die Polizei ein hohes Ansehen genießt: 69 Prozent – das haben Sie als Meisterleistung ab­gefeiert und wollten damit auch Herrn Kickl diskreditieren. Die Geschichte ist aber: In Wahrheit hat es einen Vertrauensverlust von 90,5 Prozent auf 69 Prozent innerhalb ei­nes Jahres – von 2019 auf 2020 – gegeben. Ende 2019, unmittelbar nach der Amtszeit von Herbert Kickl, war die Polizei sogar erstmals in der Geschichte auf dem Spitzenplatz, dem Platz eins, des österreichischen Vertrauensindex Institutionen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Machen Sie also Ihre Hausaufgaben! Missbrauchen Sie die Polizei nicht immer, um we­gen Verwaltungsübertretungen unverhältnismäßig gegen die eigenen Bürger vorzuge­hen! Kümmern Sie sich endlich einmal darum, dass so etwas nicht passieren kann, ein solch eklatantes Versagen wie jenes im Vorfeld des Terroranschlages! Bringen Sie das BVT in Ordnung! Schauen Sie, dass Sie die Zuwanderung in Ordnung bringen! Wir ha­ben Rekordzuwächse im - -

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen den Schlusssatz formulieren.

Abgeordneter Mag. Hannes Amesbauer, BA (fortsetzend): Wir hatten im März dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um fast 90 Prozent mehr Asylanträge, obwohl Sie ge­sagt haben, die Grenzen sind de facto dicht. Herr Innenminister, kümmern Sie sich um Ihre Aufgaben, um die öffentliche Sicherheit! Stärken Sie das Ansehen der Polizei ... (Bei­fall bei der FPÖ.)

17.41

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, das ist ein Endlosschlusssatz!

Nun erteile ich Herrn Innenminister Karl Nehammer das Wort. – Herr Bundesminister, Ihre Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. Bitte.